# taz.de -- Künstler im Grenzgebiet Mexiko-USA: Ein gespaltenes Land
       
       > La Frontera – eine Wunde zwischen zwei Ländern: die Grenze zwischen den
       > USA und Mexiko, die von ihren Künstlern am Leben gehalten wird.
       
 (IMG) Bild: Grenzzaun im Nordwesten Mexikos, in der Nähe von Tijuana.
       
       Mal ist die Grenze zwischen den USA und Mexiko eine massive Mauer aus drei
       Meter hohen Stahlplatten, zusammengeschweißt aus wiederverwendetem Material
       von Flugzeugträgern aus den letzten Kriegen der Vereinigten Staaten. Mal
       türmt sie sich aus noch höheren Eisenlatten wie Gitterstäbe eines
       gigantischen Gefängnisses vor dem Norden auf, deren lange Schatten über das
       gelobte Land auf der anderen Seite wandern.
       
       Nachts verdrängt der gleißende Streifen ihrer Sicherheitsleuchten den
       Sternenhimmel über der Sierra. In manchen Regionen verläuft sich die
       Demarkationslinie im Wüstensand, oder sie liegt im Flussbett des Rio Grande
       verborgen, nur Drohnen und Polizeipatrouillen zeugen von ihrer Präsenz.
       
       Doch ob sichtbar oder unsichtbar: Die 3.169 Kilometer lange Linie, mit der
       sich die Vereinigten Staaten nach dem Krieg von 1848 um ein Drittel ihrer
       Landmasse vergrößerten, ist ein eigenes, gespaltenes Land, dessen
       Territorium auf keiner Landkarte verzeichnet ist und das die Mexikaner
       [1][La Frontera] nennen.
       
       [2][Stefan Falke] hat diese kosmopolitische, unter der Berichterstattung
       über nihilistische Gewalttätigkeit begrabene Nation in den vergangenen
       sechs Jahren rund ein Dutzend Mal aufgesucht und die mutigen Künstler des
       schmalen Gebiets fotografiert.
       
       180 Maler, Bildhauer, Performer, Autoren und Musiker stellt er in seinem
       gerade im Faust Verlag erschienen Bildband vor. Der Titel:
       [3][9783981589351.html:“La Frontera - Die mexikanisch-US-amerikanische
       Grenze und ihre Künstler“].
       
       Als Kind in Paderborn faszinierte Stefan Falke die Grenze zwischen BRD und
       DDR, den Osten dahinter stellte er sich als endloses Grau vor. Später
       interessierte ihn die Wunde zwischen Israel und Palästina, doch als er
       Mitte der 80er Jahre nach New York zog, war die immer weiter militarisierte
       Grenze zwischen den USA und Mexiko unleugbar präsent.
       
       Mit der Eskalation der Drogengewalt und des amerikanischen „War on Drugs“
       stieg seine Neugierde auf die Realität südlich der brutalen Schranke in
       gleichem Maße wie seine Furcht vor den Gefahren einer Reise in das
       Krisengebiet.
       
       ## Der Schutzheilige
       
       2008 stand er starr vor Angst auf dem ältesten Friedhof von Tijuana vor dem
       Schrein des Schutzheiligen der Grenzgänger, die Juan Soldado am Tag des
       Todes mit Kerzen und Blumen inständig um Hilfe baten. In der Grenzstadt mit
       ihren täglichen Toten lernte Stefan Falke Künstler wie Marcos Ramírez Erre
       mit seinem als Wachturm verkleideten Atelier am Grenzzaun kennen. Er ließ
       sich von dessen Courage anstecken.
       
       Carmen Cuenca, damals Vizedirektorin des lokalen Museums für
       zeitgenössische Kunst Cecut, erstaunte ihn mit ihrem hohen kuratorischen
       Anspruch: „Zum ersten Mal wurde mir die Diskrepanz zwischen der Realität
       und den Informationen, mit denen man uns über Mexiko füttert, deutlich“,
       sagt Falke.
       
       Bald fühlte er sich in Tijuana eingebettet in einen expandierenden Kreis
       von Künstlern, die von seinem Interesse an ihrer Lage ebenso überrascht
       waren, wie er von der Qualität und Vielfalt ihrer Arbeiten.
       
       ## Schwarz gekleidete Milizen
       
       Nach ein paar Aufenthalten im explosiven Tijuana begab er sich nach
       Matamores, eine Stadt von 52.600 Einwohnern, die die Mündung des Rio Grande
       am Golf von Mexiko von ihrem viermal so großen Zwilling Brownsville in
       Texas trennt. Kein Schild verweist im Norden auf die Nähe Mexikos, obwohl
       sich wie überall in La Frontera Apotheken und Zahnärzte für die
       mexikanische Kundschaft drängen.
       
       Seit schwarz gekleidete Milizen die Straßen regieren, decken sich hier
       nicht mehr viele US-Bürger mit billigen Medikamenten ein. Matamoros weckt
       nicht die gleichen Assoziationen an Terror, wie die durch seine Frauenmorde
       und bis zu dreitausend Tote im Jahr berüchtigte Ciudad Juárez.
       
       Doch auch hier herrscht Anarchie. Und auch hier wird Kunst gemacht: Die
       Künstlerin Patricia Ruiz Bayón hat das Massaker an 72 Migranten durch die
       Zeta-Gang im Jahr 2010 mit einer rituellen Performance aufgearbeitet.
       
       Nicht alle Kunst in La Frontera setzt sich unmittelbar mit der Gewalt
       auseinander: Das Künstlerkollektiv Jellyfish kämpft mit prächtigen
       Wandmalereien gegen den Fluch ihrer Stadt Juárez. Und ohne die Fresken des
       zweiköpfigen Teams Taller Yonke wäre Nogales eine Geisterstadt: Es ist die
       Kunst ihrer Einwohner, die La Frontera am Leben hält.
       
       17 May 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://borderartists.com/
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudia Steinberg
       
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