# taz.de -- Export von Schnüffelsoftware: Scheich braucht neue Programmierer
       
       > Bei der Belieferung von Diktaturen mit Spitzeltechnik haben deutsche
       > Unternehmen bislang freie Hand. Das könnte sich bald ändern.
       
 (IMG) Bild: Aus Deutschland wird Überwachungssoftware an viele autoritäre Staaten geliefert. Die Folge für Aktivisten: Überwachung, Knast und Folter.
       
       BERLIN taz | Sayed Yusuf al-Muhafdha war der Letzte von ihnen. Ein
       freundlicher Mann mit gut sitzendem Hemd, gepflegter Frisur – und einem
       sehr klaren inneren Kompass. Im Golfstaat [1][Bahrain kämpfte der
       Menschenrechtsaktivist gegen Unterdrückung und Überwachung]. Aber als alle
       anderen AktivistInnen um ihn herum inhaftiert, gefoltert und entführt
       waren, machte er sich davon. Nun lebt er in Berlin und hat eine Mission:
       „Deutschland muss aufhören, Überwachungstechnik an autoritäre Regime zu
       liefern“, sagt er.
       
       [2][Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa] haben sich mit einem
       neuen Hilferuf an die Öffentlichkeit gewandt. Sie fordern, dass für
       digitale Werkzeuge – wie Computersoftware oder Lauschtechnik – auch ein
       effektiver Exportstopp verhängt wird, wenn diese zur Unterdrückung von
       Freiheitsrechten genutzt werden können. Der Hintergrund: Nach Ansicht von
       MenschenrechtsaktivistInnen zählen deutsche Unternehmen zu den fleißigsten
       Exporteuren solcher Überwachungssoftware.
       
       [3][Anders als bei Waffen und militärischen Gütern, gibt es jedoch bislang
       in der Europäischen Union keine effektiven Kontrollen für den Export
       solcher Technologien.] Auch die deutsche Gesetzgebung sieht das bislang
       nicht vor. Deshalb können Unternehmen ihre Produkte nach eigenem Ermessen
       in alle Welt verkaufen – mit Ausnahme von Ländern wie Syrien, die mit einem
       grundsätzlichen Embargo belegt sind.
       
       „Telefon und Internet dienen in Bahrain inzwischen mehr der Überwachung als
       dem Informationsaustausch – und das nicht zuletzt dank der Expertise
       westlicher Firmen“, sagt Sayed Yusuf al-Muhafdha. Er selbst stellte
       irgendwann fest, dass Sicherheitsbehörden häufig vor ihm da waren, wenn er
       sich zuvor via Handy mit Menschrechtsaktivisten verabredet hatte.
       Polizeidienste hörten sein Telefon ab und verschleppten seine
       Gesprächspartner. Weil Geschichten wie seine in den vergangenen Monaten
       immer wieder die Runde machten, rücken auch in Deutschland nach und nach
       die Unternehmen in den Fokus, die ihre Produkte an solche Regime liefern.
       
       ## Perfekte Arbeitsgrundlage
       
       Besonders berüchtigt ist etwa die Software [4][FinFisher] der
       deutsch-britischen Unternehmensgruppe Gamma. Mit dem Programm zur
       Überwachung von Computern und Handys sollen sich breite Datenströme
       analysieren, aber auch gezielte Informationen über einzelne AktivistInnen
       auswerten lassen – eine perfekte Arbeitsgrundlage zur Verfolgung von
       RegimekritikerInnen, DissidentInnen und kritischen JournalistInnen.
       
       Unternehmen wie Gamma oder die Münchner [5][Trovicor GmbH], hervorgegangen
       aus dem Unternehmen Siemens Nokia Networks, sollen in der Vergangenheit
       nicht nur in Länder wie Bahrain oder den Iran exportiert haben, sondern
       dort auch dauerhaft mit der Wartung und Aktualisierung der Software betraut
       gewesen sein. MenschenrechtsaktivistInnen vermuten, dass Trovicor, das über
       Niederlassungen in Dubai, Islamabad und Kuala Lumpur verfügt, dies auch
       weiterhin tut. Die Firma selbst gibt sich wortkarg. Trovicor-Sprecherin
       Birgitt Harrow sagt, das Unternehmen mache grundsätzlich keine Angaben zu
       seinen Kunden.
       
