# taz.de -- Neustart beim Netzwerk Recherche: Der Klub der Trüffelschweine wächst
       
       > Vor drei Jahren war der Ruf des Journalistenvereins „Netzwerk Recherche“
       > wegen Geldskandalen am Boden. Nun steigt die Mitgliederzahl wieder.
       
 (IMG) Bild: Beim Kongress von „Netzwerk Recherche“ treffen sich die Großen des Investigativjournalismus.
       
       BERLIN taz | Höher, schneller, weiter – dieses Motto gilt im Sport und
       offensichtlich auch in der Investigation. Wenn das Netzwerk Recherche (NR),
       der Klub der hiesigen Trüffelschweine, in dieser Woche in Hamburg wieder
       seinen jährlichen Kongress eröffnet, dann dürften so viele Jäger und
       Sammler vorbeischauen wie nie zu vor.
       
       NR-Chef Oliver Schröm erwartet gut eintausend Gäste, für die das ohnehin
       schon recht großzügige Konferenz-Areal des NDR nicht reicht: Nachdem in
       vergangenen Jahren bereits zusätzlich Nebenzimmer der Kantine belagert
       wurden, seien „noch mal neue Räume aufgetan“ worden. Wenn das so
       weitergeht, werden die Rechercheure ihre Anekdoten also irgendwann auch in
       der Kfz-Werkstatt des Senders austauschen. Das hätte immerhin Charme.
       
       Die Jahrestagung ist zweifellos die umfangreichste, vor allem aber für die
       Teilnehmer auch gewinnbringendste Veranstaltung der Branche. Sie breitet
       sich aus, aber auch das Netzwerk an sich. Das Mitgliederwachstum sei
       „gigantisch“, berichtet Schröm: Etwa 660 Journalisten zählt der Verein
       inzwischen – ein Plus von 10 Prozent im vergangenen Jahr. „Ich tue mich
       schwer damit, einen Zusammenhang mit der Snowden-Affäre zu sehen“, sagt
       Schröm, der die Rechercheabteilung des Stern leitet, „auch wenn die
       Jahrestagung mit Seminaren zu technischen Recherchemöglichkeiten voll sein
       wird.“ Die Teilnehmer können sich etwa in Kryptografie und Anonymität üben.
       
       Wachstum beim Netzwerk Recherche? Vor drei Jahren wäre das noch undenkbar
       gewesen. Damals waren die Kontrolleure selbst außer Kontrolle geraten: Der
       Verein hatte bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu viele
       Fördermittel abgerufen, und ausgerechnet bei den Investigativen, die sich
       sonst auf Missstände stürzen, hatte dabei die eigene Struktur versagt, auch
       aus Bequemlichkeit. Ein Vorsitzender ging, Geld wurde zurückbezahlt, die
       Kerben im Lack zugespachtelt, neue Akteure installiert: ein Neustart.
       
       „Als ich damals mit meinen Kollegen angetreten bin, haben wir vollmundig
       erklärt, wir müssten die Sache mal kleiner fahren – heute ist das Gegenteil
       der Fall“, analysiert Vereinschef Schröm. „Selten hat jemand sein
       Wahlversprechen so krass gebrochen.“ Ein Problem hat er damit aber nicht,
       schließlich sei es „immer das Ziel gewesen, den Verein zu
       professionalisieren – und das haben wir geschafft“.
       
       ## Nur wenige Tausend Euro Minus
       
       Tatsächlich hat sich der Verein neu aufgestellt, eine ordentliche
       Geschäftsstelle gehört dazu. Vor einem Jahr haben die Mitglieder außerdem
       beschlossen, dem Geschäftsführer eine zweite Kraft beizustellen: eine
       sogenannte Fundraiserin. Sie hat inzwischen ihren Dienst aufgenommen. Ein
       Verleger bezahlt für drei Jahre ihre Stelle – wer das ist, soll auf der
       Mitgliederversammlung am Freitag bekannt gegeben werden. Der
       Geschäftsführer wird wiederum schon länger überwiegend von der
       Rudolf-Augstein-Stiftung bezahlt.
       
       Fundraiser, das sind auch die lästigen Geldeintreiber, die ihre Stände vor
       Bahnhöfen und in Fußgängerzonen platzieren und sich oft als Mitarbeiter
       karikativer Einrichtungen ausgeben, obwohl sie von Agenturen gestellt
       werden und auf Provision arbeiten – ein klassisches Thema der
       Investigation. Die Fundraiserin des Netzwerks Recherche soll sich wiederum
       unter anderem darum kümmern, für die Publikationen des Vereins
       Anzeigenkunden zu gewinnen – und nicht zuletzt bei der Organisation helfen.
       Ob das am Ende zu neuem Größenwahn und neuen Problemen führt, wird sich
       zeigen.
       
       Um das Finanzielle im Netzwerk Recherche kümmert sich David Schraven, der
       bis zuletzt die Rechercheabteilung der Westdeutsche Allgemeine Zeitung
       geleitet hat und gerade – jenseits des NR – eine Stiftung auf die Beine
       stellt, die investigative Recherche für alle bieten soll. „Das Wichtigste
       war, dass wir die Verluste gestoppt haben“, sagt der Schatzmeister. Die
       Bilanz für das Jahr 2013, die er diese Woche vorlegen will, werde ein Minus
       von „lediglich ein paar Tausend Euro“ ausweisen. Im Skandaljahr 2011 lag es
       bei gut 150.000 Euro, 2012 noch bei gut 80.000 Euro. Schravens Botschaft:
       „Wir haben uns konsolidiert – jetzt wird wieder aufgebaut.“
       
       Schraven selbst präsentiert auf der Jahrestagung das jüngste Projekt des
       Vereins: eine Datenbank mit Dutzenden rechtskräftigen Urteilen zum
       Presserecht. Sie soll Journalisten „Argumente liefern“, die bei
       Behördenanfragen nicht weiterkommen – mit Urteilen, die in ähnlichen Fällen
       bereits staatliche Transparenz erzwungen haben. „Das hat es so noch nicht
       gegeben“, sagt Schraven, und nennt das Projekt „eine richtig geile Sache“.
       
       3 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bouhs
       
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