# taz.de -- Buch über Märchenwelt: Stummer Schwan, magischer Dschinn
       
       > Stilvoll werden märchenhafte Klassiker neu aufgelegt: „Der Schwan mit der
       > Trompete“ und „Aladin und die Wunderlampe“.
       
 (IMG) Bild: Whites märchenhafter Roman ist eine Geschichte über Freundschaft und Freiheit.
       
       Den fanfarenartigen Rufen, die an Trompeten erinnern und kilometerweit zu
       hören sind, verdankt der Cygnus buccinator seinen Namen: Trompetenschwan.
       Er ist der größte Vertreter seiner Gattung mit einer Flügelspannweite von
       über 2 Metern. Sein klingender Name inspirierte den US-amerikanischen
       Schriftsteller E. B. White 1972 zu dem märchenhaften Roman „Der Schwan mit
       der Trompete“.
       
       In seiner Geschichte über Freundschaft und Freiheit greift der junge
       Trompetenschwan Louis ganz wörtlich zum Instrument – nicht aus einer
       überdrehten Laune heraus, sondern aus purer Not und Verzweiflung. Denn
       anders als seine vier Geschwister bleibt der heranwachsende Jungschwan
       stumm. Für seine Eltern eine Katastrophe. Ohne das trompetenhaft
       ausgestoßene „Ko-roh! Ko-roh!“ würde ihr Sohn niemals das Herz einer
       Schwanendame gewinnen.
       
       Bereits in E. B. Whites früheren Werken, den beiden Kinderbuch-Bestsellern
       „Klein Stuart“ (1945) und „Wilbur und Charlotte“(1952) starten die
       Protagonisten mit Handicaps ins Leben: Stuart, eine 10 Zentimeter kleine
       Maus, wird in eine Menschenfamilie hineingeboren, und für Wilbur, ein viel
       zu mickriges Ferkel, hat der Bauer eigentlich den Tod vorgesehen.
       
       „Der Schwan mit der Trompete“ beginnt recht verhalten mit dem elfjährigen
       Sam Beaver, der die Wochenenden mit seinem Vater in einer kanadischen
       Blockhütte verbringt. Der Junge entdeckt auf einem seiner Streifzüge durch
       die Natur den Brutplatz der Schwaneneltern. Er erlebt, wie Louis und die
       übrigen Küken aus dem Ei schlüpfen. Whites Geschichte nimmt im weiteren
       Verlauf eine fantastische Wendung, die er ruhig und gelassen erzählt. Man
       folgt als Leser fasziniert.
       
       ## Der liebste Klang der Welt
       
       Um seiner quälenden Sprachlosigkeit zu entfliehen, beschließt Louis nämlich
       Lesen und Schreiben zu lernen. Dank Sam Beaver und dessen Klassenlehrerin
       Mrs Hammerbotham gelingt es dem Jungschwan überraschend leicht. So kehrt er
       mit Schiefertafel und Kreide ausgerüstet erwartungsfroh zu seiner Familie
       zu den Red-Rock-Seen zurück. Mit den Menschen kann sich Louis nun
       problemlos austauschen, doch von den Schwänen kann leider keiner lesen.
       
       In einer Verzweiflungstat, alles für das Glück seines Sohns gebend, schießt
       der Schwanenvater im Sturzflug durch das Schaufenster des Musikgeschäfts im
       nahe gelegenen Billings und entwendet eine kostbare Trompete. Und
       tatsächlich gelingt es Louis, dem gestohlenen Instrument einzelne Töne zu
       entlocken, aus denen schon bald ganze Melodien werden. Endlich kann er sich
       mitteilen – schreibend und musizierend. Damit beginnt für ihn ein neues,
       aufregendes Leben.
       
       Er will Geld verdienen, um den von seinem Vater in Billings angerichteten
       Schaden zu bezahlen. Als Trompeter weckt Louis die Kinder in Sams
       Ferienlager und begeistert mit Jazzmusik die Gäste eines Nachtclubs in
       Philadelphia. Dem stummen Schwan gelingt es sogar, mit der Trompete die
       Liebe der schönen Schwänin Serena zu gewinnen. Er kehrt dem Leben in der
       Stadt den Rücken und wählt die Freiheit in der Natur. „Er nahm die Trompete
       und spielte: Button up your overcoat, the wind blows free“. Freund Sam
       notierte im Tagebuch: „Die Schwanentrompete ist mir von allen Klängen auf
       der Welt die liebste.“
       
       ## Magie ohne Kitsch
       
       Wer kennt es nicht, das orientalische Märchen „Aladin und die Wunderlampe“?
       Seit zweihundert Jahren wird diese Geschichte vom jungen Taugenichts
       erzählt, der seinen Eltern nur Kummer bereitet. Bis zu dem Tag, als ein
       mysteriöser Gewürzhändler bei ihnen auftaucht und ihn bittet, eine gut
       verborgene Öllampe zu bergen. Denn: „Heben kann diesen Stein nur Aladin,
       der Sohn Mustafas.“
       
       In den „Garten der Wunder“ herabgestiegen, beginnt für Aladin das Abenteuer
       mit dem Dschinn in der magischen Lampe und endet für ihn glücklich im
       Sultanspalast an der Seite der schönen Prinzessin Badr-al-Budur. Der
       Hamburger Aladin Verlag (!) hat nun dem Märchen eine Neuausgabe gewidmet,
       zeitgemäß, ohne Kitsch und Patina. Besonders gelungen sind die
       farbexplosiven Illustrationen des italienischen Comiczeichner Leorenzo
       Mattotti.
       
       Mit dynamischem Buntstiftstrich skizziert dieser klare, intensive Bilder
       vom märchenhaftem Zauber. Der britische Autor Philip Pullman hat der
       vielfach überlieferten Geschichte sprachlich einen eigenen Ausdruck
       verliehen und blieb doch dem Original in Inhalt und Form treu. So heißt es
       im Vorwort zu „Aladin“ zu Recht: Die Geschichte „vereint alles in sich:
       Komödie, Drama, Fantasy, Magie, Schrecken und Spannung“.
       
       7 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva-Christina Meier
       
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