# taz.de -- Luftverkehr: Wenige Ziele, rote Zahlen
       
       > Norddeutschlands Flughäfen stecken bis auf Hamburg tief im Minus - doch
       > die Länder wollen von Schließungsplänen nichts wissen. Umweltschützer
       > hingegen schon.
       
 (IMG) Bild: Manchmal fliegt hier wenigstens einer: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil auf dem Flughafen Hannover.
       
       HANNOVER taz | Wer von den Flughäfen Norddeutschlands in die weite Welt
       abheben will, kommt nicht weit. Von wenigen touristischen Zielen abgesehen,
       hat nur der Hamburger Airport Interkontinentalflüge im Angebot – aus der
       Hansestadt starten täglich Jets nach New York und nach Dubai sogar
       zweiimal. Immerhin zwei Mal in der Woche geht’s zudem nnach Teheran.
       Ansonsten ist Umsteigen angesagt: Passagiere mit Zielen in Südamerika,
       Ostasien oder Australien kommen an einem oder sogar mehreren Zwischenstopps
       an den Drehkreuzen des internationalen Flugverkehrs wie Frankfurt oder
       London nicht vorbei.
       
       Noch deutlicher wird das am zweitgrößten Flughafen Norddeutschlands,
       Hannover-Langenhagen. Im Jahr 2013 wurden dort zwar 5,23 Millionen
       Passagiere gezählt – doch die allermeisten von ihnen dürften als Touristen
       oder auf Kurzstrecken unterwegs gewesen sein: Direktflüge aus Hannovers
       Norden führen vor allem zu Zielen wie Mallorca, Teneriffa oder ins
       türkische Antalya.
       
       Auch vom City Airport Bremen geht’s – von drei an der türkischen und zwei
       an der nordafrikanischen Mittelmeerküste liegenden Zielen abgesehen – nur
       innereuropäisch weiter. Und Schleswig-Holsteins größter, aber in massiven
       Zahlungsschwierigkeiten steckender Flugplatz in Lübeck-Blankensee bietet
       gerade einmal zwei Verbindungen an: Danzig und Kiew.
       
       Das mangelnde Angebot hat Folgen: Unter den Flughäfen der Bundesrepublik
       rangieren die norddeutschen Airports auf den hinteren Plätzen. Liegt
       Hamburg mit rund 13,5 Millionen Passagieren noch auf Platz fünf, rangiert
       Hannover auf Platz neun und Bremen mit seinen 2,4 Millionen Fluggästen auf
       Platz zwölf – als größtes Drehkreuz Deutschlands zählte Frankfurt dagegen
       satte 58 Millionen Fluggäste. In den Bilanzen dominieren deshalb rote
       Zahlen, lediglich Hamburg macht Gewinn. 2,5 Millionen Euro Miese machte der
       Flughafen Hannover im Jahr 2012 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor.
       Bremen veröffentlicht seine Bilanz nicht im Internet, sondern nur im
       Bundesanzeiger. „Unserem Airport geht es richtig gut“, tönt der unter dem
       imposanten Titel „Director Sales, Marketing & Communication“ firmierende
       Flughafensprecher Florian Kruse am Telefon – und schickt dann eine E-Mail,
       die für 2013 „einen Verlust von 1,5 Millionen Euro“ ausweist. Immerhin:
       2012 lag das Minus mit 2,9 Millionen Euro noch fast doppelt so hoch.
       
       Und Lübeck ist ein einziges Desaster: Im April ging der Flugplatz, den im
       vergangenen Jahr gerade einmal 370.000 Menschen nutzen wollten, in die
       Pleite, Betreiber Mohamad Rady Amar verschwand spurlos. Jetzt will der Chef
       der Alleingesellschafter der in Hongkong registrierten PuRen-Group, Chen
       Yongqiang, den Betrieb in Blankensee retten. Sein Konzept, vor allem
       Medizintouristen aus Fernost einfliegen zu wollen, überzeugt dabei längst
       nicht alle Beteiligten: „Für mich wird immer deutlicher, dass der Flughafen
       ohne jegliches Konzept gekauft wurde“, sagt da zum Beispiel der Vorsitzende
       der Grünen-Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft, Thorsten Fürter.
       
       Trotzdem stehen die Regierungen der fünf norddeutschen Länder in Treue fest
       zu ihren Klein- und Kleinstflughäfen – in Schwerin will die regierende
       rot-schwarze Koalition nicht einmal von ihrem Regionalflughafen
       Rostock-Laage lassen. Stattdessen haben sich die Beamte der
       Wirtschaftsministerien Niedersachsens, Hamburgs, Schleswig-Holsteins und
       Bremens gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Landesentwicklungsressort
       Mecklenburg-Vorpommerns im Sommer 2013 erst auf ein bisher einmaliges
       „Norddeutsches Luftverkehrskonzept“ verständigt. Das charakterisieren
       Insider als „Beton“: Die Umweltministerien waren zu den monatelangen
       Beratungen nicht hinzugebeten worden.
       
