# taz.de -- Umweltzerstörung in Peru: Goldrausch im Naturschutzgebiet
       
       > Zehntausende illegale Goldsucher zerstören eines der artenreichsten
       > Gebiete am Amazonas. Sie verseuchen die Flüsse mit Quecksilber.
       
 (IMG) Bild: Schmutzige Geschäfte: eine illegale Mine in der Region Madre de Dios.
       
       MADRE DE DIOS taz | Lehm und Sand gleißen in der Sonne, kein Busch, kein
       Baum haben den Goldrausch von La Pampa überlebt. Hier in der Pufferzone zum
       Nationalpark Bahuaja-Sonene im Südosten Perus zeugen zwischen den
       Sandhügeln nur noch Tümpel und Seen von dem Fluss, der hier einst floss.
       
       Goldsucher haben ihn vollständig zerstört. Förderbänder und
       Dieselgeneratoren stehen an den Wasserlöchern, dazwischen Pisten, hier und
       da Hütten aus blauen Plastikplanen, in denen die Goldsucher hausen. Nur
       noch am Horizont erinnern leuchtende Baumkronen daran, wo man ist: im
       Amazonasgebiet. Von dem üppigen Leben des Dschungels ist zwischen Kilometer
       102 und 123 entlang der Schnellstraße Interoceánica im Departamento Madre
       de Dios nichts übrig geblieben.
       
       Die Menschen im Amazonasgebiet und in den Hochtälern der Anden sind einem
       Goldrausch verfallen. Goldstaub wird im Amazonas schon seit 40 Jahren aus
       dem Sand der Flüsse gewaschen, doch seitdem der Goldpreis Anfang des
       Jahrtausends in die Höhe geschossen ist, kommen Zehntausende aus den Anden
       und bauen das Gold tonnenweise ab.
       
       Landarbeiter, Bauernsöhne, Händlerinnen und andere, die mehr als ein karges
       Leben in den Dörfern und Städtchen der Bergregionen von Puno und Cusco
       wollen, sind in den Amazonaswald von Madre de Dios gezogen. Als Tagelöhner
       in der andinen Landwirtschaft bekommen die Männer 50 bis 80 Soles am Tag,
       also etwa 14 bis 21 Euro.
       
       Als minero im Amazonas verdienen sie hingegen 500, ja bis zu 1.000 Soles
       täglich – also zwischen 135 und 270 Euro. Steuerfrei, denn die „Aktivitäten
       sind buchstäblich außer Kontrolle“, wie es in einer Studie des peruanischen
       Umweltministeriums zum Goldrausch heißt. Und noch deutlicher: „Die
       unkontrollierten Aktivitäten der Minenarbeiter haben zu einer
       Unregierbarkeit der Region geführt.“
       
       ## Rechtlosigkeit in Bretterbuden
       
       Zentrum der Gesetzlosen ist eine Siedlung aus Buden und Planen bei
       Kilometer 108 an der Interoceánica. Wohl 4.000 Menschen leben dort und
       versorgen die rund 30.000 mineros in den Goldsuchercamps. Prostituierte
       bieten sich an, Schmuggler helfen mit Benzin aus Bolivien, das
       Treibstoffembargo der Regierung für die Region zu umgehen, Händler halten
       Ersatzteile für Dieselgeneratoren und Pumpen auf Lager, verkaufen Schnaps,
       Matratzen, Gummistiefel, Konserven.
       
       Die Hütten nördlich und südlich der Interoceánica sind illegal und
       dementsprechend geht es dort zu. Rechtlos. Vor jeder dritten oder vierten
       Bretterbude hängen junge Frauen herum, es ist kaum vorstellbar, dass sie
       volljährig sind. Kinder spielen dazwischen, Männer hocken auf
       Plastikstühlen und trinken Bier aus Dreiviertelliterflaschen, japanische
       Geländewagen und Motorräder stehen vor den Hütten.
       
