# taz.de -- Nach dem Grubenunglück in der Türkei: 301 tote Kumpel
       
       > Die Suche nach den Opfern in Soma ist beendet. Die Wut auf die Regierung
       > Erdogan ist nach wie vor groß. US-Präsident Obama bietet seine Hilfe an.
       
 (IMG) Bild: Wasserwerfer gegen Demonstranten: Freitag in Soma.
       
       SOMA dpa/ap/afp | Vier Tage nach dem schwersten Grubenunglück in der
       Geschichte der Türkei hat die Regierung die Suche nach Opfern für beendet
       erklärt. „Es gibt keine Vermissten mehr“, sagte Energieminister Taner
       Yildiz am Samstagabend. Am Nachmittag seien die letzten beiden Leichen aus
       dem Kohlebergwerk geborgen worden. Die Zahl der Toten liege damit bei 301.
       
       485 Kumpel hätten die Katastrophe vom Dienstag überlebt. Die Suche nach
       Überlebenden sei „ein Rennen gegen die Zeit“ gewesen. Den Angehörigen der
       Opfer sagte Yildiz Hilfe zu. Die Ursache des Unglücks werde weiter
       untersucht. Am Nachmittag war die Suche durch einen neuen Brand erschwert
       worden. Das Feuer sei am Samstag in einem anderen Abschnitt der Kohlegrube
       in Soma ausgebrochen.
       
       Und die Opposition erhöht den Druck auf die Regierung von Recep Tayyip
       Erdogan. Die Republikanische Volkspartei (CHP) bekräftigte ihre Forderung
       nach Einführung internationaler Sicherheitsstandards. Ihr Abgeordneter Faik
       Öztrak sagte: „Wenn dies unterzeichnet worden wäre, hätte das Unternehmen
       in Soma vielleicht nicht die Kosten reduziert und 302 Menschen wären noch
       unter uns.“
       
       Die Regierung wies Vorwürfe der Fahrlässigkeit zurück. Doch beantragte
       Erdogans Partei AKP einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem
       Grubenunglück, nachdem sie davor noch eine Analyse einer Serie kleinerer
       Unfälle in der Bergbauregion mit ihrer Mehrheit verhindert hatte.
       
       US-Präsident Barack Obama bot der Regierung in Ankara Hilfe an. Deutsche
       Politiker kritisierten derweil den für kommenden Samstag (24. Mai) in Köln
       geplanten Auftritt des in die Kritik geratenen Ministerpräsidenten Recep
       Tayyip Erdogan. Diesem wird nun auch vorgeworfen, einen Mann in Soma
       geohrfeigt zu haben.
       
       Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf
       Energieminister Taner Yildiz meldete, wurden am Freitagabend acht weitere
       Menschen tot aus dem Bergwerk in der westtürkischen Stadt geborgen.
       Rettungskräfte würden weiter nach den noch vermissten neun oder zehn
       Bergleuten suchen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Soma haben
       Vernehmungen zur Klärung der Unglücksursache begonnen.
       
       ## Rücktrittsforderungen
       
       In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül drückte
       Obama sein Beileid aus. Welche Hilfe genau er dem Land zukommen lassen
       wollte, blieb in einer Mitteilung des Weißen Hauses zunächst unklar.
       
       Zuvor war es in Soma zu Zusammenstößen gekommen. Wie Augenzeugen
       berichteten, feuerten die Sicherheitskräfte auch Gummigeschosse auf die
       etwa 1.500 Demonstranten. Wasserwerfer und Tränengas kamen ebenfalls zum
       Einsatz. Die Menschen fordern den Rücktritt der Regierung. Ihr wird unter
       anderem vorgeworfen, schärfere Sicherheitskontrollen verhindert zu haben.
       
       Auch in Istanbul kam es erneut zu Gewalt. Wie die Nachrichtenagentur DHA
       meldete, löste die Polizei eine Gruppe von rund 150 Demonstranten aus, die
       Kerzen angezündet und Bergarbeiterhelme auf dem Boden aufgereiht hatten, um
       den Opfern zu gedenken.
       
       Für zusätzliche Brisanz sorgt ein Video, auf dem eine Ohrfeige Erdogans zu
       sehen sein soll – allerdings ist die Sequenz verwackelt, so dass sein
       Verhalten nur undeutlich zu erkennen ist. Erdogan war bei seinem Besuch in
       Soma am Mittwoch von einer Menschenmenge ausgebuht und ausgepfiffen worden.
       Sicherheitskräfte bahnten ihm den Weg durch Demonstranten in ein Geschäft.
       Dabei soll es zu dem Vorfall gekommen sein. Erdogan hatte zuvor unter
       anderem die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in der Türkei
       heruntergespielt und gesagt: „Solche Unfälle passieren ständig.“
       
       ## Nicht einfach Wahlkampf machen
       
       Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte, mit seiner Reaktion auf das
       Grubenunglück verwandele Erdogan die tiefe Trauer vieler Türken in Wut. Der
       Regierungschef könne jetzt nicht einfach Wahlkampf machen, fügte er mit
       Blick auf den geplanten Auftritt Erdogans in Köln hinzu. Der
       nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD)
       forderte Erdogan auf, seine Rede in der Lanxess-Arena abzusagen. „Ich halte
       den Besuch in Ablauf und Inhalt für abwegig und unangemessen“, sagte er der
       Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. „Der Besuch kommt einem Missbrauch des
       Gastrechts nahe.“
       
       Erdogans Partei AKP hat betont, der Auftritt in Köln sei keine
       Wahlkampfveranstaltung, sondern würdige das zehnjährige Bestehen der Union
       Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Kritiker gehen jedoch davon aus,
       dass Erdogan türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben
       will. An der Wahl am 10. August dürfen erstmals auch die in Deutschland
       lebenden Türken teilnehmen.
       
       17 May 2014
       
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