# taz.de -- Die Linke in Brandenburg: Die Heimatpartei
       
       > Geräuscharm regiert die Linkspartei seit 2009 mit der SPD. Weil die
       > Wähler erwarten, dass es so weitergeht, könnten sie am Sonntag zu Hause
       > bleiben.
       
 (IMG) Bild: Linke Bundesvorsitzende Katja Kipping recht freundlich mit dem Brandenburger Spitzenkandidaten Christian Görke (r.)
       
       FALKENSEE taz | „Schwierig“, sagt Christian Görke und blickt auf das
       spärliche Publikum vor dem Bahnhof in Falkensee. Die Linkspartei hat eine
       ziemlich große Bühne aufgebaut, zwei Liedermacher engagiert, es gibt Bier
       und eine Torwand. Nur das zu überzeugende Wahlvolk ist rar. Obwohl doch
       Görke, Finanzminister in Brandenburg und Linksparteichef Bernd Riexinger
       hier sind.
       
       Falkensee liegt ein paar Kilometer vor der Berliner Stadtgrenze und ist
       untypisch für Brandenburg. Das Land schrumpft – doch die Einwohnerzahl von
       Falkensee hat sich seit der Wende verdoppelt. Viele Westler pendeln von
       hier nach Berlin – das macht den Ort für die Linke zu schwierigem Terrain.
       „In Wittstock und Bernau“, sagt Görke, „waren Hunderte bei unseren
       Veranstaltungen.“ Die Linkspartei ist erfolgreich, wo der Osten noch Osten
       und wo sie Heimatpartei ist. Da tritt sie als Kümmererpartei auf, die
       hilft, Alltagsprobleme zu bewältigen.
       
       Seit 2009 regieren die Genossen ziemlich unauffällig an der Seite der SPD
       in Potsdam. Eine Stasi-Affäre am Anfang, danach lief es recht geräuschlos.
       Die Zahlen sind recht gut: Es gibt 35.000 neue Jobs. Seit drei Jahren hat
       Rot-Rot keine neuen Schulden gemacht. Trotzdem gab es mehr Mittel für Kitas
       und Lehrer. Rot-Rot schaffte die Residenzpflicht für Asylbewerber ab und
       machte es zur Auflage, dass Aufträge des Landes nur an Firmen gehen, die
       den Mindestlohn zahlen.
       
       Das ist nichts Weltbewegendes, aber unter den hiesigen Bedingungen
       vorzeigbar. Denn Brandenburg ist arm. Wie man Facharbeitermangel und die
       rapide Entvölkerung in Nordbrandenburg in den Griff kriegen kann, weiß
       niemand. Alle Versuche der SPD in den letzten 20 Jahren, Großprojekte
       anzusiedeln, endeten in Pleiten. „Rot-Rot“, sagt Görke, „hat kein
       Krankenhaus und keine Schule geschlossen.“ Das ist schon ein Erfolg.
       
       ## Erdverbunden, unspektakulär
       
       SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und der Chef der Linkspartei können
       gut miteinander. Beide sind keine schwungvollen Redner. Eher erdverbundene
       Männer, die interessiert, was geht und was nicht geht. „Wir sind uns
       ähnlich“, sagt Görke. So klingt es, wenn zwei sozialdemokratische Parteien
       miteinander regieren.
       
       Der Wahlkampf verläuft unspektakulär – vor allem seit Woidke vor zwei
       Wochen signalisiert hat, dass die SPD weiter mit der pflegeleichten
       Linkspartei regieren will. Die Linkspartei war davon überrascht. Der Jubel
       über Woidkes Bekenntnis ist in der Zentrale der Linkspartei allerdings
       inzwischen verhallt. Seitdem, so Parteichef Görke, „haben viele das Gefühl,
       sie könnten die Füße hochlegen“. Denn nun fehlt dieser Wahl scheinbar jede
       Spannung. Gerade deshalb sind für die Genossen unschöne Überraschungen
       möglich.
       
       2009 fand die Landtagswahl parallel zur Bundestagswahl statt. Damals
       wählten 72 Prozent in Brandenburg – am Sonntag werden es wohl weniger als
       50 Prozent sein. Und: Wenn beide Regierungsparteien ihre Klientel nicht
       mobilisieren und deutlich verlieren, dann kann die SPD ins Grübeln kommen,
       ob sie nicht besser zur CDU wechselt.
       
