# taz.de -- EM-Quali-Spiel Serbien gegen Albanien: Fahne des Anstoßes
       
       > Eine Drohne mit der Flagge Großalbaniens fliegt über den Platz, eine
       > Prügelei beginnt, das Spiel wird abgebrochen. Serbien fühlt sich
       > provoziert.
       
 (IMG) Bild: Wüste Szenen in Belgrad: Spieler und Fans rangeln miteinander und um die Flagge
       
       BELGRAD taz | Plötzlich passierte doch etwas völlig Unerwartetes. Mit
       allerlei hatte man in Belgrad gerechnet. Schließlich wurde das
       EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien am Dienstagabend vorab
       als Spiel mit hohem Sicherheitsrisiko eingestuft. Böses Blut gibt es
       zwischen den Völkern wegen des Kosovo und der Lage der albanischen
       Minderheit in Serbien. Die albanischen Fans waren deshalb ausgeschlossen –
       genauso wie die serbischen fürs Rückspiel in Albanien. Starke
       Sondereinheiten der Polizei sicherten das Stadiongelände ab. Doch dann
       geschah es.
       
       Zu Ende der ersten Halbzeit, beim Stand von 0:0, flog eine Drohne über das
       Fußballfeld, ein Quadrocopter, der eine Fahne, die auf den ersten Blick wie
       die Staatsflagge Albaniens mit dem schwarzen Adler aussah, trug. Da brach
       das Tohuwabohu aus.
       
       Der serbische Innenverteidiger Stefan Mitrovic, der für den SC Freiburg
       spielt, schnappte sich mit einem Luftsprung die Fahne, albanische Spieler
       wollten daraufhin das Staatssymbol verteidigen. Eine Schlägerei brach aus,
       serbische Fans stürmten auf das Feld. Das Spiel wurde nach intensiven
       Verhandlungen zwischen Vertretern des serbischen und des albanischen
       Fußballverbands und der Uefa abgebrochen. Der europäische Fußballverband
       wird in naher Zukunft ein Urteil über den politisch heiklen Vorfall
       abgeben.
       
       Der Kapitän des serbischen Teams, Branislav Ivanovic, erklärte hernach, die
       Uefa sei für die Fortsetzung des Spiels gewesen, die albanische Mannschaft
       habe jedoch abgelehnt, weil sie dafür „physisch und psychisch“ nicht bereit
       gewesen wäre.
       
       ## Verdächtigt: der Bruder
       
       Der serbische Außenminister Ivica Dacic sprach von einer „durchdachten
       politischen Provokation“. Er betonte, Serbien trage keine Verantwortung für
       den Zwischenfall. Und serbische Medien hatten sofort einen Verdächtigen –
       Olsi Rama, den Bruder des Ministerpräsidenten Albaniens, Edi Rama, der in
       der VIP-Loge zusammen mit dem serbischen Staatspräsidenten Tomislav Nikolic
       und anderen Staatsfunktionären saß. Angeblich sollen albanische Spieler die
       Drohne mit der Fahne auf das Spielfeld geschmuggelt, und Olsi Rama sie
       ferngesteuert haben. Augenzeugen berichteten, Präsident Nikolic sei vor Wut
       „rot wie eine Tomate“ gewesen.
       
       Der Bruder des albanischen Premiers wurde stundenlang von der Polizei
       festgehalten. Laut einem der vielen Gerüchte wurde er dann wegen des
       Streiks serbischer Rechtsanwälte freigelassen. Die Formalien seiner
       Inhaftierung – zumal es sich um einen ausländischen Bürger handelte –
       hätten nicht eingehalten werden können. In Tirana angelangt, dementierte
       Olsi Rama, etwas mit der Drohne zu tun gehabt zu haben. Der Zwischenfall
       überschattet den für nächste Woche angekündigten Besuch von Edi Rama in
       Belgrad – den ersten Besuch eines Regierungschefs Albaniens nach fast
       siebzig Jahren.
       
       Die Empörung in Serbien ist um so größer, weil sich die an der Drohne
       befestigte Fahne als eine von Großalbanien herausstellte. Auf ihr sind
       nicht nur Albanien und das Kosovo eingezeichnet, sondern alle Territorien
       in der Region, auf denen mehrheitlich Albaner leben: Südserbien, fast die
       Hälfte Mazedoniens und Montenegros und ein Teil Nordgriechenlands.
       Eingerahmt war die Karte von zwei albanischen Nationalhelden. Wegen des
       albanischen „Sieges“ fanden in Tirana, Prishtina und dem mazedonische
       Tetovo Jubelfeiern statt. In Wien kam es zu Krawallen zwischen Albanern und
       Serben, die Polizei musste eingreifen.
       
       ## Weltverschwörungstheorien
       
       Und Weltverschwörungstheorien waren sofort im Umlauf – wie immer auf dem
       Balkan. Belgrad befindet sich ohnehin im Ausnahmezustand wegen des Besuchs
       von Wladimir Putin und der umstrittenen Militärparade. Man konnte hören und
       lesen, dass die „albanische Drohne“ Putin aus Sicherheitsgründen davon
       abhalten sollte, nach Belgrad zu kommen.
       
       Am Donnerstag, den 16. Oktober, wird in Belgrad nämlich mit einer
       Militärparade der 70. Jahrestag der Befreiung der einst jugoslawischen,
       heute serbischen Hauptstadt gefeiert. Man wolle, hieß es, an die in der
       nahen nationalistischen Vergangenheit stark vernachlässigte
       antifaschistische Tradition Serbiens erinnern. Dagegen gäbe es an sich
       nichts einzuwenden. Nur wurde Belgrad nicht am 16., sondern am 20. Oktober
       von Partisanen und Truppen der Roten Armee befreit.
       
       Die Parade wurde um einige Tage vorverlegt, weil Russlands Präsident
       Wladimir Putin auf dem Weg zum europäisch-asiatischem Gipfeltreffen (Asem)
       in Mailand gerade dann einige Stunden Zeit für die „serbischen Freunde“
       hat. Die schwach aufgestellte serbische Opposition sprach deshalb von einer
       „Militärparade zu Ehren Putins“.
       
       15 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Ivanji
       
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