# taz.de -- Zur BND-Schnüffelei in der Türkei: Was alles geht
       
       > Die Türkei ist kein Freund, mit dem man essen geht. Beim Abhören kennen
       > die Deutschen keine Freunde mehr – von Partnern gar nicht zu reden.
       
 (IMG) Bild: Ist es wirklich in Ordnung, die Türken abzuhören?
       
       „Das geht gar nicht“. Spätestens als Angela Merkel letzten Herbst in den
       Zeitgeistsprech verfiel, hätte man wissen können, dass Ausspähen unter
       Feinden, Freunden und Partnern eben sehr wohl geht und weiterhin gehen
       wird. Und es ist schon bemerkenswert, dass in einer Epoche, die jede
       vernünftige soziale Forderung als Populismus denunziert, der rhetorisch
       chronisch verknappt-vorpommerschen Bundeskanzlerin ausgerechnet diese
       allgegenwärtige, gerne mit angeekeltem langem a ausgesprochene Phrase als
       mutiges Statement gegen den US-Abhörimperialismus abgenommen wurde.
       
       Jetzt wenigstens herrscht Klarheit: Erst im Juli 2013 – also nach Beginn
       der NSA-Affäre – gab das Bundeskanzleramt die Anweisung heraus, im
       sogenannten Abhör-„Beifang“ eingenetzte Gesprächsmitschnitte von
       US-Politikern umgehend zu vernichten anstatt sie erst dem BND-Präsidenten
       als Leckerbissen vorzulegen. Denn sich über etwas zu empören, was man
       selber auch tat – das ging ja dann eben tatsächlich gar nicht, schon gar
       nicht unter Freunden.
       
       Die Türkei hingegen ist kein Freund, mit dem man auch mal essen geht. Die
       Türkei ist nur ein „Partner“, bei dem man den Döner abholt, zahlt und
       abzieht. Oder sie ist eben gleich PKK.
       
       Und deswegen ist es auch vollkommen in Ordnung, Türken abzuhören, sind sich
       Wolfgang Bosbach (CDU) und Jürgen Trittin (Grüne) einig – und welcher
       Deutsche wollte da widersprechen, außer natürlich die, die nicht schlicht
       als Bürger, sondern nur als Mitbürger gelten: Der Vorsitzende der
       Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Çinar, äußerte jedenfalls in der
       Welt seine Empörung darüber, dass Vereine von deutschen Staatsbürgern
       abgehört würden, weil man sie als Handlanger der türkischen Regierung
       betrachte. Es ist aber auch kompliziert in der globalen Welt.
       
       ## Ein reaktionärer Reflex
       
       Der weitgereiste Nobelpreisträger V. S. Naipaul schrieb einst ein Buch mit
       dem schönen Titel „Sag mir, wer mein Feind ist“. Zuvor hatte der
       Staatsrechtler Carl Schmitt Feindschaft als „seinsmäßige Negierung des
       anderen Seins“ definiert. Also killen. Später wiederum wurde die
       lebenslange Verbindung von der Partnerschaft abgelöst, die große Liebe
       geriet zur Beziehung und die Zufallsbekanntschaft zum Facebookfreund.
       
       In der sogenannten Intimsphäre geht es heute um Vernetzung, um kurz- bis
       mittelfristige Interessenüberschneidungen. Man billigt dem Partner so lange
       seine Privatsphäre zu, bis man die neue Nachricht auf dem Mobiltelefon
       aufblitzen sieht: Da es um einen Deal geht, will man nicht über den Tisch
       gezogen werden. Wenn die Leidenschaft schon flöten gegangen ist, will man
       wenigstens das Kennwort für den E-Mail-Account des Partners wissen.
       
       Insofern zeigte sich in der Empörung über die US-Abhörpraktiken ein
       reaktionärer Reflex, der eine Privatheit, die zu Hause schon lange nicht
       mehr ernst genommen wird, wenigstens auf internationaler Bühne verwirklicht
       sehen möchte.
       
       Wer sich in all den Abhöraffären am meisten blamiert hat, sind nicht die
       Politiker und nicht die Dienste. Es ist eine narzisstische, gekränkte
       Öffentlichkeit, die einer Bundeskanzlerin, die es immer schon besser
       wusste, einen Ausflug in den dumpfen Nationalismus abgenötigt hat. Und
       davon hätte man in der Tat lieber nichts wissen wollen.
       
       18 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
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