# taz.de -- Branchenmesse Wind Energy Hamburg: Die Kraft der drei Blätter
       
       > Nach der EEG-Novelle kann die Windkraft-Industrie vor allem offshore
       > weiter wachsen. Es besteht die Gefahr, dass sich nur noch die großen
       > Konzerne durchsetzen.
       
 (IMG) Bild: Ab Dienstag trifft sich die Windindustrie zum größten Event der Branche in Hamburg: Vor den Messehallen wird ein Windradflügel präsentiert
       
       HAMBURG taz | Die einen finden, es sei gerade noch mal gut gegangen, andere
       nennen die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) einen
       „Systemwechsel“, der die Energiewende verlangsamt – und entdemokratisiert.
       Die fast 25 Jahre währende Erfolgsgeschichte der Windindustrie, die
       besonders Norddeutschland zugute gekommen ist, wird sie jedenfalls nicht
       beenden. Am Dienstag beginnt die größte Messe der Branche in Hamburg.
       
       2012 kamen nach Angaben des Bundesverbandes der Energie und
       Wasserwirtschaft (BDEW) schon 22 Prozent des in Deutschland erzeugten
       Stroms aus erneuerbaren Quellen, sieben Prozent aus Wind. In
       Schleswig-Holstein wie in Niedersachsen hat sich die installierte Leistung
       der Windkraftanlagen in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
       Niedersachsen kann mit einer installierten Leistung von 7.600 Megawatt mit
       Abstand am meisten Windstrom erzeugen. Das wesentlich kleinere
       Schleswig-Holstein folgt mit 3.900 Megawatt auf Platz vier, hinter
       Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
       
       Die Windindustrie schafft Arbeitsplätze: Nach Angaben der Agentur für
       Erneuerbare Energien waren 2012 in Schleswig-Holstein 7,1 von Tausend
       Arbeitnehmern in der Branche beschäftigt, in Niedersachsen 7,7, in Bremen
       sogar 12,6. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,2. Die Stromkunden ließen in
       Niedersachsen mehr als eine Milliarde Euro an Einspeisevergütung liegen, in
       Schleswig-Holstein eine halbe Milliarde. Und das Geschäft mit der
       Offshore-Windindustrie, das der Küste zusätzliche Arbeitsplätze bringen
       wird, läuft erst an.
       
       ## Offshore boomt weiter
       
       Die Windenergie auf See macht der Branche nach der Novellierung des EEG,
       die seit dem 1. August in Kraft ist, am wenigsten Sorgen. „Mit Blick auf
       Offshore sind wir zufrieden mit dem Maß an Verlässlichkeit, die das EEG
       bietet“, sagt Gunnar Groebler, der bei Vattenfall das Geschäft mit den
       erneuerbaren Energien in Kontinentaleuropa und Großbritannien verantwortet.
       „Wir waren die Ersten, die nach der EEG-Novelle eine
       Investitionsentscheidung getroffen haben“, sagt Groebler. Zusammen mit den
       Stadtwerken München wollen die Schweden westlich von Sylt den Windpark
       „Sandbank“ mit 288 Megawatt Leistung bauen.
       
       Nebenan haben die beiden Partner gerade das letzte Windrad für den Park
       „Dan Tysk“ aufgestellt. Jetzt warten sie darauf, dass die Konverterstation
       des Netzbetreibers Tennet in Betrieb geht, die den Wechselstrom der
       Windkraftanlagen in Gleichstrom verwandelt und an Land schickt. Aus
       Groeblers Sicht kommt es beim weiteren Ausbau der Offshore-Windkraft darauf
       an, den Bau der Windparks mit dem Netzausbau besser zu synchronisieren.
       Derzeit werde das Netz an Stellen ausgebaut, wo es noch gar keine
       genehmigten Parks gebe.
       
       Trotz der großen Schwierigkeiten, mit denen die ersten Offshore-Windparks
       zu kämpfen haben, ist Groebler optimistisch. „Beim Bau gibt es noch
       ziemliche Risiken“, sagt er, „das heißt aber nicht, dass wir sie nicht
       beherrschen können.“ Dafür ließen sich die Anlagen auf dem Meer viel
       effizienter nutzen als die an Land. Groebler rechnet beim Projekt Sandbank
       mit 4.800 bis 5.000 Volllaststunden. „Damit sind wir im Bereich eines
       Steinkohlekraftwerks“, sagt er. Das deutsche Offshore-Test-Windfeld Alpha
       Ventus, das näher an der Küste liegt, kommt auf 4.260 Volllaststunden.
       Anlagen an Land liefen dagegen 2011 in Schleswig-Holstein nur 2.025
       Volllaststunden, in Niedersachsen 1.793.
       
       „Die Lernkurve, die wir in den 90er-Jahren an Land hatten, werden wir jetzt
       offshore haben“, prognostiziert Jan Rispens, Geschäftsführer des Clusters
       Erneuerbare Energien Hamburg. Mit den jetzt festgelegten
       Einspeisevergütungen für Offshore-Windkraftanlagen werde die Branche gut
       leben können, sagt Rispens – zumal einige Hersteller damit rechneten, die
       Kosten in den nächsten zehn Jahren um 30 bis 40 Prozent zu drücken.
       
