# taz.de -- Erfolg des Front National in Frankreich: Den Élysée-Palast fest im Blick
       
       > Unerwartet kam der Sieg des rechtsradikalen Front National nicht.
       > Schockwirkung hat er aber dennoch. Die Sozialisten unter Hollande sind
       > ratlos.
       
 (IMG) Bild: Lächender Wahlverlierer: Premier Manuel Valls.
       
       PARIS taz | Starke Titel standen am Montag durchwegs auf den Frontseiten
       der französischen Zeitungen: Da war häufig von einem „politischen
       Erdbeben“, von einem „Schock“ oder gar wie bei Le Parisien von einem „Big
       Bang“ die Rede. Libération kommentiert den Triumph der Rechtspopulisten:
       „Dass der Sieg des Front National zu erwarten war, ändert nichts an der
       Schockwelle, die Frankreich und Europa erschüttern wird.“ Das
       Wirtschaftsblatt Les Echos konstatiert: „Die Franzosen schmollen mit einem
       Europa, das zu komplex und zu weit weg ist.“
       
       Natürlich konnte man sagen, dass manche Wähler und Wählerinnen mit dem
       Votum für den Front National einfach ihre Frustration und Wut abreagiert
       hätten, ohne mit dem fremdenfeindlich-nationalistischen Programm
       einverstanden zu sein. Dennoch wird das Ergebnis der europäischen Wahl auch
       innenpolitische Folgen haben.
       
       Staatspräsident François Hollande hat seinen Regierungschef Manuel Valls
       und mehrere Minister am Montagvormittag zu einer „Krisensitzung“
       einberufen. Er erwog dabei den Sinn einer Fernsehansprache an die Nation.
       Doch was kann er noch sagen? Ein Rücktritt kommt kaum infrage. Der FN wird
       ein Drittel der 74 französischen EU-Abgeordneten stellen. Das wird sich
       zwangsläufig auf das Image und den Einfluss von Frankreich, besonders auf
       die Kräfteverhältnisse in der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der
       Europäischen Union, negativ auswirken.
       
       Absurd mutet im Nachhinein die falsche Selbstsicherheit des
       Premierministers an, der versichert hatte, die (voraussehbar
       unerquicklichen) Ergebnisse der EU-Wahlen hätten keinerlei Konsequenzen für
       seinen Kurs. Diese „Maginot-Linie“ hat sich schnell als nicht haltbar
       erwiesen. Bereits am frühen Morgen hat der Premierminister „neue
       Steuersenkungen“ versprochen und erklärt, eine „Neuorientierung“ der EU sei
       möglich.
       
       ## Forderung nach Ende der Austerität
       
       Der Schock am Tag nach der großen Desillusionierung bei der EU-Wahl in
       Frankreich wird nur noch von der politischen Hilflosigkeit der regierenden
       Sozialisten übertroffen. „Die Linke steht kurz vor einem historischen
       K.o.“, meint der Sozialist Julien Dray. Er will seine Genossen mit dem Mut
       der Verzweiflung zu einer Gegenoffensive mobilisieren, die sich gegen die
       „Austeritätspolitik und die drastischen Budgetrestriktionen“ richten müsse:
       „Wenn die Linke nicht in der Lage ist, das zu verstehen und sich an die
       Spitze der Schlacht für eine andere Politik zu stellen, dann werden andere
       dies tun und die Völker Europas auf verhängnisvolle Wege führen.“ In diesem
       Sinne fordert der linke Parteiflügel eine Rückbesinnung auf das
       ursprüngliche Programm von Hollande und einen Bruch mit der „neoliberalen“
       Sparpolitik.
       
       Katerstimmung herrschte aber auch bei der konservativen UMP. Sie gehört
       allein schon deswegen ebenfalls zu den Verlierern, weil es ihr diesmal – im
       Unterschied zu den kürzlichen Kommunalwahlen – nicht gelungen ist, Profit
       aus der Enttäuschung der Wähler zu ziehen. Die Früchte des Zorns haben die
       klar europhoben Listen, allen voran der FN, geerntet.
       
       Die UMP war intern gespalten und schlittert nun in eine Neuauflage der
       Führungskrise, die seit Nicolas Sarkozys Niederlage bei den
       Präsidentschaftswahlen von 2012 andauert. Der provisorische Parteichef
       Jean-François Copé, der zudem auch noch in einen Finanzskandal um die
       mutmaßliche Unterschlagung von Parteigeldern verwickelt ist, befindet sich
       auf einem Schleudersitz. Bei den Grünen und bei der Linksfront schließlich
       ist man heilfroh, die Verluste noch einigermaßen in Grenzen gehalten zu
       haben.
       
       ## Legitimität in Frage gestellt
       
       In Frankreich gibt es nur eine Gewinnerin: Die FN-Chefin Marine Le Pen
       sieht sich bereits im Finale um die Präsidentschaft von 2017 und mit einem
       Fuß im Élysée. Noch am Wahlabend wurde der Sitz des FN für ihre Siegesfeier
       mit neuen Plakaten geschmückt. „Premier parti de France“ steht darauf. Mit
       mehr als 25 Prozent der Stimmen bei den EU-Wahlen erhebt der FN den
       Anspruch auf den Titel, „Frankreichs erste Partei“ zu sein, und leitet
       daraus auch gleich mehrere politische Forderungen ab. Die rot-grüne
       Regierung habe aufgrund des Votums der Franzosen und Französinnen jede
       Legitimität verloren und müsse den Weg frei machen.
       
       FN-Vizepräsident Florian Philippot sagt fast von oben herab, dem
       desavouierten Staatspräsidenten François Hollande bleibe nun nichts anderes
       übrig, als „nach Berlin und Brüssel zu reisen und zu sagen: Es reicht!
       Frankreich akzeptiert eure Politik nicht mehr, weil das Volk es entschieden
       hat“. Parteichefin Marine Le Pen hatte bestätigt, dass sie sofortige
       Neuwahlen verlangt. Dafür hat sie allerdings keine andere Legitimität als
       den Jubel ihrer Anhänger vom Sonntag. Ihr erstes Etappenziel ist es darum,
       in Straßburg genügend Alliierte zu finden, um eine rechtspopulistische
       Fraktion unter ihrer Führung zu finden.
       
       26 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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