# taz.de -- Globale Textilproduktion: Fairer Hemdenhandel mit Löchern
       
       > Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will einen Sozial- und Ökostandard
       > für die globale Textilproduktion einführen. Doch viele Unternehmen
       > mauern.
       
 (IMG) Bild: Bis zu 90 Wochenstunden zu 15 Cent: Löhne für TextilarbeiterInnen, wie hier in Bangladesch, sollen künftig zum Überleben reichen.
       
       BERLIN taz | Gerd Müller redet persönlich und eindringlich. „Als Sie heute
       morgen Ihre Kleidung aus dem Schrank holten“, sagt der
       Entwicklungsminister, „konnten Sie nicht ausschließen, dass diese unter
       menschenunwürdigen Bedingungen produziert wurde.“ 15 Cent pro Stunde
       bekämen die Textilarbeiter in Bangladesch für die Schufterei an den
       Nähmaschinen. „Diese Löhne sichern nicht die Existenz“, so Müller. „Und
       schauen wir weg, bis die nächste Fabrik einstürzt?“
       
       Vor anderthalb Jahren brach der Fabrikkomplex Rana Plaza in Bangladesch
       zusammen. Über 1.000 Beschäftigte starben. Viele von ihnen hatten auch für
       deutsche Geschäfte produziert. Am Donnerstag nun stellte CSU-Minister
       Müller seinen Aktionsplan für nachhaltige Textilien vor, der solche
       Missstände bis 2024 beseitigen soll. Außerdem gründete er das Textilbündnis
       zur Umsetzung des Plans.
       
       Akzeptable soziale und ökologische Standards in den globalen
       Zulieferfabriken – das ist das Ziel. Für eine Unterschrift gewonnen hat
       Müller zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Kampagne für Saubere
       Kleidung, den DGB und einige kleinere Firmen wie Trigema und Hess Natur,
       die bereits heute nach höheren Standards produzieren.
       
       Die konventionelle Wirtschaft beteiligte sich zwar an der Ausarbeitung des
       Aktionsplanes, verweigerte dann aber ihre Unterschrift. So fehlen auf
       Müllers Liste beispielsweise der Handelsverband Deutschland (HDE) und große
       Unternehmen wie Otto, Adidas, Puma, Metro, Aldi oder KiK. Aber auch einige
       Umweltverbände machen nicht mit: Dem World Wide Fund for Nature (WWF) und
       Greenpeace gehen die Beschlüsse des Bündnisses nicht weit genug.
       
       ## Eine Jeans nur „um einen Euro verteuern“
       
       Ein zentraler Punkt im Aktionsplan ist der existenzsichernde Lohn. Während
       die Bezahlung der Textilarbeiter heute oft nur für Nahrung und Unterkunft
       einer Person reicht, soll der Existenzlohn die Familie, die Bildung der
       Kinder und die Altersvorsorge finanzieren. Weil der Anteil der
       Arbeitskosten am Endpreis vieler Textilien so klein ist, würde die
       Lohnerhöhung etwa eine Jeans nur „um einen Euro verteuern“, sagte Müller.
       
       Die Arbeitszeit wird auf maximal 48 Stunden pro Woche plus 12 Überstunden
       festgelegt. An der Tagesordnung sind dagegen heute in Bangladesch oder
       Kambodscha nicht selten 70, 80 oder 90 Arbeitsstunden wöchentlich. Außerdem
       sollen die Zulieferfirmen gewerkschaftliche Tätigkeiten gestatten und für
       Sicherheit sorgen.
       
       Wer unterschreibe, erkenne die Verbindlichkeit dieser Standards an, sagte
       der Minister. Wobei diese Verpflichtung eine moralische und politische ist,
       keine juristische. Trotzdem wollten die großen Firmen den freiwilligen
       Standard nicht übernehmen. Sie sagen, es sei unrealistisch, die
       Bestimmungen in Tausenden von Zulieferbetrieben verlässlich umzusetzen.
       Antje von Dewitz, Geschäftsführerin der Outdoor-Bekleidungsfirma Vaude,
       konnte die Bedenken der Konzerne teilweise nachvollziehen, andererseits
       sagte sie, dass die Großen dank ihrer Marktmacht die Standards auch
       durchsetzen könnten, wenn sie nur wollten.
       
       Als nächsten Schritt will Müller ein Verbraucherportal für Textilien im
       Internet einrichten, um „Licht ins Dunkel“ der schon bestehenden Standards
       und Produktsiegel zu bringen. Dann sollen Unternehmen, die die Kriterien
       des Aktionsplans einhalten, mit einem neuen Preis, dem „grünen Knopf“
       ausgezeichnet werden. Daraus könnte irgendwann eine Art Super-Siegel
       entstehen, damit Verbraucher gute Kleidung erkennen können. Konkrete Pläne
       dafür scheint es aber ebenso wenig zu geben wie für ein Gesetz, das der
       Minister einmal für den Fall ins Gespräch gebracht hatte, dass die Firmen
       sich nicht an der freiwilligen Vereinbarung beteiligen.
       
       16 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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