# taz.de -- Umweltschäden durch Bergbau in Peru: Staub, der krank macht
       
       > Vom Rohstoff-Boom in Peru sollten die Ärmsten profitieren, doch die Minen
       > brachten keinen Wohlstand. Im reichsten Bezirk des Landes regiert die
       > Korruption.
       
 (IMG) Bild: Mine im Bezirk San Marcos: Fast ein Drittel der Kleinkinder leidet an chronischer Mangelernährung.
       
       SAN ANTONIO DE JUPROG ap | María Magdalena Velásquez verkaufte das Land
       ihrer Familie 1999 mit einem Fingerabdruck. Sie und viele weitere Familien
       hofften nicht auf Reichtümer, obwohl sie auf einem der größten Kupfer- und
       Zinkvorkommen der Welt saßen. Aber sie glaubten, dass die Mine ihr Leben in
       einem verarmten Bezirk im Hochland Perus verbessern würde. Sichere
       Arbeitsplätze, ein funktionierendes Gesundheitswesen und Schulen versprach
       das Konsortium Antamina.
       
       Vor 20 Jahren bemühte sich Peru mit aller Kraft, multinationale
       Bergbaukonzerne anzulocken und wurde so zum Land mit dem höchsten
       Wirtschaftswachstum in Lateinamerika. Für tausende Familien wie die von
       Velásquez erwies sich der Boom jedoch als Fluch. Die umgerechnet 49.000
       Dollar, die sie für ihr Land erhielten, reichten nicht, um sich ein neues
       Leben aufzubauen. Sie haben zu kämpfen mit der Umweltverschmutzung, mit
       kontaminiertem Wasser und belasteter Luft.
       
       Die Hoffnungen auf Arbeitsplätze und Sozialleistungen erfüllten sich meist
       nicht. Angesichts der laxen Regulierungen für die Großkonzerne kam es immer
       wieder zu teils gewaltsamen Protesten. Im April registrierte die Regierung
       81 Konflikte zwischen Bergwerken und benachbarten Gemeinden. In sieben ist
       Antamina verwickelt; dazu gehört auch ein Streit mit Dorfbewohnern unter
       Führung der Familie Marzano-Velásquez, die gegen einen stillschweigenden
       Ausbau der Mine protestieren.
       
       Der Vorstandsvorsitzende von Antamina, Abraham Chahuán, wollte keine Fragen
       zu dem Disput beantworten. Auf einer Konferenz im vergangenen September
       erklärte er: „Der Bergbau hat Entwicklung, Infrastruktur, Bildung und
       würdige Arbeit zurückgebracht.“ Das Konsortium, dem der
       britisch-australische Rohstoffkonzern BHP Billiton, die Unternehmensgruppe
       Glencore/Xstrata, Mitsubishi aus Japan und die kanadische Teck Resources
       angehören, machte mit Antamina im Geschäftsjahr, das im Juni 2013 endete,
       einen Gewinn von 1,4 Milliarden Dollar.
       
       Die Hälfte der Steuern von 30 Prozent auf den Gewinn wird im Land verteilt.
       Der Bezirk San Marcos, in dem die Mine liegt, ist der reichste des Landes –
       er erhält jährlich etwa 50 Millionen Dollar. Und doch gibt es keine
       asphaltierten Schnellstraßen, kein Krankenhaus, keine
       Wasseraufbereitungsanlage. Fast ein Drittel der Kleinkinder leidet an
       chronischer Mangelernährung – doppelt so viele wie im landesweiten
       Durchschnitt. Schuld ist die Korruption. San Marcos hat inzwischen seinen
       vierten Bürgermeister in vier Jahren. Drei Exbürgermeister werden
       beschuldigt, die Kosten für öffentliche Aufträge künstlich erhöht und Jobs
       sowie Schmiergelder an Verwandte vergeben zu haben.
       
