# taz.de -- Prozess wegen Volksverhetzung: Und dann wurde zurückgemobbt
       
       > Ein psychisch kranker Mann muss eine Geldstrafe wegen Volksverhetzung
       > zahlen, weil er monatelang in Internet-Foren wüst schimpfte, beleidigte
       > und drohte.
       
 (IMG) Bild: Herr S. hat einen Vogel. Würde er nur mit dem reden: kein Problem.
       
       BREMEN taz | „Rumgehasst“ habe er, sagt Manfred. S. „Ja, das stimmt.“ Ob
       das sein üblicher Sprachgebrauch sei, will der Staatsanwalt von ihm wissen.
       Nein, antwortet der Mittfünfziger, das kenne er von sich gar nicht. Und man
       will ihm glauben. Obwohl er gleich wegen Volksverhetzung verurteilt werden
       wird.
       
       Immer wieder pöbelte Herr S., in verschiedenen Internet-Foren, vor allem
       gegen „Scheiß-Juden“ und „Kanakenschweine“, aber auch gegen Schwule, Frauen
       und Arbeitslose. Er wolle ihnen „die Gedärme einzeln rausreißen“, schrieb
       er und gerne mal eine Moschee in die Luft sprengen. Er „meldete“, er
       „versprach“: „dass wir euch alle töten wollen“. „Grausamer“ als Hitler
       werde er dann sein, heißt es an anderer Stelle. „Sieg Heil.“ Auch der
       rechtsextreme norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik diente in
       Posts immer wieder mal als Vorbild. Über viele Monate ging das so, letztes
       und vorletztes Jahr. Mal schrieb er als „Entenficker“, mal als
       „Salafistenhunter“ oder „Gnubbelrutscher“. Der Hass in ihm sei
       „grenzenlos“.
       
       S. ist ohne Anwalt ins Amtsgericht gekommen, und auch sonst ohne Beistand.
       Einsam sitzt er da, auf der Anklagebank und ein wenig unbeholfen; nicht mal
       die Jacke zieht er aus. Ja, er habe das alles geschrieben. „Genauso, wie es
       der Herr Staatsanwalt vorgelesen hat“. Warum? „Um meinen Frust loszuwerden
       und um mich zu wehren.“ Er sei im Netz gemobbt worden, erzählt S., von wem
       genau – bleibt unklar. Als „Penner“ und „faules Schwein“ sei er
       diskriminiert worden, und weil er Krebs habe und Frührentner sei. Auch
       Todesdrohungen habe er bekommen. Dann sah er „rot“. Schrieb wie „im
       Rausch“. „Die“ sollten „kotzen vor Wut“ über ihn, sagt er vor Gericht, ja,
       ihn genau so in Erinnerung behalten. Auch wenn er eigentlich eine ganz
       andere politische Einstellung habe. Aber hier geht es gar nicht um Politik
       oder Meinungen. Eher schon um die Geschichte von Herrn S.
       
       „Ich bin psychisch gestört“, sagt Herr S. Ein gerichtlich bestellter
       Gutachter attestierte ihm eine „krankhafte seelische Störung“. Was nicht
       bedeuten muss, das er auch schuldunfähig war. Er sei „intellektuell einfach
       strukturiert“, heißt es über ihn, jedoch nicht schwachsinnig. Dafür
       „ängstlich-depressiv“. S. nimmt heute Psychopharmaka, ist in
       psychologischer Behandlung, war lange Alkoholiker.
       
       Von seinem Vater sei er als Kind wiederholt misshandelt worden, von
       Schlägen ist die Rede, und davon, dass der Vater, ein Autoschlosser aus
       Hastedt, ihn einen „Unfall“ nannte und entsprechend lieblos behandelte.
       Irgendwann schafft er zumindest den Hauptschulabschluss, wird Koch, unter
       anderem bei der Bundeswehr. Später baut er im Suff einen schweren Unfall,
       wird schließlich erwerbsunfähig und fühlt sich in einer Reha-Klinik
       erstmals „wirklich angenommen und wertgeschätzt“. Heute sitzt er die meiste
       Zeit in seiner kleinen Eigentumswohnung, bekommt 813 Euro Rente und spricht
       vor allem mit seinen Wellensittichen. „Ich hab Schmerzen von oben bis
       unten“, sagt er in seinem Schlusswort, „ich kann am Leben nicht mehr
       teilnehmen.“ Im Grunde warte er nur noch auf den Tod. „Das macht alles
       keinen Spaß mehr.“ Also schrieb er eben „so einen Scheiß“.
       
       Der Knast bleibt ihm erspart, nicht mal der Staatsanwalt will ihn dahin
       schicken. Der Amtsrichter sagt, „außergewöhnlich schlimme“ Taten wie diese
       seien „empfindlich zu bestrafen“. Doch Herr S. sei „nie aufgefallen“ und
       „kein Gesinnungstäter“. 180 Tagessätze wird er zahlen müssen, macht 1.440
       Euro. Er akzeptiert. Und verschwindet.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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