# taz.de -- An den Ufern des Kongo: Gewaltsame Abschiebungen
       
       > Kongo-Brazzaville weist zu Tausenden Illegale aus dem benachbarten
       > Kinshasa in ihre Heimat aus. Die Operation artet in Gewalt und Willkür
       > aus.
       
 (IMG) Bild: Warentransport über den Kongo von Brazzaville nach Kinshasa.
       
       BERLIN taz | In Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo,
       wächst die Empörung über das Nachbarland Kongo-Brazzaville: Eine
       Ausweisungsaktion gegen angeblich illegal eingereiste Bürger der DR Kongo
       aus Brazzaville, Hauptstadt der benachbarten Republik Kongo, artet in
       Gewalt und Willkür aus.
       
       Offiziell sind 1328, inoffiziell bis zu 8000 Menschen seit Anfang April aus
       Brazzaville zurück nach Kinshasa geschickt worden. Kinshasas Botschafter in
       Brazzaville, Christophe Muzungu, erklärte, er wisse von drei Todesfällen;
       rund 1000 seiner Staatsbürger verbrächten aus Angst die Nächte in seinem
       Botschaftsgelände.
       
       Kinshasa und Brazzaville, die Hauptstädte des ehemals belgischen und des
       ehemals französischen Kongo, liegen in Sichtweite gegenüber am Kongo-Fluss,
       sind aber nur durch Fähren miteinander verbunden. Der Fährverkehr zwischen
       den Millionenstädten ist eine Hochburg des Schmuggels und der Erpressung
       durch korrupte Beamte.
       
       Aber es ist ein ungleiches Verhältnis: Kinshasa mit mindestens 10 Millionen
       Einwohnern hat mehr als dreimal so viele Einwohner wie ganz
       Kongo-Brazzaville. Aus Sicht des diktatorisch regierten Kongo-Brazzaville
       ist der viel ärmere Moloch Kinshasa eine Dauerquelle von Kriminalität und
       Unmoral. Aus Sicht Kinshasas hingegen ist Brazzaville als Hauptstadt eines
       Ölstaates eine verlockende Einkommensquelle. Außerdem finden verfolgte
       Oppositionelle aus Kinshasa Zuflucht in Brazzaville.
       
       ## Polizeichef droht mit Gewalt
       
       Die Opfer der seit 3. April laufende Polizeioperation „Mbata ya Mokolo“
       (Ohrfeige durch den Älteren) in Brazzaville sind vor allem junge Frauen,
       die als mutmaßliche illegal arbeitende Prostituierte systematisch
       festgenommen und auf die Fähren gesetzt werden. Sie stehen unter
       Generalverdacht, seit im Februar die Regierung in Kinshasa ihrerseits im
       Rahmen einer Kampagne gegen Menschenhandel die Ausreise unbegleiteter
       Frauen unter 40 nach Brazzaville verboten hatte, außer wenn eine
       schriftliche Genehmigung durch Ehemann oder Eltern vorlag. Weitere
       Zielscheiben sind mutmaßliche Angehörige krimineller Banden aus Kinshasa,
       lokal als „Kuluna“ bezeichnet“, die vor Polizeioperationen in Kinshasas
       Slums über den Fluss flüchten.
       
       Medienberichten aus Kinshasa zufolge kommen die meisten Ausgewiesenen aus
       Brazzaville in einem elendigen Zustand zuhause an, ihres gesamten Hab und
       Gut beraubt, zuweilen mit sichtbaren Prügelspuren. Sie erzählen, mit
       vorgehaltener Waffe aus ihren Häusern auf Polizeiwachen gebracht und dann
       zur Fähre transportiert worden zu sein.
       
       „Man sieht Frauen und Kinder in Polizeijeeps, die Leute werden nackt in
       Verliese gesperrt“, erklärte der Menschenrechtsaktivist Jean-Fracois Mongya
       aus Kinshasa nach einem Besuch in Brazzaville. „Es gibt mehrere
       Vergewaltigungsfälle, auch an Mädchen. Es gibt systematische Plünderungen.
       Man hat mir von Erstickungsfällen erzählt.“ Die Regierung in Kinshasa hat
       eine offizielle Untersuchung angekündigt und nach heftiger Kritik im
       Parlament versprochen, sich um die Ausgewiesenen zu kümmern.
       
