# taz.de -- Gräueltaten der IS-Extremisten: Waren die keine von uns?
       
       > Musste erst der Reporter James Foley ermordet werden, damit wir die Augen
       > vor den Gräueltaten der IS-Terroristen öffnen? Opfer gab es bereits
       > zuvor.
       
 (IMG) Bild: Jesidische Flüchtlinge in der Türkei: Müsste die Schlagzeile nicht schon lange heißen „Es hat Tausende von uns getroffen“?
       
       ERBIL taz | Jeder kann sich dieses verstörende Video ansehen: Wie James
       Foley auf dem sandigen Boden kniet, kahlgeschoren und mit einem
       orangefarbenen Gewand, wie sie auch Gefangene im US-Gefangenenlager Abu
       Ghraib nahe von Bagdad tragen mussten. Hinter Foley steht ein schwarz
       vermummter Dschihadist der Gruppe Islamischer Staat (IS), mit einem Messer
       in der Hand. Der US-Fotograf spricht in die Kamera zu seinem Bruder, einen
       US-Soldaten, und sagt, nicht der IS, sondern die US-Regierung ermorde ihn.
       Dann wird Foley enthauptet.
       
       Die Echtheit des am Dienstagabend veröffentlichten Videos wurde
       mittlerweile vom Weißen Haus bestätigt. Foley wurde seit November 2012 in
       Syrien vermisst, IS-Extremisten sagen in dem Video, sie hätten ihn aus
       Rache für die US-Luftschläge im Norden des Iraks umgebracht.
       
       Sollte Washington seine Angriffe nicht einstellen, würden weitere Reporter
       sterben, drohen sie. Dann wird die Weltöffentlichkeit noch mehr solcher
       brutalen Propagandavideos ertragen müssen – oder sich daran gewöhnen und
       einfach wegschauen. Denn Fotos von enthaupteten IS-Opfern werden bereits
       seit Wochen auch in etablierten Medien gezeigt. Zwar selten in den
       deutschen, aber sehr wohl in den ausländischen Medien.
       
       Aber erst die Hinrichtung Foleys, so scheint es, hat der Weltöffentlichkeit
       klar gemacht, wie barbarisch die IS tatsächlich ist. Die Opfer im Irak
       haben erst durch Foley ein Gesicht bekommen. Dass seit Monaten, weniger
       spektakulär, Tausende Menschen von den Dschihadisten ermordet werden, war
       da bereits zu einer Randnotiz in der Berichterstattung verkommen.
       
       ## „Es hat einen von uns getroffen“
       
       Der Tross von Flüchtlingen sucht noch immer Schutz im Bürgerkriegsland
       Syrien, während die internationale Gemeinschaft sich nicht einigen mag, wie
       sie genau mit der IS umgehen soll. Ob mit Gebetskreisen, Diskussionsrunden
       oder Teezirkeln? Bis zur jetzigen Veröffentlichung des Propagandavideos.
       
       „Es hat einen von uns getroffen“, titelte Zeit Online zu einem Nachruf auf
       Foley. So ähnlich war das am Mittwoch und Donnerstag überall zu lesen, zu
       hören, zu sehen. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Hinrichtung:
       „Kein gerechter Gott würde hinter dem stehen, was sie gestern getan haben
       und was sie jeden einzelnen Tag tun.“
       
       Der Präsident kündigte eine Fortsetzung der Luftschläge an. Auch
       Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte auf das Schicksal Foleys.
       Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, das Enthauptungsvideo zeige „die
       wirklich erbarmungslose Ermordung eines Menschen“. Die Bundesregierung will
       die kurdischen Kämpfer und die irakische Armee jetzt doch mit Waffen
       unterstützen. Aber brauchte es erst einen toten, westlichen Journalisten,
       um sich zum Handeln durchzuringen?
       
       ## Der rote Buchstabe N
       
       Die Menschen im Irak sind nicht auf der Flucht, weil ihnen ihre Tapete
       daheim nicht mehr gefällt. Sie mussten ihr Zuhause verlassen, weil
       Terroristen durch ihre Straßen zogen, um an ihre Häuserwände mit roter
       Farbe den Buchstaben N für „Nasrani“, Christ, zu schmieren. Sie schleppen
       sich durch das Land, weil die Dschihadisten ihre Dörfer einnahmen, über die
       Lautsprecher der Moscheen den Christen und Jesiden ein Ultimatum stellten,
       entweder zum Islam überzutreten, Steuern zu zahlen oder das Land zu
       verlassen.
       
       Wer sich weigere, werde getötet, erzählen die Flüchtlinge einhellig, zum
       Beispiel in Fishkhabour an der syrisch-irakischen Grenze oder in einem der
       zahlreichen Flüchtlingscamps im nordirakischen Erbil. Sie fliehen in das
       karge Sindschar-Gebirge, weil sie eigenen Schilderungen zufolge
       Massenexekution miterlebten, und als sie morgens aufstanden, waren die
       Köpfe der Opfer am Stadtrand am Zaun aufgespießt. Aber anscheinend brauchte
       es erst einen ermordeten Fotografen, um wirklich jedem zu verdeutlichen,
       wie unberechenbar die IS ist. Waren weniger martialische Ermordungen von
       Einheimischen nicht ausreichend genug? Müsste die Schlagzeile nicht schon
       lange heißen „Es hat Tausende von uns getroffen“?
       
       Die Brutalität, die Foley erleiden musste, ist mit Worten nicht zu fassen.
       Es geht auch nicht darum, Leid gegen Leid aufzuwiegen – das wäre eine
       moralisch-ethische Bankrotterklärung. Aber es bleibt der bittere
       Nachgeschmack, dass Leben ausländischer Journalisten mehr wert sind als die
       der Einheimischen.
       
       21 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cigdem Akyol
       
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