       Das Ergebnis ist ein Bekenntnis zu den tief in den roten Zahlen steckenden
       Flughäfen. Eine „Beurteilung von Luftverkehrsinfrastruktur nach rein
       betriebswirtschaftlicher Sichtweise“ lehnen die Ministerialen im schönsten
       Behördendeutsch ab – schließlich sei „ein leistungsfähiger
       Wirtschaftsstandort Norddeutschland auf internationale Verkehrsflughäfen
       angewiesen“. Die Airports dienen demnach der „regionalen
       Wirtschaftsförderung“, „touristischen Aspekten“ und der „besseren
       Erreichbarkeit von wenig erschlossenen Gebieten“. Zwar seien „bis 2030
       keine ernsthaften Kapazitätsengpässe“ zu erwarten, die Flughäfen also zum
       heutigen Zeitpunkt überdimensioniert, trotzdem seien staatliche Zuschüsse
       gerade für Lübeck und Rostock aus Gründen „der Daseinsvorsorge“ legitim,
       halten die Beamten fest. Im Falle Lübecks gilt das Prinzip Hoffnung: Die
       Hansestadt habe den Betrieb doch „auf einen privaten Investor übertragen,
       um dem Flughafen eine langfristige Perspektive zu geben“ – gemeint ist der
       im April verschwundene Mohamad Rady Amar.
       
       Immerhin: Den seit den Sechzigern umherwabernden Planungen für einen rund
       30 Kilometer nördlich von Hamburg vorgesehenen „Groß- und Ersatzflughafen
       Kaltenkirchen“ (siehe Text unten) wird in dem Papier eine eindeutige Absage
       erteilt. „Kapazitätsengpässe am Flughafen Hamburg sind nicht zu erwarten“,
       räumen die Ministerialen zwar ein – die bereits erworbenen umfangreichen
       Grundstücke soll die Hamburger Flughafengesellschaft aber behalten.
       
       Beerdigt wird damit nur, was längst nicht mehr zeitgemäß ist – schließlich
       kaufen die Fluggesellschaften immer öfter Großflugzeuge wie den Airbus A
       380, der auf seinen zwei durchgehenden Decks bis zu 853 Passagiere
       transportieren kann und Treibstoff und Emissionen sparen hilft – und damit
       Kosten. Bei einem Passagieraufkommen, das in den vergangenen Jahren
       entgegen aller Prognosen eben nicht massiv gewachsen ist, bedeuten größere
       Flugzeuge aber weniger Flüge. An den Statistiken des Deutschen Zentrums für
       Luft und Raumfahrt ist das längst ablesbar: Zwar stieg die Zahl der
       Passagiere an allen deutschen Flughäfen um 1,6 Prozent – zugleich starteten
       aber 2,9 Prozent weniger Flugzeuge.
       
       Freude weckt das bei den Anwohnern – nicht nur in Hannover und Hamburg
       protestieren Bürgerinitiativen seit Jahrzehnten gegen den oft als
       „unerträglich“ empfundenen Fluglärm. Aber auch Umweltschützer arbeiten an
       neuen Konzepten: „Zur globalen Erwärmung trägt der Luftverkehr insgesamt zu
       mindestens fünf Prozent bei“, sagt Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund
       für Umwelt und Naturschutz (BUND) – mit einem Urlaubsflug nach Teneriffa
       bläst ein einziger Passagier so viel klimaschädliches Kohlendioxid in die
       Luft wie ein durchschnittlicher Autofahrer im ganzen Jahr. Nötig sei
       deshalb eine möglichst starke Reduzierung aller Flugbewegungen, sagt Reh –
       besonders „Ultrakurzstreckenflüge“ mit Zubringerfunktion etwa nach
       Frankfurt sollten auf die Bahn verlagert werden.
       
       Dass er damit die Existenzberechtigung von Flughäfen wie Lübeck und auch
       Bremen infrage stellt, ist dem BUND-Mann klar. „Lübeck sollte
       schnellstmöglich geschlossen werden“, sagt er. Auch den Bremer Flugverkehr
       könnten größere, in Hamburg startende Jets mit übernehmen – schließlich
       sind die Hansestädte nicht einmal eine Zugstunde voneinander entfernt.
       
       Im Fall Lübeck könnte Reh schnell recht behalten: Am 31. Juli stellte die
       irische Billigfluglinie Ryanair, die bisher die Hälfte aller Passagiere
       herankarrte, ihre letzten drei Linienflüge ein. Gestartet wird nun in
       Bremen und – ab Oktober – Hamburg.
       
       8 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
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