# taz.de -- Gallery Weekend in Berlin: Da brummt der Laden
       
       > Zum zehnjährigen Jubiläum des Gallery Weekend laden kommen 20.000
       > Sammler, Kunstvermittler und Freunde der Kunst in die Stadt.
       
 (IMG) Bild: Kunst, wohin du auch gehst am Gallery Weekend in Berlin.
       
       Ironischer hätte der Auftakt zum Gallery Weekend nicht ausfallen können.
       Als Isabelle Graw am Montagabend in der American Academy Roberta Smith, die
       Kunstkritikerin der New York Times, danach fragte, wie sie es sich erkläre,
       dass das im Auktionswesen offensichtlich bedeutungslose, symbolische
       Kapital der Kunstkritik zuletzt eine zunehmend wichtigere Rolle bei den
       Galerien spiele, man denke an die intellektuell immer aufwendigeren
       Kataloge und Kunstpublikationen, da rumorte es im Publikum.
       
       Die Frage der Professorin für Kunstgeschichte und -theorie an der
       Frankfurter Städelschule und Mitbegründerin der Texte zur Kunst nach der
       Rolle und dem Stellenwert der Kunstkritik im Wertschöpfungsprozess der
       Kunst stieß sichtlich auf Unverständnis, ja Ablehnung. Geradeso, als
       verkenne Graw und ideologisiere damit unnötigerweise einen ursprünglichen
       Prozess natürlicher Begeisterung, Leidenschaft und Engagements für die
       Kunst.
       
       Die gleichen Leute treiben sich dann auf dem Gallery Weekend herum, das ein
       höchst artifizielles Marketinginstrument ist, die vermeintlich
       naturwüchsigen Emotionen von Sammlern, Kuratoren und sonstigen
       Kunstvermittlern zu wecken und zu lenken. Das von einem kleinen Kreis
       maßgeblicher Galeristen der Stadt entwickelte Konzept feiert dieses Jahr
       seinen 10. Geburtstag. Es hat sich in dieser Dekade so erfolgreich
       dargestellt, dass es jetzt mit Maike Cruse, ehemals Pressesprecherin der KW
       und der Kunstmesse Art Basel, eine eigene Geschäftsführerin hat. Cruse hat
       die Zahlen und Fakten im Kopf. 50 Galerien sind dabei, die 1.000 Gäste zum
       exklusiven Gala Dinner im Flughafen Tempelhof eingeladen haben. Exklusiv
       ist das deshalb, weil rund 20.000 Sammler, Kuratoren und Art Consultants
       zum Gallery Weekend in der Stadt sind.
       
       Bruno Brunnet und Nicole Hackert von Contemporary Fine Arts gehören zu den
       Gründern des Kunstwochenendes, das immer Anfang Mai stattfindet. Wie ihre
       Mitstreiter rühmen sie am Gallery Weekend die konzentrierte, intime
       Kommunikationssituation gegenüber der Hektik der Kunstmesse. Dazu müsse man
       nicht reisen, keine Transporte organisieren und keine Jury überzeugen.
       Contemporary Fine Arts stellen Christian Rosa und fünf weitere Künstler aus
       Los Angeles aus. Da ist Hollywood nah, wo Christian Rosas Abstraktionen
       schon bei Orlando Bloom oder Leonardo DiCaprio an der Wand hängen – zwei
       Jahre nachdem er an der Akademie der bildenden Künste in Wien abschloss. So
       gehen heute Karrieren. Dass der Vielumworbene bei CFA ausstellt, hängt mit
       deren Starkünstler Daniel Richter zusammen, bei dem der gebürtige
       Jamaikaner, der mit acht Jahren nach Österreich kam, Meisterschüler war.
       
       Neben solchen jungen Stars, zu denen David Ostrowski bei Peres Projects,
       Ned Vena bei Société, Wu Tsang bei Isabella Bortolozzi oder Katja
       Novitskova bei Kraupa-Tuskany Zeidler gehören, kann man einer Phalanx
       etablierter Künstler wie Liam Gillick bei Esther Schipper, Richard Philipps
       bei Max Hetzler oder David Claerbout bei Johnen Galerie begegnen. Aber auch
       historischen Positionen wie denen von Gordon Matta-Clark bei Thomas
       Schulte, Philip Guston bei Aurel Scheibler oder Geta Bratescu bei Barbara
       Weiss.
       
       Erstaunlich, aber wahr: Noch immer können Berliner Galeristen mit neuen
       Räumen punkten wie jetzt Thilo Wermke und Alexander Schröder. Sie ziehen
       mit ihrer Galerie Neu in den Hinterhof Linienstraße 119, in das Gebäude
       eines kleinen Heizwerks, das einmal die Plattenbauten mit Wärme versorgte.
       Der neue Standort dürfte mindestens so viel Aufmerksamkeit erregen wie die
       Arbeiten von Alex Hubbard, mit dem Neu sein ganz besonderes Hinterhaus
       eröffnet.
       
       Schon bekannt, aber immer noch imposant sind die Räume von Blain Southern.
       Das ermöglicht es, die origamiartig gefalteten Stahlbestien des
       verstorbenen britischen Bildhauers Lynn Chadwick angemessen zu
       präsentieren. Der Ausflug, den Blain Southern für ausgewählte
       Kunstjournalisten zu Chadwicks Skulpturenpark in Stroud, Gloucestershire,
       organisierte, deutet darauf hin, dass die ideelle Wertschöpfung der
       Kunstkritik galerieseitig tatsächlich als vorteilhaft für die künstlerische
       Position wahrgenommen wird. Und nichts hilft dem Erkenntnisgewinn mehr als
       die Exkursion am Ort.
       
       In der Stadt ist interessanterweise Jerry Saltz. Der international
       renommierte New Yorker Kunstkritiker erregte vor einem Jahr großes Aufsehen
       mit seiner These vom Ende der Galerieausstellung als Dreh- und Angelpunkt
       aktueller Kunst und des Gesprächs über sie. Auch und gerade weil nichts am
       Gallery Weekend naturwüchsig und selbstverständlich ist: Hält es, was es
       verspricht, darf das Ende der Galerieausstellung noch ein wenig vertagt
       werden.
       
       ##
       
       2 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kunst
 (DIR) Berlin
 (DIR) Sammler
 (DIR) Museumspolitik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Skandalöse Ausstellungsverschiebung: Vorsorglich gecancelt
       
       Die für Juni 2021 angekündigte Philip Guston Retrospektive wird auf das
       Jahr 2024 verschoben. Aus Angst vor Protesten gegen das Motiv der Klansmen.