# taz.de -- Nach Fukushima: Japan gibt grünes Licht für AKWs
       
       > Erste Meiler bestehen die nach dem Super-GAU verschärfte
       > Sicherheitsprüfung. Gegen das Hochfahren der 30 Jahre alten Anlagen wird
       > Protest laut.
       
 (IMG) Bild: Anti-Atom-Demo in Tokio: „Alle AKWs abschalten“ steht auf dem Plakat
       
       TOKIO taz | Die atomstromfreie Zeit in Japan geht zu Ende. Laut dem
       Abschlussbericht der Atomaufsicht NRA hat erstmals ein Atomkraftwerk die
       neuen, vor einem Jahr verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt. Die zwei
       Reaktoren im AKW Sendai in der Nähe eines aktiven Vulkans auf der Insel
       Kyushu im Süden des Landes dürften im Herbst ans Netz gehen. Davor steht
       noch eine aufwendige Genehmigungsprozedur.
       
       Im März 2011 hatten ein Erdbeben und ein Tsunami das Kernkraftwerk
       Fukushima im Nordosten Japans zerstört und zum folgenschwersten Atomunglück
       seit dem Unfall von Tschernobyl im Jahr 1986 geführt. Japan schaltete
       danach seine mehr als 50 Atomreaktoren ausnahmslos ab. Zwei Reaktoren
       wurden im vergangenen Jahr vorübergehend wieder hochgefahren und kurze Zeit
       später wieder abgeschaltet. Derzeit sind also alle Anlagen vom Netz. Jetzt
       steht Japan erstmals seit fast 50 Jahren ein Sommer ohne Strom aus
       Kernspaltung bevor.
       
       Die Bürger haben nun 30 Tage Zeit, Einwände gegen den über 400 Seiten
       dicken Prüfbericht der Atombehörde zu erheben. Dann müssen die Regierung in
       Tokio und Lokalpolitiker noch grünes Licht für das Hochfahren der Anlage in
       Sendai geben. Sie schieben die politische Verantwortung dafür hin und her.
       Der Gouverneur der Präfektur Kagoshima und der Bürgermeister von Sendai,
       beide Freunde der Atomkraft, verlangten eine Erklärung der
       Zentralregierung, dass die Anlage sicher sei. Premierminister Shinzo Abe
       wollte sich auf den Beschluss der Atomaufsicht berufen.
       
       Doch die Behörde will ihre Entscheidung nicht als Freibrief verstanden
       wissen. „Es gibt keine komplette Sicherheit“, betonte NRA-Chef Shunichi
       Tanaka. Die Politik solle sich mit den Anwohnern verständigen. Der
       Regierungschef wird auf Druck wahrscheinlich verzichten. Seine
       Popularitätswerte sind schlecht, sein Pro-Atomkraft-Kurs ist unbeliebt.
       Mehr als die Hälfte der Japaner lehnt Umfragen zufolge den Neustart von
       AKWs ab.
       
       ## Bürger starten Petition gegen Neustart
       
       Der lokale Widerstand gegen den Neustart der zwei 30 Jahre alten
       Druckwasserreaktoren in Kyushu ist groß. Schon bei der im Internet
       übertragenen Sitzung der Atomaufsicht protestierten AKW-Gegner und riefen
       „Schämt euch!“. Vor der Anlage und in mehreren Städten kam es zu
       Demonstrationen. Mehr als die Hälfte der 30.000 Bewohner einer Küstenstadt
       in fünf Kilometer Entfernung unterschrieb eine Petition gegen den Neustart.
       Der Evakuierungsplan für die Region sei unrealistisch und ineffizient,
       kritisierten sie.
       
       In die gleiche Kerbe schlägt Greenpeace. Auf die Evakuierung von Alten,
       Kindern und Krankenhauspatienten sei der AKW-Betreiber Kyushu Electric
       nicht vorbereitet. Außerdem ignoriere die Aufsicht offene
       Sicherheitsfragen: Ein für die Sicherheit notwendiges strahlensicheres,
       externes Kontrollzentrum sei noch nicht gebaut. Der Betreiber wiederum
       droht mit der Erhöhung der Strompreise, falls keine AKWs kommen.
       
       In jedem Fall wird Japan sehr langsam zur Atomkraft zurückkehren. Die
       Meiler von Sendai erzeugen mit 1,8 Gigawatt Leistung lediglich 5 Prozent
       der japanischen Atomkapazität. Nur 7 der 19 Reaktoren, die bisher von den
       Stromversorgern für eine Sicherheitsprüfung angemeldet wurden, haben
       offenbar Aussicht auf eine Genehmigung im Verlauf des kommenden Jahres.
       Noch Ende 2015 dürften daher 39 der 48 Reaktoren weiter stillstehen.
       
       Nach Ansicht von Analysten könnte die Hälfte bis zu zwei Drittel der
       Anlagen stillgelegt werden, vor allem weil sich die vorgeschriebene
       Installation teurer Sicherheitssysteme nicht rechnet. Ob Atomkraft jemals
       wieder eine wichtige Quelle für Strom wird, wie es die Regierung plant, ist
       daher offen. Derzeit setzt das Land auf Stromsparen und fossile
       Energieträger.
       
       16 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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