# taz.de -- Kommentar Flugzeugabschuss Ukraine: Ein politischer Brandherd
       
       > Der Flugzeugabschuss in der Ostukraine ist der schwerste Terrorakt der
       > jüngeren europäischen Geschichte. Der Konflikt wird damit
       > brandgefährlich.
       
 (IMG) Bild: Eine internationale Untersuchung des Absturzes ist das Mindeste.
       
       Noch ist nicht gesichert, wer für den [1][Abschuss des Fluges MH17 über der
       Ostukraine] verantwortlich ist, und vor allem ob er absichtlich und in
       voller Kenntnis des Zieles verübt wurde oder nicht. Aber unabhängig davon
       ist er mit 298 Toten der schwerste einzelne Terrorakt der jüngeren
       europäischen Geschichte und hebt den Ukrainekonflikt und damit die globale
       Ost-West-Konfrontation auf eine neue, brandgefährliche Stufe.
       
       In den letzten Wochen hatte sich die internationale Aufmerksamkeit von den
       schweren Kämpfen zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den
       Separatisten im Osten des Landes abgewendet. Irak und Gaza beherrschten die
       Schlagzeilen, nicht mehr die Krim und Donezk. Auch die Frage nach direkter
       russischer Unterstützung für die „Volksrepubliken“ in der Ostukraine sorgte
       längst nicht mehr für so viel Erregung wie am Anfang.
       
       All das geht jetzt nicht mehr. Es sterben im Krieg im Donbass nicht mehr
       nur ukrainische Bewaffnete, sondern zivile Flugpassagiere – aus den
       Niederlanden und Australien, aus den USA und Großbritannien und anderen
       Ländern. Die Regierungen, deren Bürger jetzt tot in der Ostukraine liegen,
       können nicht mehr wegschauen.
       
       Zunächst steht jetzt die Frage nach umfassender Aufklärung im Raum. Eine
       unabhängige internationale Untersuchung mit ungehindertem Zugang zum
       Absturzort, zu allen Wrackteilen und den Black Boxes und zu allen
       mutmaßlich entweder am Abschuss oder an den ersten Bergungsmaßnahmen
       beteiligten Personen ist das Mindeste. Dafür müssen die Regierungen in
       Moskau und in Kiew sowie die bewaffneten Machthaber in Donezk voll
       kooperieren, und zwar auch miteinander.
       
       ## Ost und West müssen zusammen arbeiten
       
       Wenn das gelingt, könnte es einen Impuls zur Befriedung der Ukraine
       insgesamt bedeuten. Wenn es scheitert, würde es allerdings eine
       militärische Lösung des Konflikts befördern – und zwar eine mit
       internationaler Mitwirkung. Sollten der Aufklärung des Todes von 298
       Flugpassagieren vor Ort Steine in den Weg gelegt werden, könnten die
       internationalen Verbündeten Kiews dies zum Anlass nehmen, aktiver als
       bisher die gewaltsame Wiederherstellung der staatlichen Autorität der
       Ukraine auf dem gesamten Staatsgebiet zu fördern.
       
       Denn letztendlich geht es um mehr als einen Flugzeugabschuss. Die Lage in
       der Ostukraine insgesamt ist außer Kontrolle geraten. Es ist eine Sache,
       wenn in ostukrainischen Städten zweifelhafte Bewaffnete mit obskuren Zielen
       und abenteuerlichem Auftreten Chaos stiften. Es ist eine ganz andere, wenn
       aus einem der staatlichen Herrschaft entzogenen Landstrich Europas ein
       Terrorakt nie gekannter Größenordnung verübt wird. Keine
       verantwortungsbewusste Regierung kann daran ein Interesse haben.
       
       Eigentlich müssten Ost und West jetzt also zusammenarbeiten, um den
       Brandherd Ostukraine zu löschen, und zwar lieber heute als morgen. Darin
       steckt eine Chance. Aber die ersten Äußerungen von russischer Seite sind
       nicht ermutigend, und das zwingt die Gegenseite dazu, sich zu überlegen,
       wie sie ihre eigene Forderung nach rückhaltloser Aufklärung auch gegen
       Widerstände durchsetzt. Darin liegt die Gefahr. Noch ist es übertrieben,
       von einer Schicksalsstunde für Krieg oder Frieden in Europa zu sprechen.
       Aber vielleicht nicht mehr lange.
       
       18 Jul 2014
       
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