# taz.de -- Die Wahrheit: Museumsreife Korruptionskultur
       
       > Eine „demokratische Revolution“ hatte die Regierungskoalition aus Fine
       > Gael und Labour den Iren versprochen. Und: keine Korruption mehr.
       
       Eine „demokratische Revolution“ hatte die Regierungskoalition aus Fine Gael
       und Labour den Iren versprochen, als sie 2011 ihr Amt antrat: Keine
       Korruption mehr, keine Vetternwirtschaft. Wie sollte das gehen? Bei
       irischen Politikern ist die Bestechlichkeit angeboren, und die
       Günstlingswirtschaft wird ihnen in die Wiege gelegt. Es ging dann ja auch
       nicht. Aus der versprochenen „Kultur der Integrität“ wurde nichts, weil man
       vergaß, das Wort im Lexikon nachzuschlagen.
       
       Premierminister Enda Kenny hat seine eigene Interpretation von Integrität.
       Weil ein Posten im Senat freigeworden war, wollte er ihn seinem Kumpanen
       John McNulty zuschanzen. Der war bei den Kommunalwahlen gescheitert, als er
       nur zehnter von zwölf Kandidaten wurde.
       
       Doch der freie Senatsposten war Menschen vorbehalten, die nachweisen
       konnten, dass sie über „Wissen und praktische Erfahrung“ in kulturellen
       Angelegenheiten verfügen. Dieser Bereich ist bei McNulty vakant. Also
       hievte ihn Kenny kurzerhand in den Aufsichtsrat des Irischen Museums für
       moderne Kunst.
       
       McNulty kann zwar nicht zwischen einem Feuerlöscher und einem Damien Hirst
       unterscheiden, doch er reichte flugs seine Kandidatur für den Senat ein,
       denn nun konnte er ja drei Stunden Erfahrung in einer kulturellen
       Institution nachweisen. Die Iren waren nicht überrascht. 80 Prozent von
       ihnen halten ihre Politiker für korrupt. Die restlichen 20 Prozent sind
       Politiker.
       
       Micheál Martin, Chef der Oppositionspartei Fianna Fáil, protestierte
       lautstark gegen Kennys Trickserei. Irland brauche Fianna Fáil mehr denn je,
       behauptete Martin: Er wolle nächster Premierminister werden. Die Nation war
       schockiert.
       
       Der bedauernswerte Mann litt unter akuter Amnesie. Er hatte glatt
       vergessen, dass er Minister für Gesundheit, Bildung, Arbeit und auswärtige
       Angelegenheiten war – und zwar im Kabinett von Bertie Ahern, der selbst für
       irische Verhältnisse außergewöhnlich korrupt war. Diese Regierung führte
       Irland durch ihre törichte Bankengarantie an den Rand des Staatsbankrotts.
       Irland braucht Martin so nötig wie eine Ebola-Epidemie. Oder einen Senator
       John McNulty.
       
       Dem war die ganze Sache inzwischen peinlich, zumal sich der
       Premierminister, der ihm alles eingebrockt hatte, von ihm distanzierte.
       McNulty wollte seine Kandidatur zurückziehen, aber dafür war es zu spät.
       Die Wahlzettel waren bereits gedruckt. So bat McNulty, ihn auf keinen Fall
       zu wählen.
       
       Das wäre fast schiefgegangen, McNulty unterlag nämlich nur knapp dem
       Exsoldaten der britischen Armee, Gerard Craughwell, welcher mit Hilfe der
       Stimmen von Sinn Féin, dem politischen Flügel der aufgelösten
       Irisch-Republikanischen Armee (IRA), den Sieg errang. Vor 20 Jahren hätten
       sie ihn erschossen, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte.
       
       McNulty managt jetzt wieder einen Supermarkt im Nordwesten der Insel.
       Vielleicht kann er sich ja revanchieren und seinem Freund Kenny einen Job
       als Regalauffüller anbieten, wenn der endlich aus dem Amt gejagt wird. Ganz
       demokratisch, versteht sich.
       
       12 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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