       Die Regierung von Kongo-Brazzaville sagt, die Ausweisungen dienten dem
       Kampf gegen zunehmende Diebstähle und Vergewaltigungen in Brazzaville.
       Dafür seien nicht nur Kongolesen aus Kinshasa, sondern auch Flüchtlinge aus
       der Zentralafrikanischen Republik verantwortlich, die teils obdachlos
       herumirrten. Insgesamt sollten sechs Monate lang 1200 Beamte den
       Aufenthaltsstatus aller Ausländer überprüfen und Leute ohne gültige Papiere
       festnehmen.
       
       Doch in Kinshasa zirkuliert ein Video vom vergangenen Jahr, auf dem der
       Polizeichef von Kongo-Brazzaville, Jean-Francois Ndenguet, dazu aufruft,
       „Zairer“ - also Bürger der Demokratischen Republik Kongo - zu töten, weil
       sie Kriminalität nach Brazzaville brächten. „Sollen sie ihre Verbrechen
       zuhause verüben, nicht hier; sonst bringen wir sie um“, soll Ndenguet
       gesagt haben.
       
       21 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Afrika
 (DIR) Kongo
 (DIR) Gewalt
 (DIR) Prostitution
 (DIR) Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Kongo
 (DIR) Ruanda
 (DIR) Ruanda
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Elfenbeinküste
 (DIR) Homophobie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rohstoffe für Handys: Der Kongo steckt im Detail
       
       Ab sofort müssen Unternehmen in den USA nachweisen, dass sie mit ihren
       Rohstoffen keine Konflikte im Kongo fördern. Ein Vorbild, aber ein
       gewagtes.
       
 (DIR) Kongo-Brazzaville wirft Ausländer raus: „Barbarische“ Deportationen
       
       An die 60.000 Menschen wurden bislang aus Brazzaville über den Fluss nach
       Kinshasa deportiert. Viele campieren seitdem mittellos unter freiem Himmel.
       
 (DIR) Konflikt in Zentralafrika: Ein versehrtes Dorf
       
       Fast alle Muslime sind aus Zentralafrika vertrieben. Die Bewohner des
       Örtchens Gbakara hoffen, dass sie nie mehr wiederkommen.
       
 (DIR) Sexuelle Gewalt durch Armeen im Kongo: UN zählt 3.600 Misshandlungen
       
       Sicherheitskräfte und Rebellengruppen üben im Kongo systematisch sexuelle
       Gewalt aus, sagt ein UN-Bericht. Die Dunkelziffer der Opfer liegt
       wesentlich höher.
       
 (DIR) 20 Jahre Völkermord in Ruanda: Paris boykottiert Gedenkfeiern
       
       Zum 20. Jahrestag des Völkermords reist kein Regierungsvertreter nach
       Ruanda. Präsident Kagame hatte Frankreich der Mittäterschaft bezichtigt.
       
 (DIR) 20 Jahre nach dem Völkermord: Was geht uns Ruanda an?
       
       Im Frühjahr 1994 begann das Morden in dem Staat mitten in Afrika. Die
       Weltpolitik zieht Lehren daraus - danach handeln scheint sie nicht zu
       können.
       
 (DIR) Intervention in Zentralafrika: Europa kommt, Muslime gehen
       
       Während die EU ihre Bangui-Truppe lanciert, will das UNHCR die letzten
       Muslime aus der Stadt evakuieren. Sie seien nicht mehr zu schützen.
       
 (DIR) UN-Mission im Kongo: Unruhige Zeiten für die Blauhelme
       
       Die UN-Mission im Kongo muss zugleich kämpfen, umziehen und sparen. Im
       UN-Sicherheitsrat steht jetzt ihre Verlängerung an.
       
 (DIR) Scharfmacher aus Elfenbeinküste: Ehemaliger Milizenchef hinter Gittern
       
       Charles Blé Goudé, Führer der radikalen „Jungen Patrioten“ während des
       Bürgerkrieges, kommt beim Internationalen Strafgerichtshof in Haft.
       
 (DIR) Homophobie in Afrika: Der einsame Kampf der Alice Nkom
       
       Wer Homosexuelle verteidigt, wie Alice Nkom, steht in Afrika im
       gesellschaftlichen Abseits. Amnesty International ehrt sie mit dem
       Menschenrechtspreis.