       Für die Linkspartei steht am 14. September noch etwas auf dem Spiel. Wo sie
       regierte, in Schwerin und Berlin, wurde sie bei Wahlen bisher mitunter
       drastisch bestraft. Diese Wahl könnte das Gegenteil beweisen. Görke zitiert
       eine interne Umfrage unter Genossen und Stammklientel. Derzufolge wollen 80
       Prozent, dass die Linkspartei regiert. Klar ist aber auch: Regieren wird
       noch schwieriger. Die EU-Förderung sinkt. Und wohl noch vor 2019 werden 800
       Brandenburger in Welzow in der Lausitz den Braunkohlebaggern weichen.
       
       Die SPD will dies unbedingt, die Linkspartei, die einst ein – verlorenes –
       Volksbegehren gegen den Braunkohleabbau unterstützte, hat kürzlich einem
       Vorratsbeschluss dafür zugestimmt. Das hat ihr Proteste von Greenpeace
       eingebracht. Die Brandenburger Genossen, eher konfliktscheu, machten dabei
       keine gute Figur. Wenn die Bagger rollen, wird das nicht anders werden.
       
       ## Keine Balance zwischen Kreativität und Solidität
       
       Ein Malus für die Linkspartei war der affärenbedingte Rücktritt des
       Justizministers Volkmar Schöneburg. Denn der setzte eine liberale
       Justizreform um und verströmte eine Intellektualität, die bei den
       Brandenburger Genossen so rar ist wie das Volk an diesem Nachmittag in
       Falkensee. Seit Schöneburgs Rücktritt fehlt die Balance zwischen
       Kreativität und Solidität.
       
       Görke, Jeans, Turnschuhe, weißes Hemd, ist 52 Jahre alt. Früher war er
       Lehrer für Sport und Geschichte. In den 80er war er in der SED, später in
       PDS und Linkspartei. Sozialdemokraten loben ihn als patent, kenntnisreich,
       verlässlich. In Falkensee schießt er auf die Torwand. Ohne Erfolg. „Ich
       habe auf der ganzen Tour nur ein Mal getroffen“, sagt er.
       
       In einer knappen Rede warnt er dann noch vor der CDU. Die wolle 1,6
       Milliarden Euro mehr ausgeben, Geld, das das Land nicht habe. „So geht es
       nicht“, ruft er energisch. Brandenburg ist wohl das einzige Bundesland, in
       dem die Linkspartei der CDU mangelnde Haushaltdisziplin vorhält.
       
       8 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahlen
 (DIR) Parteien
 (DIR) Brandenburg
 (DIR) Schwerpunkt Ostdeutschland
 (DIR) Die Linke
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahlen
 (DIR) Braunkohle
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahlen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ex-Fraktionschefin der Linkspartei: „Wir waren nicht selbstbewusst genug“
       
       Kerstin Kaiser fordert mehr Selbstkritik. Außerdem sollen sich Ministeramt
       und Parteivorsitz bei der Linken künftig ausschließen.
       
 (DIR) FDP vor den Wahlen in Ostdeutschland: Liberale im Strudel
       
       Vor den Wahlen in Thüringen und Brandenburg blickt die FDP auf die Scherben
       ihrer Existenz. Ein Besuch bei ihrer Bundesgeneralsekretärin in Berlin.
       
 (DIR) Lobbyismus in Brandenburg: Alle wollen Kohle
       
       Greenpeace entlarvt in einer Untersuchung das Netzwerk der Kohlefans in
       Brandenburgs Politik. Außer den Grünen sind alle Parteien für den
       Klimakiller.
       
 (DIR) Wahlkampf in Brandenburg: Woidke ja, Essigschlürfer nein
       
       Der Ministerpräsident punktet mit seiner trockenen Art. Aus dem Reizthema
       Flughafen hält er sich vorsichtshalber raus.
       
 (DIR) Wahl in Brandenburg: Auseinandergelebt
       
       Am 14. September wird in Brandenburg ein neues Parlament gewählt. Von einer
       Fusion mit Berlin spricht niemand mehr.