# taz.de -- Kommentar Grubenunglück in der Türkei: Erdogans Tote
       
       > Die türkischen Gewerkschaften nennen das Grubenunglück ein „Verbrechen“
       > der AKP-Regierung. Ihre Kritik ist berechtigt.
       
 (IMG) Bild: Ministerpräsident Erdogan am Unglücksort Soma.
       
       Kein Unglück, sondern ein „Verbrechen“. So ist eine Pressemitteilung der
       türkischen Gewerkschaft für Transport von gestern überschrieben – und mit
       ihrer Meinung über die [1][Tragödie in Soma] sind die Transportarbeiter
       nicht allein.
       
       Der linke Gewerkschaftsverband DISK sprach von einem Massaker, in Ankara
       machten Tausende Studenten die Regierung dafür verantwortlich und
       versuchten, von der Uni zum Energieministerium zu ziehen.
       
       Kein Zweifel, die Kritik ist berechtigt. Türkische Bergwerke gelten schon
       lange als Todesfallen, aber seit viele Gruben unter der AKP auch noch
       privatisiert wurden, haben sich die Arbeitsbedingungen dort oft noch
       verschlechtert. Durchführbar ist das zumeist nur mit rechtlosen
       Leiharbeitern, die über Subunternehmer in die Bergwerke gebracht werden und
       die sich wegen ihres unsicheren Status kaum trauen, mangelnde
       Sicherheitsstandards anzuprangern.
       
       Die Türkei hat unter Ministerpräsident Erdogans Regierung in den letzten
       zwölf Jahren einen erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt; aber
       dieser hat, wie besonders krass in Soma zu sehen ist, seinen Preis. In
       vielen Branchen sind die Arbeitsbedingungen brutal. Nicht nur im Bergbau,
       auch auf den Schiffswerften am Marmarameer, auf den unzähligen Baustellen,
       in der Textilindustrie und auf den Baumwollfeldern ruinieren Arbeiter Jahr
       für Jahr ihre Gesundheit oder lassen gar ihr Leben. Allein im Jahr 2013
       sollen bei Arbeitsunfällen 1.235 Menschen umgekommen sein.
       
       Erdogan fährt einen knallharten neoliberalen Wirtschaftskurs,
       Gewerkschaften sind für ihn allenfalls ein lästiger Störfaktor. Sie werden
       unter der AKP-Regierung behindert, wo es nur geht, sichtbar für alle nicht
       nur am 1. Mai, sondern auch in einer katastrophalen Gesetzgebung.
       
       Wieder einmal gehen die Erdogan-Kritiker jetzt auf die Straße, um gegen
       diese skrupellose Politik zu protestieren; und wieder einmal wird ihnen der
       andere Teil der türkischen Gesellschaft – das sind diejenigen, die Erdogan
       bedingungslos unterstützen – gegenüberstehen.
       
       In gut zwei Monaten will sich der Regierungschef zum neuen Präsidenten der
       Türkei wählen lassen. Kritik an seiner Regierung ist deswegen nicht
       vorgesehen. Die Spannungen im Land nehmen weiter zu, niemand hier weiß
       mehr, was am nächsten Tag passiert.
       
       14 May 2014
       
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 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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