# taz.de -- Ursula Schönberger über Atommüll: „Das sind Taschenspielertricks“
       
       > In Deutschlands einzigem genehmigten Endlager soll doppelt soviel
       > radioaktives Material eingelagert werden wie bisher geplant, sagt Ursula
       > Schönberger vom Atommüllreport.
       
 (IMG) Bild: Massig Fässer: Schon vor Jahrzehnten hätte der Bund eine Bestandsaufnahme des Atommülls machen müssen.
       
       taz: Frau Schönberger, mit dem „Nationalen Entsorgungsprogramm“ hat die
       Bundesregierung eingeräumt, dass Deutschlands Atomindustrie viel mehr
       strahlendes Material produziert als bisher zugegeben. Die Menge an schwach-
       und mittelradioaktivem Atommüll hat sich verdoppelt. Sind Sie überrascht? 
       
       Ursula Schönberger: Nein, überhaupt nicht. Auf unserer Internetseite
       [1][atommuellreport.de] haben wir diese Mengen schon vor einem Jahr
       standortscharf aufgelistet. Neu ist lediglich, dass sich die Regierung
       erstmals bereit erklärt, sich um diese Mengen radioaktiven Materials auch
       kümmern zu wollen – übrigens nicht freiwillig, sondern auf Druck der EU.
       
       Der Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärt, man wolle sich „ehrlich
       machen“. Ist das nicht skandalös? 
       
       Seit Jahrzehnten wäre es die Pflicht des Ministeriums gewesen, die von uns
       durchgeführte Bestandsaufnahme zu erstellen. Diese wurde unter anderem vom
       Bundeskanzleramt, dem Bundesumweltministerium und der Endlagerkommission
       angefordert. Umso verstörender sind die dünnen Informationen, die das
       Bundesumweltministerium immer noch liefert.
       
       Warum? 
       
       Aufgelistet werden nur Atommüllmengen in Kubikmetern und Tonnen, nicht aber
       die damit verbundenen Probleme. Dabei tropft etwa im AKW Brunsbüttel an der
       Elbe radioaktiv verseuchte Flüssigkeit auf den Boden der dortigen Kavernen.
       Bundesweit gibt es offenbar mehr als 2.000 solcher undichter, maroder
       Fässer. Trotzdem findet sich im „Nationalen Entsorgungsprogramm“ kein Wort
       dazu, wie die geborgen und gesichert werden sollen.
       
       Woher stammt der Atommüll? 
       
       Der bisher von der Regierung eingeräumte Teil stammt aus den AKWS,
       staatlichen Forschungseinrichtungen und der kerntechnischen Industrie – das
       sind etwa 300.000 Kubikmeter. Neu ist, dass jetzt auch über das Material im
       langsam absaufenden sogenannten „Forschungsbergwerk“ Asse bei Braunschweig
       und den Müll der Urananreicherungsanlage in Gronau im Münsterland
       nachgedacht wird. Das sind noch einmal 300.000 Kubikmeter. Insgesamt
       sprechen wir also über die doppelte Menge, die der Schacht Konrad bei
       Salzgitter als bisher einziges genehmigtes deutsches Endlager aufnehmen
       kann.
       
       In Hannover ist schon zu hören, die Kapazität von Schacht Konrad sei von
       Grünen und SPD nur aus politischen Gründen auf 300.000 Kubikmeter begrenzt
       worden, um Atomkraftgegner zu besänftigen. 
       
       In Schacht Konrad soll offenbar die doppelte Menge Atommüll gelagert werden
       als bisher genehmigt. Dabei lassen dies die geltenden Sicherheitsnachweise
       überhaupt nicht zu – doch die will der Bund offenbar durch
       Taschenspielertricks umgehen.
       
       Inwiefern? 
       
       Schon heute heißt es im Entsorgungsprogramm, erst nach „Inbetriebnahme des
       Endlagers Konrad“ solle geprüft werden, ob Atommüll aus der Asse oder aus
       Gronau gebracht werden kann. Damit ist nicht nur der Widerstand vor Ort
       geringer – schließlich wird bereits eingelagert. Vermieden werden auch
       Diskussionen mit dem Land Niedersachsen: Ist Konrad erst einmal als
       Endlager in Betrieb, führt nicht mehr das Umweltministerium in Hannover,
       sondern das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung die Aufsicht. Die
       Beamten des Bundesumweltministeriums müssten sich also nicht mehr mit
       Niedersachsen herumstreiten, sondern könnten einer eigenen nachgeordneten
       Behörde Anweisungen erteilen.
       
       Ist es denn wahrscheinlich, dass die marode Asse geräumt werden kann, bevor
       die Schächte mit Wasser volllaufen? 
       
       Die Asse ist als Forschungsbergwerk konzipiert worden. Die Aufgabe ist
       jetzt, den dort gelagerten Atommüll wieder rückholbar zu machen, sonst
       gelangt radioaktives Material irgendwann unkontrolliert in die Biosphäre –
       dabei lagert dort auch Plutonium, das schon in kleinsten Mengen tödlich
       ist.
       
       Und Gronau? 
       
       Die Urananreicherung steht für Deutschlands Fähigkeit, innerhalb weniger
       Wochen genug spaltbares Material für den Bau einer Atombombe herstellen zu
       können. Aktuell hat die Anlage eine unbefristete Betriebsgenehmigung,
       ebenso wie die Brennelementefabrik im benachbarten Lingen an der Ems. Beide
       produzieren weiter Atommüll und müssen deshalb schnell stillgelegt werden –
       denn ein Atomausstieg, der die Produktion von immer neuem Atombrennstoff
       zulässt, ist keiner.
       
       19 Nov 2014
       
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