       In den Dschungelcamps der Goldsucher, erzählt ein Mann in der
       Provinzhauptstadt Puerto Maldonado, lassen sich die Prostituierten anteilig
       in Gold bezahlen. Die Caritas berichtet von Zwangsprostituierten entlang
       der Interoceánica. In der Region verschwinden Kinder, in den Camps sollen
       sie als Sklaven gehalten werden. Mindestens 500 Goldsucher sind
       verschwunden und es wurden Leichen im Wald gefunden.
       
       „Der Goldabbau wird nicht verschwinden“, sagt ein Mitarbeiter der
       staatlichen Naturparkverwaltung in Puerto Maldonado. Er möchte anonym
       bleiben, ebenso wie alle anderen Gesprächspartner in der Region. „Es
       peligroso“, sagen alle, die sprechen, und die vielen, die deswegen nicht
       sprechen wollen – es ist gefährlich, über den Goldtagebau zu sprechen.
       
       „Die mineros legen Feuer in den Häusern“, sagt der Mitarbeiter einer
       Umweltschutzorganisation, der nach dem Gespräch lieber nicht mehr zitiert
       werden will. „Sie fackeln die Büros ab“, weiß ein Beamter – weshalb die
       Wachstationen der Nationalparkranger entlang der Flüsse nur Türen nach
       außen haben: Sie können bei einem Angriff direkt aus den Schlaf- und
       Büroräumen ins Freie springen und müssen sich nicht über Flure durch den
       Rauch kämpfen.
       
       ## Der schmutzige Arm des Staates
       
       Die Mitarbeiter der staatlichen Stellen haben Angst, wobei unklar bleibt,
       ob sie die Goldsucher oder den schmutzigen Arm des Staates fürchten. Denn
       allen Peruanern zwischen Regenwald und den Straßen Limas ist auch klar,
       dass die Zerstörung einer ganzen Region nur mit Hilfe von Polizei und
       Regierung geschehen konnte.
       
       „Wo Geld verdient wird, gibt es die Gefahr der Korruption“, sagt Christof
       Schenck, Direktor der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Schenck
       hat in den 1990er Jahren die einzigartigen Riesenotter im Nationalpark Manú
       erforscht. Seitdem unterstützt die ZGF die Parks von Manú, Tambopata und
       Bahuaja-Sonene, bildet Ranger aus und führt Umweltbildungsprogramme in den
       Schulen von Madre de Dios durch.
       
       Schenck hätte am liebsten eine Art „Blauhelme der Green Forces“ in der
       Amazonasregion, um das Naturerbe der Menschheit zu schützen. Manú und
       Bahuaja-Sonene gehören zu den artenreichsten Regionen der Erde und sind
       Teil eines Biodiversitätskorridors, der weiter südlich in Bolivien beginnt.
       5.000 Hektar der Pufferzone des Nationalparks Bahuaja-Sonene haben die
       Goldsucher bereits zerstört und sind in das Naturschutzgebiet von Tambopata
       vorgedrungen.
       
       Bis zum Goldrausch döste Madre de Dios vor sich hin. Im Grenzgebiet
       zwischen Brasilien und Bolivien gelegen, war die Gegend bis zur
       Fertigstellung der Interoceánica 2010 in der Regenzeit kaum über Land zu
       erreichen. In Puerto Maldonado fuhren noch 2004 nur Motokares,
       rikschaähnliche Gefährte. Flache Holzbauten standen um den Platz und nur
       die Hauptstraße war asphaltiert.
       
       ## Aufschwung mit fatalen Folgen
       
       Heute reihen sich Spielhallen und Diskotheken rund um die Plaza, die
       Motokares drängeln sich durch Limousinen mit schwarzen Scheiben, auf den
       Bürgersteigen flanieren andine Paare mit Kinderwagen, die sich sonst die
       weiße Mittelschicht an der Küste leistet. Die Bevölkerung in Puerto
       Maldonado hat sich von 10.000 auf 65.000 vervielfacht, und die Dichte an
       Autohäusern reicht an die von Lima heran.
       