       ## Zumindest den Lebenstandart halten
       
       Gegen den amtierenden Bürgermeister wird wegen ähnlicher Vorwürfe
       ermittelt. In seinem Auto wurden vor zwei Wochen 16.000 Dollar in bar
       gefunden, deren Herkunft er nicht erklären konnte. Er kam nach seiner
       Festnahme umgehend wieder frei. Vier Tage später verschwanden 1,4 Millionen
       Dollar von den Konten des Rathauses. Antamina erklärt, man habe zwischen
       2007 und 2013 insgesamt 314 Millionen Dollar für Infrastrukturmaßnahmen und
       soziale Projekte ausgegeben: für Geburtsfürsorge, zahnärztliche Leistungen,
       kindliche Ernährung und Viehzucht.
       
       Auf die Frage, warum die Einwohner von San Marcos immer noch unter so
       schlechten Bedingungen leben, erklärt Unternehmenssprecher Martín Calderón,
       solche Fragen seien an die Behörden zu richten. Die Richtlinien der
       Weltbank sehen seit den 90er Jahren vor, dass große Bergbauprojekte wie
       Antamina, die mit Garantien der Bank finanziert werden, das Leben der
       betroffenen Menschen verbessern sollten – zumindest aber muss der
       Lebensstandard gehalten werden.
       
       In San Marcos war das nicht der Fall. Die Armutsquote beträgt immer noch
       mehr als 50 Prozent und ist damit doppelt so hoch wie im Rest des Landes.
       Am Rande des Grube von Antamina wirbeln Explosionen orangefarbenen Staub
       auf, der sich über das Dorf Juprog legt, auf Menschen, Tiere und Pflanzen.
       Der zuständige Antamina-Direktor Mirko Chang erklärt, die Staubwolke sei
       nicht giftig. Das Unternehmen prüfe sorgfältig die Luftqualität.
       
       Die Ergebnisse der Tests wollte Antamina aber nicht zur Verfügung stellen.
       Die Dorfbewohner erzählen, der Staub mache sie krank. „Wir wachen immer mit
       Husten auf, mit Kopfschmerzen und Brustschmerzen“, sagt der 51-jährige
       Kartoffelbauer Pedro Cortina. Sein Sohn und seine Frau gehörten zu den
       Dorfbewohnern, in deren Blut bei Tests zwischen 2007 und 2009 hohe
       Bleiwerte festgestellt wurden. Die Tests führte die Gesundheitsbehörde auf
       Aufforderung der Bewohner durch.
       
       Gefunden wurden Blei und Cadmium sowie Schwermetalle in den Häusern und in
       den Lebern der Schafe. Angesichts der immer weiteren Ausdehnung der Grube
       fürchten die Dorfbewohner weitere Kontaminationen ihrer Umgebung. Von den
       Behörden erwarten sie keine Hilfe mehr.
       
       ## „Viel zu verlieren“
       
       Der peruanische Präsident Ollanta Humala erklärte, er könne die Vorwürfe
       gegen Antamina nur schwer nachvollziehen. „Sie hätten viel zu verlieren,
       weil die peruanischen Gesetze für Bergbaufirmen, die die Umwelt
       verschmutzen, sehr streng sind“, sagte er. Allerdings ist das
       Bergbauministerium zuständig für die Umweltverträglichkeitsuntersuchungen,
       die von Vertragsunternehmen im Auftrag der Konzerne erstellt werden.
       
       Die Umweltschutzbehörde OEFA verfügte im vergangenen Jahr über ein Budget
       von 19 Millionen Dollar, aber nicht über ein eigenes Labor, um unabhängige
       Tests durchzuführen. Ernesto Bustamante wollte Verbesserungen durchsetzen.
       Der Absolvent der Johns-Hopkins-Universität war 2011 vier Monate lang
       Generaldirektor für Umweltfragen im Bergbauministerium.
       