       Auch die Aussichten für die Windkraft an Land beurteilt er günstig. „Die
       EEG-Novelle hat klar gemacht, dass die Windenergie die tragende Säule der
       Energiewende bleiben wird“, sagt er. An guten Küstenstandorten sei die
       Windenergie mit Erzeugungskosten von sechs Cent pro Kilowattstunde heute
       schon konkurrenzfähig mit Gaskraftwerken. Und die Hersteller arbeiteten
       daran, die Kosten weiter zu senken.
       
       Jens Heidorn, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Windenergie (BWE),
       ärgert sich dennoch über die Gesetzesänderung. Der Ingenieur nennt sie
       „EEG-Deform“, weil der Gesetzgeber die Direktvermarktung und die
       Ausschreibung von Windkraftvorhaben zur Pflicht machte. Heidorn: „Mit einem
       Handstreich ist ein doppelter Systemwechsel vollzogen worden.“
       
       ## Die „EEG-Deform“
       
       Bisher sei der Strom an Land durch die Netzbetreiber vergütet worden.
       Künftig müssten Anlagenbetreiber den Strom an der Börse vermarkten, um
       Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen. Das sei bisher zwar
       auch schon möglich, aber eben nicht verpflichtend gewesen und knapse an der
       Marge, weil die Provision des Vermarkters bezahlt werden müsse – sein
       Verband versucht deshalb, Wege der Direktvermarktung ohne Makler zu finden.
       Außerdem sei es derzeit nicht möglich, langfristige
       Direktvermarktungsverträge abzuschließen, sagt Heidorn. Dadurch werde es
       schwerer, die Anlagen zu finanzieren.
       
       Unklar sei, wie die ab 2017 geltende Pflicht zur Ausschreibung neuer
       Projekte wirke. Anderswo sei die Windkraft dadurch teurer geworden – das
       Gegenteil erhofft sich die Bundesregierung. Vermutlich würden sich bei den
       Auktionen vor allem große Akteure durchsetzen, weil es diesen leichter
       falle, das günstigste Angebot abzugeben. Bei Vorlaufzeiten von zwei bis
       fünf Jahren sei überdies eine Übergangsregelung nötig, sonst werde es eine
       Zeitlang gar keine neuen Projekte mehr geben. Für Heidorn steht fest: „Wir
       haben ein Riesenproblem an der Backe.“
       
       Der Traum von einer dezentralen Energieversorgung in Bürgerhand – ohne
       aufwendige Infrastruktur, Leitungsverluste und mit breit gestreuten
       Einnahmen – werde durch die Reform gefährdet, befürchtet Heidorn. Sinke die
       Vergütung, würden windschwache Standorte in Süddeutschland unrentabel. Das
       stelle die Ausbauziele der Bundesregierung zur Disposition. Das Gleiche
       gelte für die Deckelung des Ausbaus auf 2.500 Megawatt im Jahr. „Bei der
       günstigsten erneuerbaren Energie ist das nicht nachvollziehbar“, sagt
       Heidorn.
       
       Der Anlagenplaner wirft Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor,
       mit der Novelle „relativ eindeutig pro Kohle“ gehandelt zu haben. Der
       Vorwurf, erneuerbare Energien trieben die Energiekosten in die Höhe, sei
       unsinnig, denn die Regierung rechne konventionelle Energieträger
       systematisch billig, etwa indem sie sich um die Folgen des Klimawandels
       nicht schere.
       
       Jan Rispens sieht das auch so, drückt es aber anders aus: Die von den
       Stromkunden zu bezahlende EEG-Umlage sei nur deshalb so hoch, weil
       klimaschädlicher Strom viel zu billig sei. Viel zu viele
       CO2-Emissionszertifikate seien ausgeteilt worden, sodass der Preis für
       Strom aus Kohle ins Bodenlose gefallen sei. Die EEG-Umlage deckt die Lücke
       zwischen dem Börsenpreis für Strom und der festen Einspeisevergütung für
       grünen Strom.
       
       Den großen Vorteil des EEG erkennt Rispens darin, dass es bisher nicht
       grundsätzlich infrage gestellt wurde und eine langfristige Planung
       ermöglichte. Jetzt würden viele Investoren versuchen, noch unter den alten
       Förderbedingungen zu bauen. „Es wird Vorzieh-Effekte geben“, prognostiziert
       der Cluster-Manager. Für die Jahre 2014 bis 2016 sei daher mit einem
       überdurchschnittlichen Zuwachs zu rechnen. Dadurch könnten sich die
       Baukosten aufblähen.
       
       ## Mehr Windpark-Flächen
       
       Die Regierung aus SPD, SSW und Grünen in Kiel ist jedenfalls entschlossen,
       die Windenergie weiterhin kräftig auszubauen. Im Dezember hat sie die
       Eignungsgebiete, auf denen Windkraftanlagen gebaut werden können,
       verdoppelt. Schleswig-Holstein setzt wie Niedersachsen beim Ausbau der
       Windkraft auf Repowering. Beide Länder gehören zu den Pionieren der
       Windkraft, sodass es sich hier besonders lohnt, kleine Anlagen durch
       effizientere große zu ersetzen. Je höher die Anlagen sind, desto mehr
       Windenergie können sie abschöpfen. Windrädern mit mehr als 100 Metern
       Nabenhöhe stehen jedoch an vielen Orten Höhenbegrenzungen und der
       Widerstand der Anwohner entgegen.
       
       19 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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