       Bislang reguliert die [6][Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union] zwar
       den internationalen Handel mit Gütern, die sowohl im militärischen wie auch
       im zivilen Bereich eingesetzt werden können. Überwachungssoftware ist
       jedoch bisher in keinem der fünf Anhänge der Verordnung aufgeführt.
       Nichtregierungsorganisationen drängen deshalb darauf, zügig für
       verbindliche Regeln zu sorgen.
       
       Die Aussichten darauf sind erstmals gut: Im Dezember 2013 wurde Software
       zur Internetüberwachung erstmals auf die Liste der Dual-Use-Güter des
       sogenannten [7][Wassenaar-Abkommens] aufgenommen. Dieses Abkommen für
       „Exportkontrollen von konventionellen Waffen und Dual-Use-Gütern“ führt auf
       zwei Listen Güter auf, deren Export nach Ansicht der 41
       Unterzeichnerstaaten reguliert werden sollte. Bei jährlich stattfindenden
       Treffen werden diese Listen aktualisiert. Sie dienen auch als Vorbild für
       Staaten wie Israel, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben – oder eben
       für die Verordnung der Europäischen Union.
       
       ## Baldige Konkretisierung nötig
       
       Allerdings: „Das Wassenaar-Abkommen ist rechtlich nicht bindend“,
       kritisiert die grüne Europa-Abgeordnete [8][Barbara Lochbihler]. Zwar
       begrüßt sie die Erweiterung des Abkommens. Nun müsse aber rasch geklärt
       werden, was konkret daraus folge. Denn die Umsetzung der Beschlüsse in
       nationales Recht obliegt den Unterzeichnerstaaten.
       
       Der Überwachungstechnik-Experte [9][Ben Wagner] kritisiert, dass die
       Definition entsprechender Programme sehr eng gehalten sei. Auch hätten
       Vertreter der Zivilgesellschaft keine Möglichkeit, sich an den jährlichen
       Treffen der Staaten zu beteiligen. Diese Runde sei den Repräsentanten der
       Unterzeichnerstaaten vorbehalten. „Typischerweise sind das Leute aus den
       Wirtschafts- und Außenministerien unter Einbindung der jeweiligen
       Geheimdienste.“
       
       Optimistischer sieht [10][Hauke Gierow] von der Journalistenorganisation
       Reporter Ohne Grenzen (ROG) das umstrittene Abkommen. „Erstmals werden
       diese Technologien als das betrachtet, was sie in vielen Staaten sein
       können: Waffen.“
       
       Gierow ist auch deshalb zuversichtlich, weil es seitens der EU-Kommission
       deutliche Signale gebe, wonach die Vorgaben aus dem Abkommen eins zu eins
       in EU-Recht umgesetzt werden sollen. Zudem habe das
       Bundeswirtschaftsministerium angekündigt, selbst Regelungen einführen zu
       wollen, die womöglich noch über das hinausgehen könnten. Immerhin:
       Besserung ist also in Sicht.
       
       15 Apr 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.bahrainrights.org/
 (DIR) [2] http://globalcause.net/
 (DIR) [3] /!115379/
 (DIR) [4] http://www.finfisher.com/FinFisher/index.html
 (DIR) [5] http://www.trovicor.com/en/
 (DIR) [6] http://www.bafa.de/ausfuhrkontrolle/de/vorschriften/eg_dual_use_vo/index.html
 (DIR) [7] http://www.wassenaar.org/
 (DIR) [8] http://barbara-lochbihler.de/1/home/barbara-lochbihler-startseite.html
 (DIR) [9] http://eui.academia.edu/BenWagner
 (DIR) [10] http://www.reporter-ohne-grenzen.de/ueber-uns/team/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
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