# taz.de -- Debatte Frauenbild in der AfD: Mit Gott für Kontrolle
       
       > Rechtspopulisten in der AfD bedienen antifeministische Forderungen. Sie
       > fußen auf organisiertem Hass gegen Frauen und der Abwertung von
       > Kinderrechten.
       
 (IMG) Bild: Bekennende Gegnerin der „Genderideologie“: AfD-Politikerin Beatrix von Storch
       
       „Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer
       Kinder!“ Unter diesem Leitwort fand in Hannover eben [1][die „Demo für
       alle“] (sprich „Demo für wen wohl?“) statt. Solche Ideen vertreten
       rechtsreligiöse Kreisen und Teile der AfD, die antifeministische
       Forderungen gegen Geschlechterpolitik, Gender Mainstreaming und die
       Geschlechterforschung übernommen haben.
       
       Man fragt sich verblüfft: Wie passen Sexualisierung der Kinder und Gender
       Mainstreaming zusammen? Im wirklichen Leben haben sie nichts miteinander zu
       tun. Doch die AfD handelt einfach mit Versatzstücken einer Strategie, die
       sich gegen Geschlechterpolitik und Geschlechterforschung richten und bis zu
       offenen Hasskampagnen führen.
       
       Zum ersten Versatzstück Gender Mainstreaming: Auf der Homepage der „Demo“
       ist zu lesen: „Gender-Mainstreaming“ steht laut Theologen „im krassen
       Gegensatz zur biblisch geoffenbarten Schöpfungsordnung Gottes.“ Tatsächlich
       will Gender Mainstreaming Gleichheit in Organisationen erreichen: Deren
       Maßnahmen sollen gleichheitlich wirken und Männer und Frauen gleich an den
       Entscheidungen beteiligt sein. Männer, die sich für Geschlechtergleichheit
       engagieren wollen, wurden damit angesprochen. Das entspricht sowohl dem
       Grundgesetz als auch dem Europäischen Wertekonsens.
       
       ## Die neue Verbotspartei
       
       Die rechtskonservative Kritik lautet, dass der Begriff Gender die
       „natürlichen“ oder „göttlich gegebenen“ Geschlechtsrollen widerlege. Das
       hat allerdings die Völkerkunde schon seit 100 Jahren getan: In manchen
       Gesellschaften betreuen die Eltern die Kinder, in manchen die Mütter (wie
       in Deutschland bisher, wo sich das gerade ändert) und in anderen die Väter.
       Geschlecht ebenso wie Begehren kommt auf dieser Welt in Hunderten von
       Varianten vor und bisher hat das nur die verunsichert, die meinten, an der
       Spitze des Fortschritts zu stehen und den anderen ihre Lebensformen
       aufzwingen zu dürfen.
       
       Heute sprechen die rechtskonservativen und antifeministischen Netzwerke die
       Sprache von Verbot und Kontrolle: Stop mit der Geschlechterpolitik und
       -forschung, Ausschluss von homosexuellen Lebensformen mit Kindern! Wie in
       den USA vertreten sie den Neoliberalismus in der Wirtschaft und eine
       neopatriarchale Geschlechterordnung.
       
       Wer die Geschlechterforschung verbieten will, will unterbinden, dass über
       die Spannungen und Probleme genderreflexiv nachgedacht wird, die der
       flexibilisierte Kapitalismus, die neuen Freiheitsräume, Ausgrenzungen und
       Gewaltformen mit sich bringen. Stattdessen werden Geschlechterrollen aus
       dem 19. Jahrhundert als biologistische Binsenwahrheiten dargeboten. Frauen
       wie Männer sollen erneut in den Käfig von kollektiven homogenen Normen
       eingesperrt werden. Zudem wird die grundgesetzlich garantierte Freiheit der
       Wissenschaft durch die Hasskampagnen bedroht.
       
       ## Gegen die kindliche Neugier
       
       Zum zweiten Versatzstück „Sexualisierung der Kinder“: Sie wird von so
       unterschiedlichen Kräften wie der Kommerzialisierung der Kindheit und der
       Kinderkörper, Massenmedien, anzüglicher Werbung und Pornos im Internet
       vorangetrieben. Weder Sexualpädagogik noch Geschlechterforschung sind daran
       ursächlich beteiligt. Vielmehr kritisieren sie ihrerseits die
       Sexualisierung von Kindern. Eltern sehen diese Entwicklungen mit Sorge und
       ihre Ängste sind berechtigt.
       
       Meist werden sie mit ihren Kindern über Liebe und Sexualität reden und
       versuchen, die Fragen und Probleme der Kinder zu verstehen und
       Gesprächspartner für sie zu werden. Wesentlich sind Zuhören und
       Verständnis.
       
       Wenn man Verbote verkündet oder Kinder unter den Glassturz stellt, bringt
       das wenig, denn so nimmt man die Kinder und ihre Fragen in einer
       tiefgreifend veränderten Umwelt nicht ernst.
       
       Verbote aber wollen die rechtskonservativen Kampagnenbetreiber. Ihnen geht
       es um das private Elternrecht bei der Sexualaufklärung – über Kinderrechte
       habe ich wenig gelesen. Dieses Recht wollen sie mit Verboten und Kontrollen
       der Sexualaufklärung in der Schule durchsetzen. Einige Sprecher und
       JournalistInnen gefallen sich in homophoben Andeutungen, dass Vielfalt
       (oder Gender Mainstreaming) zum sexuellen Missbrauch führen könnte. Ging es
       gestern noch gegen die bösen Emanzen, so wird heute die Kampagne gegen
       Gleichheit mit dem Kampf ums Kind legitimiert.
       
       ## Spiel mit der Angst der Eltern
       
       Besondere Aufregung gibt es über ein Buch zu Sexualpädagogik der Vielfalt,
       das an den Erfahrungen und Fragen der Jugendlichen anknüpfen will. Die
       sprachlichen Gewaltexzesse gegen VertreterInnen dieser Richtung auf dem
       Internet schlossen Mord- und Vergewaltigungsaufrufe mit ein und riefen
       Proteste mehrerer wissenschaftlicher Fachgesellschaften hervor. Die
       Kampagne gegen das Buch wird fortgesetzt, wobei einige durchaus
       diskutierbare Beispiele wiederholt werden, ohne auf den Grundansatz des
       Bandes einzugehen: Er geht davon aus, dass die Teilnehme freiwillig ist und
       die intimen Grenzen der Jugendlichen zu respektieren sind.
       
       Das Ziel ist, sexuelle Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen,
       Anerkennung sexueller Vielfalt und eine offene Haltung zur Sexualität zu
       fördern. Dies Ziel soll im Austausch mit den Eltern verwirklicht werden.
       
       Wenn heute sexueller Missbrauch im allgemeinen Bewusstsein ist und als
       Gewalt betrachtet wird, so ist das der Frauenbewegung, der
       Geschlechterpolitik und der Geschlechterforschung zu verdanken. Gegen große
       Widerstände haben sie geschafft, das Problem zu thematisieren,
       Unterstützung für die Opfer zu organisieren und Rechtslage und das
       Rechtsbewusstsein zu verändern. Die EU hat Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt
       umfassend unterstützt.
       
       Die bürgerliche Mitte akzeptiert heute Geschlechtergleichheit und hat das
       Problem des sexuellen Missbrauchs erkannt. Was wird sie von
       rechtskonservativen Kampagnen halten, die mit den Ängsten von Eltern vor
       sexuellem Missbrauch operieren und zugleich die Kräfte verbieten wollen,
       die ihn entschieden bekämpfen?
       
       1 Dec 2014
       
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