# taz.de -- Sexistische Gesetze in El Salvador: Für eine Fehlgeburt vierzig Jahre Haft
       
       > Der Fötus starb im Mutterleib, die Mutter wird wegen Mordes verurteilt:
       > In El Salvador muss eine Frau nach einer Fehlgeburt Jahrzehnte ins
       > Gefängnis.
       
 (IMG) Bild: Werden schnell kriminalisiert: Frauen in El Salvador.
       
       SAN SALVADOR taz | María Teresa ist 31 Jahre alt. Wenn sie ihre gesamte
       Strafe absitzen muss, wird sie 2041 das Gefängnis verlassen, im Alter von
       68. Sie wurde zu vierzig Jahren Haft verurteilt, wegen Kindsmord.
       
       Am 24. November 2011 wurde María Teresa mit schweren Blutungen ins
       Frauenkrankenhaus in San Salvador eingeliefert. Die Frau, Lohnnäherin in
       einer Fabrik am Stadtrand, erlitt eine Fehlgeburt. Der Fötus in ihr war
       abgestorben, ihr Körper versuchte, ihn abzustoßen. Die behandelnde Ärztin
       aber zeigte sie wegen des Verdachts auf Abtreibung an. Obwohl es keine
       Beweise gab, stellte ein Richter später fest, der Fötus sei durch
       „schlechte Behandlung und Aggression der Mutter“ abgestorben. Sein Urteil:
       Mord. Höchststrafe.
       
       Wäre der Fötus weniger als 22 Wochen in ihr gewachsen, hätte es sich nach
       salvadorianischem Recht um eine Abtreibung gehandelt, und María Teresa wäre
       mit einer Haftstrafe zwischen einem und acht Jahren davongekommen. Ab Woche
       23 erhöht die Staatsanwaltschaft die Anklage automatisch auf Mord.
       
       Menschenrechtsorganisationen laufen gegen diese absurde Rechtsprechung
       Sturm. In einer gemeinsamen Initiative verlangen sie vom Parlament einen
       Gnadenerlass für María Teresa und 16 weitere zu langjähriger Haft
       verurteilte Frauen. Ihre Fälle gleichen sich. So verurteilte ein Richter in
       der Provinzstadt San Francisco Gotera eine 22-Jährige, die ins Krankenhaus
       gekommen war, weil es bei ihrer Hausgeburt zu Komplikationen gekommen war.
       Das Kind starb bei der Geburt. Der Richter stellte „mangelnden
       Mutterinstinkt“ fest: 30 Jahre Haft.
       
       ## Absolutes Abtreibungsverbot in der Verfassung
       
       Bis 1998 waren in El Salvador Abtreibungen aufgrund von drei Indikationen
       möglich: nach einer Vergewaltigung, wenn das Leben der Mutter gefährdet
       oder der Fötus so geschädigt war, dass er keinerlei Überlebenschancen
       hatte. Die damalige rechte Regierungspartei Arena fand das „inhuman,
       unmoralisch und gegen die religiösen Prinzipien der Mehrheit der
       Salvadorianer“ und brachte eine Verschärfung ein. Ein Jahr später schaffte
       es die katholische Kirche mit Massendemonstrationen, das absolute
       Abtreibungsverbot in der Verfassung zu verankern. Auch Parlamentarier der
       ehemaligen Guerilla FMLN stimmten für die Verfassungsreform; unter anderem
       Violeta Menjívar, Gesundheitsministerin der heutigen Linksregierung.
       
       Ihre Vorgängerin in diesem Amt, die parteilose María Isabel Rodríguez,
       hatte 2013 die Debatte um die Abtreibungsgesetzgebung neu angestoßen.
       Damals machte in El Salvador der sogenannte Fall Beatriz Schlagzeilen. Es
       ging um eine 22-jährige schwangere Frau, die an einer schweren
       Hautkrankheit und an Nierenversagen litt. Eine Geburt hätte sie umgebracht,
       ihr schwer geschädigter Fötus wäre nicht überlebensfähig gewesen.
       
       Sie verlangte eine lebensrettende Abtreibung und klagte bis zum obersten
       Gerichtshof – vergeblich. Da entschied Rodríguez den Fall mit einer
       Spitzfindigkeit: Sie ordnete an, die behandelnden Ärzte müssten zur Rettung
       des Lebens der Mutter eine Geburt – keine Abtreibung – einleiten. Der Fötus
       starb, wie erwartet. Die 22-Jährige überlebte. Rodríguez ist inzwischen im
       Ruhestand. Von ihrer Nachfolgerin sind ähnliche Initiativen nicht zu
       erwarten.
       
       Das Parlament hat zum Gnadenerlass für die 17 inhaftierten Frauen eine
       Stellungnahme des obersten Gerichtshof bestellt. Der hat die gesetzliche
       Dreimonatsfrist für eine Antwort längst überzogen. Doch die Abgeordneten
       aller Fraktionen haben Zeit. Im kommenden Frühjahr steht die Neuwahl des
       Parlaments an. Keine Partei will in den Monaten davor mit Demonstrationen
       der katholischen Kirche konfrontiert sein.
       
       24 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cecibel Romero
       
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