# taz.de -- Kommentar TTIP & Währungsspekulation: Die 5,3-Billionen-Dollar-Wette
       
       > Die Welt streitet über Freihandelsabkommen, dabei ist das eigentliche
       > Problem die Spekulation mit Währungen. Warum bleibt sie unbeachtet?
       
 (IMG) Bild: Geld, in diesem Falle ägyptische Pfund, kann man nie genug haben, egal ob zum Spekulieren oder Einkaufen
       
       Die Zahl ist unvorstellbar: 5,3 Billionen Dollar sind täglich rund um den
       Globus unterwegs, um mit Währungen zu spekulieren. Doch die Politik
       interessiert sich dafür nicht. Es gibt kein einziges internationales
       Abkommen, das versuchen würde, die Devisenspekulation einzudämmen.
       
       Stattdessen kapriziert man sich darauf, Freihandelsverträge abzuschließen.
       In Brüssel lief in dieser Woche die sechste Verhandlungsrunde von TTIP, dem
       geplanten Abkommen zwischen Europa und den USA.
       
       Diese Prioritäten sind seltsam, denn die Devisenspekulation ist das
       eigentliche Handelshemmnis, weil sie Exporte schlagartig teurer machen
       kann. Von 2010 bis 2013 schwankte der Euro zum Dollar zwischen 1,20 und
       1,50. Deutsche Firmen mussten also erleben, dass ihre Waren auf den
       Weltmärkten in wenigen Monaten um bis zu 25 Prozent kostspieliger wurden.
       
       Diese Ausschläge hatten mit der Eurokrise fast nichts zu tun, was sich
       daran zeigt, dass es bei Dollar und Pfund genauso wild zuging. Von 2010 und
       2013 kostete das Pfund zwischen 1,43 und 1,71 Dollar. Auch britische
       Exporteure wurden also damit konfrontiert, dass ihre Waren im Ausland um
       bis zu 20 Prozent teurer wurden.
       
       ## Leichte Übung
       
       Gemessen an diesen Kurssprüngen sind die „normalen“ Handelsbarrieren
       lächerlich. Wie die Welthandelsorganisation (WTO) schätzt, betragen die
       Zölle in den USA durchschnittlich 3,5 Prozent, in der EU sind es etwa 5,2
       Prozent. Damit kann jeder Exporteur leben.
       
       Es wäre übrigens einfach, die Devisenspekulation zu eliminieren. Es würde
       reichen, wenn die großen Zentralbanken zusammenarbeiteten. Also die
       amerikanische Fed, die Bank of England, die Europäische Zentralbank und die
       japanische Notenbank. Diese vier müssten immer eingreifen, wenn die
       Währungskurse nicht mehr der Realität entsprechen.
       
       Aber was heißt „Realität“? Wie Devisenkurse funktionieren sollten, weiß
       jeder Deutsche intuitiv, der früher Urlaub in Italien gemacht hat. Die
       Preise stiegen dort viel schneller als in der Bundesrepublik – weswegen die
       Lira gegenüber der Mark permanent fiel. Jeden Sommer gab es mehr Lira für
       das gleiche deutsche Taschengeld. Doch mehr kaufen konnte man deshalb
       nicht: Umgerechnet in Mark blieb der Preis fürs „gelato“ etwa gleich. Der
       Kursverlust der Lira hatte nur die italienische Inflation ausgeglichen.
       
       Dahinter verbirgt sich ein fundamentales Gesetz der Ökonomie: Geld erhält
       seinen Wert durch die Kaufkraft. Die Wechselkurse sorgen dafür, dass dies
       auch zwischen den Währungsgebieten gilt. Eigentlich.
       
       ## Es geht nicht um Handel
       
       Die Devisenspekulation zerstört diesen Mechanismus, und das Geld verliert
       seine internationale Funktion. Gerade die Freihändler müssten also
       alarmiert sein, die ständig die Segnungen des globalen Markts beschwören.
       Doch stattdessen sehen TTIP-Fans seelenruhig zu, wie täglich 5,3 Billionen
       Dollar durch die Welt schwirren und nach lukrativen Währungswetten suchen.
       Wenn angebliche Freihändler das größte Handelshemmnis nicht erkennen
       wollen, kann dies nur eines bedeuten: Es geht ihnen sowieso nicht um den
       Handel. TTIP ist für sie nur ein Vehikel, um ihre Lobbyinteressen zu
       kaschieren. Nach dem Motto: Freihandel klingt so schön nach Freiheit, das
       muss doch jeder wollen.
       
       Dieser Trick ist so hübsch, dass er mehrfach angewandt wird: Es laufen
       nicht nur die TTIP-Verhandlungen, sondern parallel arbeitet Europa an einem
       Freihandelsvertrag mit Kanada. Und ein internationales
       Dienstleistungsabkommen namens Tisa ist ebenfalls unterwegs.
       
       Diese Flut von Verträgen ist tückisch, weil es für Bürger und Abgeordnete
       unmöglich ist, alle Details zu überblicken. Schnell kann man sich in der
       Einzelkritik verheddern, während die wesentlichen Lobbyinteressen
       unentdeckt bleiben. Deswegen sollte man auf Fundamentalopposition
       umschalten: Da das Thema Devisenspekulation nicht vorkommt, wird jeder
       Freihandelsvertrag abgelehnt. Fertig.
       
       21 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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