# taz.de -- Die Wahrheit: Westberlins hochfliegende Pläne
       
       > Tagebuch einer Absichtslosen: Berlin baut Hochhäuser, um New York zu
       > spielen, und verstopft die Eingänge in die Welt des Zufalls.
       
       Der Berliner Westen ist im Höhenrausch: Die Gegend um Zoo und Ku’damm, die
       sogenannte City West, soll „urbaner“ werden. Den Anfang machte der
       Hochhaus-Ableger des „Waldorf Astoria“, von dem aus der Gast – anders als
       im New Yorker Mutterhaus – nicht etwa auf die Park Avenue blickt, sondern
       nach vorne raus auf den abgerockten Hardenbergplatz und nach hinten in eine
       Baugrube.
       
       Aus dieser wächst zurzeit das „Upper West“, ein 118 Meter hoher Hotel- und
       Büroturm, dessen Namensgebung wohl Assoziationen an den
       bevölkerungsreichsten Teil Manhattans wecken soll. Der Bauherr kann nur auf
       die beschwörende Wirkung vertrauen, denn noch wirkt die Gegend mit ihrem
       Durchgangsverkehr in etwa so urban wie eine Kinderzimmerlandschaft, in der
       sich Bahnhofsgebäude, Schienen, Zootiere und ein paar Bauklotztürme um
       Platz balgen.
       
       Inzwischen will auch die Bahn mit der Restaurierung der ehemaligen „Zoo
       Terrassen“ ihren Teil zur urbanen Aufwertung beitragen, als potenzieller
       Mieter gilt – erraten – Mc Donald’s.
       
       Der Architekt des „Oberen Westens“ aber hat eine Vision. Wie kürzlich in
       einem Zeitungsartikel zu lesen war, meint er, „das Gebiet schreit nach
       Hochhäusern“, weshalb er auch den noch unbehandelten Stellen des
       Hardenbergplatzes sein „urbanes Gesicht“ verpassen will. Im nördlichen Teil
       fehle ein „gestalterischer Abschluss“, der Weg in den Tiergarten wirke
       „absichtslos“, also muss dort dringend ein dritter Wolkenkratzer hin.
       
       Da schreit dann zur Abwechslung mal der dem Absichtslosen zuneigende
       Mensch. Weiß denn der Mann nicht, dass der Hang zur Absichtslosigkeit eines
       der produktivsten Laster ist? Noch kann man, während die Gedanken mäandern,
       im Umfeld der Gedächtniskirche mal hierhin, mal dorthin schlendern – am Zoo
       entlang, über die Aussicht bietende „Bikini“-Terasse, dann total
       absichtslos rein in den Tiergarten, um auf diese Art zum Beispiel wertvolle
       Eingebungen zu haben oder unverhofft der Liebe zu begegnen!
       
       Man bedenke nur, was alles von Absichtslosigkeit abhängt! Menschen haben
       bei absichtslosem Herumstochern in Gartenerde oder in Familiengeschichten
       Schätze gehoben oder bisher unbekannte Verwandte gefunden. Umgekehrt weiß
       man, dass man beispielsweise einen Lottogewinn nicht mit Absicht
       herbeiführen kann. Absichtsloses Verhalten ruft nie Langeweile, oft jedoch
       Überraschungen hervor, im besten Fall schöne.
       
       Unschön hingegen sind piefige Vorstellungen von Urbanität, bei deren
       Umsetzung die Eingänge in die Welt des Zufalls verstopft werden.
       Fantasielos ist der Architekt, dessen Idee von urbaner Baukunst auf dem
       schlichten Prinzip „Was New York kann, kann Berlin schon lange“ beruht:
       Mehr Wolkenkratzer! One size fits all! 
       
       Versucht man angesichts der „Upper West“-Planung, sich das zukünftige
       imitierte New York in der neuen Berliner City West vorzustellen, stößt man
       schnell an Grenzen. „Upper West“ mit McDonald’s und Kaiser’s, aber ohne
       Fairway’s oder Barney Greengrass, ohne Schwarze, Juden und Latinos? No way,
       José!
       
       30 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
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