       Der wirtschaftliche Aufschwung hat fatale Folgen. Lebensmittel kosten
       doppelt so viel wie in anderen Regionen Perus, die Preise für Häuser, Äcker
       und Felder sind explodiert. 40 Prozent der Bevölkerung leben von der
       Goldsuche, die restlichen 60 Prozent aber eben nicht. Sie leben unter
       anderem von der Landwirtschaft und den 28.000 Touristen, die jährlich das
       Naturschutzgebiet Tambopata besuchen und einige Tage in Lodges wohnen.
       
       Vom Fischfang lebt niemand mehr, denn die Fische sind mit Quecksilber aus
       dem Goldtagebau verseucht. 32.000 Hektar Regenwald haben die mineros seit
       2001 in Madre de Dios plattgemacht und die Flussbetten von Jayare und
       Guacamayo zerstört. Im Flussbett nach Gold zu suchen, ist seit 2010
       verboten. Doch als wir im August 2014 auf dem Rio Madre de Dios unterwegs
       sind, sehen wir Goldsucher bei der Arbeit.
       
       In der Mündung des Rio Colorado stehen Männer bis zur Brust im Wasser und
       saugen mit armdicken Plastikschläuchen Sand vom Grund, lenken dann Wasser
       und Sand auf ein Förderband, von dem Kiesel und Lehmklumpen fallen. Das
       Wasser läuft über ein Tuch, in dem der feine Sand und der Goldstaub hängen
       bleiben.
       
       ## Zwei Drittel der Menschen haben Quecksilber im Körper
       
       In einem Bottich rühren sie in das so gewonnene Sand-Gold-Gemisch dann
       Quecksilber und binden damit das Gold zu Klumpen. 180 bis 200 Gramm Gold
       waschen sie an einem Tag aus dem Fluss, die großen Pumpstationen auf den
       Schiffen holen bis zu einem Kilo Gold pro Tag aus dem Sand. Für jedes Kilo
       Gold brauchen sie 2,8 Kilo Quecksilber.
       
       Mindestens 3.000 Tonnen Quecksilber haben die Goldsucher in die Flüsse des
       Amazonas gespült. Zwei Drittel der Menschen in Puerto Maldonado haben
       Quecksilber im Körper, in Orten wie Huepetuhe direkt an den Camps zeigen
       ein Drittel der Menschen bereits die Symptome von Quecksilbervergiftungen:
       Gedächtnisverlust, Muskelstörungen, Apathie, Depressionen und niedrige
       Intelligenz bei Kindern. Dabei essen die aus dem Hochland zugewanderten
       Menschen nicht viel Fisch, der als Hauptquelle für Quecksilber im
       menschlichen Körper gilt.
       
       Weit gefährdeter sind die Indigenen, die sich täglich und fast
       ausschließlich von Fisch ernähren. In den Speisefischen der Gegend fanden
       Wissenschaftler derart erhöhte Quecksilberkonzentrationen, dass der
       wöchentliche Fischkonsum einer indigenen Familie ausreicht, die
       Quecksilberwerte über den als verträglich geltenden Wert der
       Weltgesundheitsorganisation zu heben.
       
       Das Umweltministerium in Lima spricht von einer „Zeitbombe“ in Madre de
       Dios, denn das Quecksilber reichert sich in Fischen, Pflanzen und Menschen
       an. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Menschen an den Vergiftungen
       sterben oder missgebildete Kinder geboren werden. Bis zum Frühjahr 2014 hat
       der Staat nichts gegen die Goldsucher unternommen, nun verhandelt er mit
       ihnen, wie die Ausbeutung legalisiert werden kann.
       
       Währenddessen zerstört die Luftwaffe Maschinen und Pumpen im Dschungel,
       Spezialeinheiten der Polizei reißen die Hütten der Illegalen ab. Das
       Umwelt- und das Bergbauministerium entscheiden im Oktober über
       Konzessionen, und die meisten werden erteilt, wie ein Beamter in Puerto
       Maldonado gesteht. Nur im Naturschutzgebiet Tambopata wird es keine
       Genehmigungen geben. In dem Gebiet, halb so groß wie Belgien, werden also
       die 26 Ranger den Ansturm der illegalen Goldsucher weiter abwehren müssen.
       
       1 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Fokken
       
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