       Er sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Mitarbeiter des
       Ministeriums wenig Interesse an einem besseren Schutz der Umwelt hätten,
       erklärte er. Bustamante vermutet, dass viele der Mitarbeiter auf den
       Gehaltslisten der Rohstoffkonzerne stehen. „Techniker mit einem
       Monatsgehalt von gut 1.000 Dollar machten Urlaub in Paris.“ Die Älteren im
       Clan Marzano-Velásquez haben alle Hoffnung verloren. Die 64-jährige Sabina
       Chávez verflucht den Tag, an dem ihre Schwester das Land der Familie
       verkaufte. „Wir wurden betrogen“, sagt sie unter Tränen. „Sie haben uns gar
       nichts gegeben.“
       
       8 Jun 2014
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Peru
 (DIR) Bergbau
 (DIR) Schwerpunkt Korruption
 (DIR) Umweltverschmutzung
 (DIR) Peru
 (DIR) Peru
 (DIR) Goldabbau
 (DIR) Peru
 (DIR) kupfer
 (DIR) Ausbeutung
 (DIR) Peru
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gewalt gegen Frauen in Peru: Protest gegen die Macho-Kultur
       
       Zehntausende Menschen gingen am Samstag in der Hauptstadt Lima gegen Gewalt
       an Frauen auf die Straße. Auch der neue Präsident Kuczynski demonstrierte
       mit.
       
 (DIR) Umweltzerstörung in Peru: Goldrausch im Naturschutzgebiet
       
       Zehntausende illegale Goldsucher zerstören eines der artenreichsten Gebiete
       am Amazonas. Sie verseuchen die Flüsse mit Quecksilber.
       
 (DIR) Bergbau in Peru: Im Höhenrausch
       
       La Rinconada in Peru ist die höchstgelegene Stadt der Welt. Es gibt nur
       einen Grund, warum dort Menschen leben: Gold, viel Gold.
       
 (DIR) Kampf um Ressourcen: Deutschland gräbt sich in die Anden
       
       Die Bundesregierung unterzeichnet ein Rohstoffabkommen mit Peru. Das soll
       die Versorgung der Industrie sichern. Doch Umweltgruppen kritisieren die
       Pläne.
       
 (DIR) Weltweite Kupfer-Ressourcen: Reichlich Kohle für eine Tonne
       
       Weil das Metall immer teurer wird, lohnt es sich, auch weniger ertragreiche
       Vorkommen abzubauen. Das Deutsche Kupferinstitut freut sich.
       
 (DIR) Studie zu unethischen Geschäftsmodellen: Dreckige Milliardengewinne
       
       Gazprom, Rio Tinto, Adidas, Nestlé, Deutsche Bank. Das sind nur einige der
       Unternehmen, die Teile ihres Profits mit unsauberen Praktiken
       erwirtschaften.
       
 (DIR) Besuch in der peruanischen Hauptstadt: Geliebte Krake am nebeligen Pazifik
       
       Die peruanische Metropole ist mondän, modern, altmodisch und mit ihrer
       internationalen Vielfalt ein kulinarischer Geheimtipp.
       
 (DIR) Regierung in Peru umgebildet: Neuer Ministerpräsident soll schlichten
       
       Nach mehreren Toten bei Protesten gegen ein Bergbauprojekt im Norden Perus
       musste Regierungschef Óscar Valdés seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger ist
       der bisherige Justizminister.
       
 (DIR) Investigative Journalisten in Peru: Unter latenter Beobachtung
       
       Die IDL-Reporteros schauen den Herrschenden auf die Finger. Die
       Online-Redaktion hat in den letzten Jahren mit ihren Reportagen in Peru für
       Schlagzeilen gesorgt.
       
 (DIR) Proteste in Peru: Erbitterter Kampf um eine Goldmine
       
       Vier Tote, Dutzende Verletzte und Festnahmen: Die peruanische Regierung
       setzt auf Repression im Kampf um den Bau einer umweltschädlichen Mine.