# taz.de -- Meeresschutz: Naturschutz in schwerer See
       
       > Vor dem Europäischen Meerestag haben Umweltgruppen ihre Forderungen
       > abgeglichen. Schutzgebiete ohne Nutzungsverbote verkommen zu bloßen
       > Etiketten,
       
 (IMG) Bild: Nicht alles, was Menschen nützt, ist auch gut für die Natur: Industrieller Fischfang bedroht die Artenvielfalt in den Meeren.
       
       BREMEN taz | Am Ende wurden sie sich doch noch einig. Unter dem Motto „Ein
       anderes Meer ist möglich“ haben Umweltschützer vergangene Woche über
       Plastikmüll diskutiert, über gewerkschaftliche Organisation von Seeleuten,
       Tiefseefischerei und Rohstoffförderung in der Tiefsee. Das Problem: Nicht
       alles, was Menschen nützt, ist auch gut für die Natur.
       
       Anlass der Bremer Konferenz ist ein anderes maritimes Treffen, das in
       dieser Woche in der Stadt gastiert: der Europäische Meerestag. Auf
       Einladung der EU wird dabei über technische Innovationen und „blaues
       Wachstum“ debattiert – die Strategie der EU-Kommission, ungenutzte
       Potenziale auf See für Wirtschaft und Beschäftigung zu erschließen.
       
       Die Umweltverträglichkeit dieser Ideen bezweifeln 20 zivilgesellschaftliche
       Gruppen von Greenpeace bis „Brot für die Welt“. Auf ihrer eigenen Konferenz
       wollten sie sich über ihre Forderungen zu den „Grenzen des Wachstums“
       verständigen, um diese auf der EU-Veranstaltung geschlossen zu vertreten.
       
       Konsens herrscht unter den rund 80 TeilnehmerInnen darüber, dass es nach
       jahrzehntelangen Kampagnen ein öffentliches Bewusstsein dafür gebe, dass
       industrieller Fischfang und Wasserverschmutzung die Meere in Gefahr
       gebracht haben. Das spiegelt sich in ihren Forderungen. Häufig kämpfen die
       Umweltschützer nur darum, dass auch von Staaten längst gefasste Beschlüsse
       endlich umgesetzt werden. Stephan Lutter von der Umweltstiftung WWF sieht
       deshalb manche ökologischen Errungenschaften als bloßes Etikett. So habe
       Deutschland zwar vorbildlich viele Schutzgebiete auf See eingerichtet, sagt
       er, „nur ist da fast keine Nutzung verboten“.
       
       Dass es vom Tierschutz bis zu Schürfrechten auch weltweit hakt, liegt an
       ungeklärten Zuständigkeiten. Jedes Segment wird von eigenen Institutionen
       beackert, die wiederum mit nationalen Regierungen und Fischereiverbänden
       konkurrieren. „Was für ein Stück Meeresboden gilt, kann für das Wasser
       darüber völlig anders sein“, sagt Tim Packeiser vom WWF.
       
       Ausdauernd und kleinschrittig diskutieren die Fachvorträge Ergänzungen des
       bestehenden Rechts. Denn an eine radikale Reform des
       Seerechtsübereinkommens, der Grundlage aller Regelungen für internationale
       Gewässer, glaubt hier niemand. Die erste Fassung wurde 20 Jahre lang
       verhandelt und trotzdem nicht von allen Staaten ratifiziert.
       
       Ein bisschen Begeisterung gibt es aber auch für Radikalpositionen: Rosa
       Koian aus Papua-Neuguinea berichtet von ihrer „spirituellen Verbindung“ mit
       dem Meer. Vor ihrer Küste sucht die kanadische Bergbaufirma Nautilus
       Minerals unter Wasser nach Mineralien – mit unabsehbaren Folgen für die
       Ökosysteme. Dass entsprechende Lizenzen Geld ins Land brächten,
       interessiert Koian wenig: „Wir haben keinen Hunger“, sagt sie und
       verweigert sich westlicher Fortschrittslogik. Während ihre Bündnispartner
       Moratorien fordern, bis Forschungsergebnisse zur Umweltverträglichkeit
       vorliegen, will sie den vollständigen Stopp der Erkundungen. Die Sympathie
       aus dem Publikum ist unübersehbar. Eine Zuhörerin nennt die Südseeinseln
       gar ein „Testgebiet für weltweiten Widerstand“. Mehrheitsfähig ist das aber
       nicht.
       
       Die globale Perspektive des Bündnisses versucht, Mensch und Natur zusammen
       zu denken. Als Vertreter von Nabu und BUND über ein vollständiges
       Fischereiverbot in Schutzzonen diskutieren, erhebt Francisco Mari von „Brot
       für die Welt“ Einwände: Für nördliche Gewässer möge das sinnvoll sein, für
       handwerklich fischende Inselbewohner mit Kleinstmotoren aber
       existenzbedrohend. Nach einigem Hin und Her ist das Papier umformuliert –
       und man bekommt ein bisschen Verständnis dafür, dass es auch bei der UN nur
       mühsam vorangeht.
       
       18 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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