# taz.de -- Die Wahrheit: Erretter der Untoten
       
       > Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Bernd „Der Prof“ Lucke
       > und seine Partei der Wirtschafts-Troglodyten.
       
 (IMG) Bild: Bernd Lucke beim Yoga: der Gruß des gierigen Goldhamsters
       
       Wichtiger als Verstand ist nur eines: Sachverstand. Das bekam bereits
       Italien zu spüren, als erst der Wirtschaftswissenschaftler Romano Prodi,
       dann der Ökonom Mario Monti den Stiefel lenkten. Erst recht würde
       Deutschland unter der Führung kerzengerader Fachleute einer goldenen
       Zukunft entgegenrollen, lehrt der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler und
       Ökonom, vor allem aber Professor Doktor Bernd Lucke.
       
       Dass er sich knietief auskennt, bewies er bereits 1990, als er im
       Sachverständigenrat zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR
       die Bahn für die blühenden Landschaften freischob. Dass der ausgewachsene
       Marktliberale auch in den seither weggeräumten Jahren nicht locker ließ,
       belegen seine Eloge auf „Price Stabilization on World Agricultural Terror
       Markets“ (1992), seine beifälligen „Beiträge zu Theorie und Terror realer
       Konjunkturzyklen“ (1998) und seine Hymne auf den „Fiscal Impact of Trade
       Terror Liberalization“ (2001).
       
       Während für Politiker die Wirtschaft eine verschlossene schwarze Kiste ist,
       verstehen Ökonomen einen großen Batzen von Politik, weil sie die
       Fortsetzung der Wirtschaft mit bumsgleichen Mitteln ist. Bereits 2005 trieb
       Prof. Dr. Lucke deshalb den „Hamburger Appell“ in die Öffentlichkeit hinein
       und gebot der Regierung eine Tieferlegung der Arbeitskosten, damit die
       Unternehmer vorn mehr Geld im Beutel behalten und für die hinten
       verankerten Klassen weniger bleibt. Nach dieser ersten Freiübung hob er
       2010 das strunzdemokratische „Plenum der Ökonomen“ ans Tageslicht, in dem
       es um die Tatsachen geht, wohingegen der Bundestag nur Meinungen
       herumschiebt.
       
       Erfolge pflastern auch sonst Luckes Weg, seit er am 19. August 1962 seine
       Geburt fristgerecht erledigt und sämtliche Termine von der Einschulung bis
       zum Abitur ohne Zahlungsverzug absolviert hatte. Anschließend erhöhte er
       seine Aktiva durch Ableistung des Wehrdienstes und investierte sein Gehirn
       in die Volkswirtschaftslehre, machte seinen Doktor magna charta und
       habilitierte sich gloria in excelsis deo. Nebenbei trieb der Sohn eines
       Bauingenieurs und einer Schulrektorin auch privat Ökonomie und heiratete
       summa cum laude eine promovierte Volkswirtin vom gleichen Schlag; binnen
       sieben Jahren realisierte das Joint Venture fünf Kinder.
       
       ## Keine schnurzegal Politik
       
       Weil Lucke damit noch nicht bis zum Zerreißen ausgelastet war, erweiterte
       er 2013 seinen Geschäftsbereich abermals und brachte die „Alternative für
       Deutschland“ auf den Markt. Als sie bei der Bundestagswahl 4,7 Prozent auf
       ihrem Konto verbuchte, war das Geschäftsmodell himmelhoch gesichert: Dank
       der 2,1 Millionen mit Sachverstand abgegebenen Stimmen konnte die AfD 2,3
       Millionen Euro vom Staat abzwacken. Mehr noch: Die Kredite des Hamburger
       Reeders Folkard Edler, der der AfD zweimal 500.000 Euro in schmatzenden
       Scheinen hingeblättert hatte, können ohne Schwitzen zurückgezahlt werden.
       Auch das dritte, im April 2014 eingetütete Darlehen von 640.000 Euro, das
       ein anonymer Geschäftsmann der AfD zusteckte, wird sich, das ist so sicher
       wie das Amen in der Börse, für beide Seiten rechnen.
       
       Es ist aber nicht so, dass die AfD schnurzegal Politik für die voll
       Begüterten macht. Natürlich denkt der AfD-Politiker auch an die Armen, die
       sich seine Partei nicht leisten können. Gerade für sie braucht es, wie der
       Ökonomieprofessor Roland Vaubel kritzekratzeklug erkannt hat, eine
       unternehmerfreundliche Demokratie, denn nur Unternehmer können für die
       Unmündigen mit geringem Einkommen sorgen. Ebenfalls nicht mit Affenkot
       bewerfen sollte man deshalb AfD-Vorstandsmitglied Konrad Adam, der anregte,
       dass nur wählen darf, wer sich mit eigenen Händen ernähren kann.
       
       Ursprünglich hatte die AfD nur ein Thema im Portfolio: Sie versprach, die
       Herrschaft der Schurkenstaaten Griechenland, Portugal & Co. über
       Deutschland zu beenden. Der AfD-Erfinder Lucke trat auf als Befreier vom
       Joch des Euro, als Beglücker der D-Mark-Nostalgiker, als Erretter aller,
       die vorwärts in die gesund strotzende Vergangenheit streben. Doch die
       Untoten, die er mit diesen Tönen weckte, überschwemmen ihn nun. Nicht nur
       muss der stets gepflegte und Hosen tragende Professor sich der Troglodyten
       erwehren, die ihn auf abgeordnetenwatch.de mit schiefer Rechtschreibung und
       porösen Gedanken löchern.
       
       Es sind auch die eigenen, nicht handverlesenen AfD-Mitglieder: Während der
       Herr Professor durch ausgewählte Manieren beeindruckt, wütet unter der
       Gürtellinie der Pöbel. Der will den Islam ersäufen, Familien vor
       gleichgeschlechtlicher Zuwanderung schützen, nicht verwertbare Zuwanderer
       unfrankiert in die Heimat zurücksenden und andere Dinge mehr, für die man
       heute keine 1.000 Jahre mehr braucht.
       
       Nicht einmal drei Prozent muss Bernd Lucke in seiner Tasche sammeln, um
       sich einen Anteil am Europaparlament zu kaufen. Dann hätte Hamburg endlich
       den Ruf auf dem Kontinent erworben, den die Stadt seit der Statt Partei
       (ersonnen 1993) und der Schill-Partei (ausgeheckt 2000) in Deutschland
       bereits haben sollte.
       
       14 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Köhler
       
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