# taz.de -- Trauer im türkischen Soma: Für eine Handvoll Kohle
       
       > Soma lebt vom Bergbau. Nach dem Unglück kritisieren viele Angehörige der
       > Minenopfer die mangelnde Sicherheit. Ein Besuch in einer trauernden
       > Stadt.
       
 (IMG) Bild: Trauer, nichts als Trauer: Gräber in Soma.
       
       SOMA taz | Die Statue auf dem zentralen Platz von Soma verdeutlicht, wovon
       die westanatolische Stadt lebt: Ein Bergarbeiter löst die Kohle mit einem
       Pickel von der Wand, ein anderer schippt die Brocken zusammen.
       
       Jetzt trauern die 70.000 Einwohner. Fast in jedem Geschäft hängt ein Schild
       mit der Aufschrift „Beileid für alle“. Andere Sprüche haben einen bitteren
       Unterton: „In Erinnerung an diejenigen, die ihr Leben für eine Handvoll
       Kohle gegeben haben.“
       
       Die Moscheen geben die Uhrzeit der Beerdigungen bekannt, die Namen der
       Opfer werden per Lausprecher verlesen. Dies ist in der Türkei üblich – aber
       normalerweise sind es nicht so viele Termine auf einmal. Nach offiziellem
       Stand von Donnerstagmittag kamen 282 Personen in der Mine in den Bergen
       zwanzig Kilometer von Soma entfernt um.
       
       Der Bauarbeiter Mustafa Yilmaz und seine Frau Turkan sind zum Bergwerk
       gekommen, in der Hoffnung, einen Freund aus ihrem Dorf lebend zu finden. Am
       Mittwoch nahmen sie an der Beerdigung eines anderen Freundes teil, der
       gerade in die Mine gekommen war, als der Unfall am Dienstag geschah.
       
       ## Kein Vertrauen in Erdogan
       
       Mustafa berichtet, die Freunde hätten ihm gesagt, die Mine sei sehr viel
       sicherer gewesen, als sie noch Eigentum der Regierung gewesen sei. Nach der
       Privatisierung hätten die neuen Besitzer sich nicht so um die
       Sicherheitsmaßnahmen gekümmert, wie es nötig gewesen wäre. Mustafa hat kein
       Vertrauen in das Versprechen von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, dass
       der Unfall gründlich untersucht werde.
       
       Ein 22-Jähriger, der in einer benachbarten Mine über Tage arbeitet, ist
       gekommen, um zu sehen, ob er helfen kann. Die Kumpel in Soma hätten ihm
       eine Woche vor dem Unfall gesagt, dass die Trafos nicht richtig arbeiteten,
       berichtet er. Einer davon war am Dienstag explodiert. Der junge Mann möchte
       noch nicht einmal seinen Vornamen nennen aus Angst, die Arbeit zu
       verlieren. Auf die Frage, ob er Premier Erdogans Versprechen einer
       gründlichen Untersuchung des Unfalls vertraut, entgegnet er: „Kein
       Kommentar.“
       
       Der Rentner Dundar Sural ist gekommen, weil sein Neffe, der 28-jährige
       Hakan Uchgun, unter den etwa 100 Bergarbeitern ist, die noch eingeschlossen
       sind. Hakan ist verheiratet und Vater eines sechs Monate alten Kindes. 45
       Stunden nach dem Unfall sagt Sural: „Ich habe keine Hoffnung mehr, dass
       Hakan lebend hier herauskommt.“ Er hat Tränen in den Augen, als er
       hinzufügt: „Wir vertrauen auf Gott.“
       
       Sural, ein Unterstützer Premier Erdogans, meint, dass die angekündigte
       Untersuchung einige Probleme der Mine lösen werde. Aber er kritisiert die
       Minenverwaltung, weil sie die Arbeiter nicht mit Funkgeräten ausgestattet
       habe. Er fügt hinzu, dass die Kumpel nicht gut auf einen Notfall
       vorbereitet worden seien. Daher sei es möglich, dass sie nach dem
       Trafobrand in die falsche Richtung gerannt sein könnten.
       
       16 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasper Mortimer
       
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