# taz.de -- 25 Jahre Mauerfall: Wie die DDR Vertrauen schafft
       
       > Als Kind im Osten fantasierte man ständig vom Westen, im Westen hatte man
       > vom Osten keine Ahnung. Ist das bis heute so geblieben?
       
 (IMG) Bild: Detlev Buck als Volkspolizist in „Sonnenallee“: Viele Westjugendliche haben ihr Ostbild aus dem Fernsehen.
       
       Kennen Sie eine Westdeutsche? Haben Sie sich schon mal einen Ostdeutschen
       getroffen? So richtig von Angesicht zu Angesicht?
       
       Wenn Sie zufällig aus Westdeutschland stammen und zwischen 16 und 29 Jahren
       alt sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering, dass sie
       Ostdeutsche vor allem aus dem Fernsehen kennen. Das ergibt eine Umfrage des
       Forschungsinstituts Forsa. Ostler machen sich von Westlern deutlich
       häufiger ein Bild „aufgrund eigener Erfahrung“, [1][wie Forsa mit einer
       Befragung herausfand]. Immerhin 67 Prozent der Ostdeutschen geht es so. 43
       Prozent der Westdeutschen geben dagegen die Antwort mit dem Fernsehen.
       
       Ostler? Westler? 25 Jahre nach dem Mauerfall könnte man das auch für
       überkommene Kategorien halten. Vielleicht kommen die Zahlen auch nur so
       zustande, dass diese Westdeutschen gar nicht wissen, wie viele Ostdeutsche
       sie kenne, weil das eben bei diesen Nachgeborenen kaum noch eine Rolle
       spielt.
       
       ## 19 Prozent noch nie im Osten
       
       Die Hauptaussage der Forsa-Befragung ist schließlich die: Die meisten
       jungen Leute sehen deutlich mehr Verbindendes als Trennendes, wenn es um
       die Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Je später nach dem Mauerfall
       sie geboren wurden, desto häufiger geht ihnen das so.
       
       Trotzdem, es gibt auch andere Zahlen, die einen in den Tagen der Festreden
       und Unrechtsstaatsbekräftigungen nachdenken lassen: 19 Prozent der
       Westdeutschen beispielsweise waren noch nie im Osten, hat [2][//:das
       Umfrageinstitut Info GmbH einmal festgestellt]. Nur ein Prozent der
       Ostdeutschen war noch nie im Westen.
       
       Auch der Schriftsteller Jochen Schmidt, aufgewachsen in Ost-Berlin, hat
       sich den Westen nach dem Mauerfall einmal angesehen. Er beschloss dann
       aber, seine alte Heimat lieber nicht mehr zu verlassen: „Die ersten Reisen
       in den Westen hatten ja gezeigt, dass es dort überall wie in alten
       Derrick-Folgen aussah. Berlin war mein Zuhause, in meiner Hinterhofwohnung
       lebte ich wie in einer Berghütte, mit Blick auf eine malerische Schlucht
       und mit einem Kohlefeuer, das mich im Winter wärmte. Die Miete machte mir
       keine Kopfschmerzen. So hätte es, von mir aus, für immer bleiben können.“
       
       Mit seinem Autorenkollegen David Wagner, aufgewachsen in Bonn, hat Schmidt
       gerade das Buch „Drüben und drüben“ veröffentlicht, in dem sie sich an ihre
       Kindheiten in der DDR und der BRD erinnern. Für die Titelgeschichte der
       [3][taz.am wochenende vom 11./12. Oktober 2014] schreiben Schmidt und
       Wagner nun über die „Kindheit des anderen“. Schmidt stellt sich vor, wie es
       gewesen wäre, wenn er an Wagners Stelle im Westen gewesen wäre – mit
       Milchschnitte, Putzfrau und Pizza mit dem Käse im Rand.
       
       ## „Damals verschwendete ich keinen Gedanken an den Osten“
       
       „Wo“, fragt der dann, „kann man heute schon noch in einem anderen
       Gesellschaftssystem aufwachsen? In dem Geld kaum eine Rolle spielt?“ Seine
       Herkunft werde ihn immer prägen: „Und unsere Schutzmacht, das klingt für
       mich immer unbegreiflicher, war die Sowjetunion. Ihre Kulturangebote und
       Sprache hat man damals als lästig empfunden, während ich die Berührung
       damit heute als Horizonterweiterung schätze, schon weil ich mich dadurch in
       Osteuropa überall zu Hause fühle, wo die Menschen oft mehr Vertrauen haben,
       sobald geklärt ist, aus welchem Deutschland man stammt.“
       
       David Wagner wiederum, der im vergangenen Jahr für sein Buch „Leben“ den
       Preis der Leipziger Buchmesse erhielt, kann sich auch im Nachhinein schwer
       vorstellen, wie das im Osten gewesen wäre. „Damals, als ich Kind war,
       verschwendete ich keine Gedanken an den Osten. Wir wussten fast nichts von
       der DDR“, schreibt er in der taz.am wochenende. „Wir wussten, dass es sie
       gab, ja, sie kam hin und wieder in den Nachrichten vor - wieder Schüsse an
       der innerdeutschen Grenze, neue Selbstschussanlagen installiert, politische
       Gefangene freigekauft -, ansonsten aber existierte sie eher nicht. Filme
       und Serien spielten in Amerika, in Frankreich, Italien oder England, einige
       auch in einem Land, das Tschechoslowakei oder CSSR hieß. Nie jedoch in der
       DDR. Halt, eine Ausnahme: Präsent war die DDR bei Olympischen Spielen und
       Weltmeisterschaften, die nichts mit Fußball zu tun hatten.“
       
       Spiegelt sich in diesem Ungleichgewicht der Kindheitserinnerung von zwei
       Schriftstellern ein Ungleichgewicht der gesamtdeutschen Erinnerungskultur?
       Sollten sich Leute in Westdeutschland mehr für den Osten interessieren?
       Oder sind Kategorien wie Ost und West längst im gesamtdeutschen Alltag
       aufgegangen? 
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „Die Kindheit des anderen“ lesen Sie in der [4][taz.am
       wochenende vom 11./12. Oktober 2014].
       
       10 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.studieren-in-fernost.de/de/meta/pressebereich/pressemitteilungen-kampagne/pm-141006.html
 (DIR) [2] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
 (DIR) [3] /!147361/
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Gernert
       
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