# taz.de -- Landtagswahl in Sachsen: Die Kampfwalze tritt leise ab
       
       > Über Karl Nolle (SPD) stolperten in Sachsen Ministerpräsidenten und
       > andere Amtsträger. Nach der Wahl wird er nicht mehr im Parlament sitzen.
       
 (IMG) Bild: Der Aufklärer Karl Nolle und seine verschriftlichten Erkenntnisse
       
       Der unauffällige Abschied des SPD-Abgeordneten Karl Nolle aus dem
       sächsischen Landtag passt eigentlich nicht zu Attributen wie „Kampfwalze“
       oder „Schlachtross“, die ihm weniger wegen seiner Körperfülle verliehen
       wurden. Die ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg
       Milbradt (beide CDU) sind nur die prominentesten Politiker, die über Nolles
       Enthüllungen und bohrende Anfragen stürzten. Nach 15 Jahren scheidet nun
       ein Mann aus dem sächsischen Landtag, der den einen als Provokateur
       verhasst ist, von anderen als der „letzte echte Juso“ verehrt wird.
       
       Voller Stolz verweist der 1945 geborene Niedersachse auf seine
       sozialdemokratischen Vorfahren. Schon der Urgroßvater saß wegen seiner
       Einstellung im Gefängnis, ein renitentes Gen scheint über Generationen in
       der Familie zu liegen. Karl Nolle trat 1963 in die SPD ein, war später
       neben Gerhard Schröder Juso-Vize in Hannover.
       
       1986 flog er aus der Partei wegen „Unterstützung einer feindlichen
       Organisation“ – der Grünen. Zwei Jahre später durfte er wieder in die SPD,
       blieb aber stets ein Linker unter den oft nur halblinken Genossen. „Es gibt
       leider zu viele SPD-Mitglieder und zu wenige Sozialdemokraten in der
       Sachsen-SPD“, ätzt er bis heute.
       
       Am 9. November 1989 kam er nach Dresden, übernahm wenig später mit seiner
       Frau eine marode Druckerei. Das Druckhaus Dresden wurde sein
       unternehmerisches Lebenswerk, die Mitarbeiterbeteiligung entsprach
       sozialdemokratischen Idealen. Seinen Ruf als „Chefaufklärer“ in Sachsen
       erwarb sich Karl Nolle nach seinem Einzug in den Landtag 1999.
       
       ## Kontrolle der Macht
       
       Bis heute betont er den Kontrollauftrag des Parlaments gegenüber der
       Regierung, den er nur konsequent wahrgenommen habe. Seine Landtagsanfragen
       zu Privilegien Kurt Biedenkopfs ließen 2001 den Stern von „König Kurt“
       schneller sinken.
       
       Nolle verhält sich wie ein investigativer Journalist mit angeschlossener
       PR-Agentur. Die Informationen, die er eifrig streut, stammen oft von
       Unzufriedenen aus dem Regierungsapparat selbst. Was als Kontrolle der Macht
       gerechtfertigt werden kann, ist doch auch Ausdruck einer regelrechten
       Jagdleidenschaft des Abgeordneten.
       
       Stolz listet er fast 20 prominente Amtsträger auf, die Karl Nolle zumindest
       einen Karriereknick verdanken. Das Buch „Sonate für Blockflöten und
       Schalmeien“ über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit späterer CDU-Größen
       machte ihn bei der Union endgültig zu einer Hassfigur.
       
       ## Die Rache der Königstreuen
       
       Der eher stille Nolle dieser Abschiedstage verweist auf den hohen Preis,
       den er letztlich zahlen musste. „Guten Tag, mich haben die Königstreuen
       geschickt“, stellte sich 2009 ein Steuerprüfer vor, der an der Tür des
       Abgeordneten klingelte. Er kam wegen Vorwürfen des Fördermittelbetrugs.
       Wichtige Auftraggeber sprangen daraufhin ab, Lieferantenkredite wurden
       gestrichen, die Probleme der Druckbranche kamen hinzu.
       
       Nolle verlor seine Druckerei, einigte sich 2010 mit der Staatsanwaltschaft
       auf eine Einstellung des Verfahrens und zahlte dafür 7.000 Euro. Es nutzte
       nichts, dass ihm das Finanzgericht Leipzig 2011 korrektes Handeln
       bescheinigte. Das System hatte erfolgreich zurückgeschlagen, wie er
       rückblickend kommentiert, Nolle war wirtschaftlich ruiniert. „Ich habe
       immer damit gerechnet, politisch plattgemacht zu werden, aber nicht damit,
       dass 75 Beschäftigte sozusagen in Mithaftung genommen werden.“
       
       Dieser Knick in seiner Biografie ging an dem scheinbar robusten Mann nicht
       spurlos vorbei. Psychische und physische Probleme stellten sich ein, er
       konzentriert sich auf die Mitarbeit in zwei Untersuchungsausschüssen.
       Zuletzt trat Nolle beim Abschlussbericht zum „Sachsensumpf“ noch einmal in
       Erscheinung.
       
       „Ich habe nichts zurückzunehmen“, erklärt er heute mit der ihm eigenen
       Sturheit. Der 10-Prozent-Partei SPD haben seine hartnäckigen Bohrungen
       unter den harmoniesüchtigen Sachsen jedoch kaum Imagegewinne gebracht.
       
       30 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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