# taz.de -- Trash-Spezialist über Leinwand-Exzentriker: „Man traut seinen Augen nicht“
       
       > Der Bremer Filmjournalist Christian Keßler hat seine Liebe für
       > absonderliche Filme in dem Buch „Wurmparade auf dem Zombiehof“
       > festgehalten.
       
 (IMG) Bild: Trash will never die: Das Filmplakat von „Zombiber“, der Anfang November in die deutschen Kinos kam.
       
       taz: Herr Keßler, in den vergangenen Jahren hat der filmische Trash eine
       Renaissance erfahren. Auf dem DVD-Markt und zum Teil sogar im Kino finden
       sich unzählige Produktionen wie „Sharktopus“ oder „Zombiber“, in denen
       mutierte Monster und bestürzend schlechte Special Effects die Hauptrolle
       spielen. Gucken Sie so etwas gerne? 
       
       Christian Keßler: Ich bin kein großer Fan dieser Filme. So neu ist das auch
       gar nicht. Begonnen hat das 1978 mit „Angriff der Killertomaten“. Von da an
       wurden immer wieder Filme absichtlich als Trashkino konzipiert –
       absichtlich schräg, absichtlich kompromittiert und immer ironisch. Das ist
       sehr fad. Ich finde es gut, wenn Filme direkt zu mir sprechen.
       
       Was wäre denn gelungener Trash? 
       
       Mich interessiert etwa eine Figur wie Ed Wood. Dieser Mensch hat in den
       50er-Jahren mit seinem Herzblut eine ganz eigene Vision des Filmemachens
       auf die Leinwand gebracht. Das sah dann unterm Strich sehr krumm aus und
       später gab es auch einige humorlose, aufgeblasene Nullen, die den armen
       Mann höhnisch als „schlechtesten Filmemacher aller Zeiten“ tituliert haben.
       Das ist schlicht und ergreifend unwahr. Diese Filme sind sehr anrührend. Ed
       Wood ist eine einzigartige Figur und diese Einzigartigkeit gefällt mir. Wer
       bitteschön hätte 1952 daran gedacht, so etwas wie „Glen or Glenda“ zu
       drehen – einen frühen Film über Transvestitismus?
       
       Es geht also um künstlerischen Eigensinn, nicht um das angeblich schlecht
       Gemachte? 
       
       Wenn mich ein Film mit seiner eigentümlichen Machart wirklich überrascht,
       hat er bei mir sehr gute Karten. Ich rede zwar vom Trashkino, habe mit dem
       Begriff aber große Schwierigkeiten. Trash ist nun mal Müll und ich möchte
       keinen Kot polieren. Eigentlich ziehe ich den Begriff des „absonderlichen
       Kinos“ vor. Damit meine ich Filme, die den Zuschauer mit einer Sicht auf
       die Welt konfrontieren, die mit der eigenen überhaupt nichts zu tun hat. In
       meinem Buch spielen auch Regisseure wie John Waters eine Rolle, die eher
       aus dem Bereich des Experimental- und Underground-Kinos kommen und versucht
       haben, eine absichtsvoll antibürgerliche Vision zu entwickeln.
       
       Die Namen „Ed Wood“ und „John Waters“ sind noch relativ geläufig. Der 1977
       gedrehte Film „Die Wurmfresser“, mit dem Ihr Buch beginnt, ist da schon
       deutlich obskurer … 
       
       Bei „Die Wurmfresser“ hat man es mit einem typischen
       70er-Jahre-New-Hollywood-Produkt zu tun, das allerdings grauenvoll mutiert
       ist: ein durch und durch ökologisch ambitionierter Film mit reichlich
       Hippie-Zierrat. Nur dass er eben von Bauern handelt, die Würmer fressen. Im
       Grunde genommen ist das eine sympathische Komödie, gemacht von jemand, der
       scheinbar vom Mars stammt. So wie der Regisseur Herb Robins den Film
       gedreht hat, hätte ihn kein anderer Mensch auf Gottes grüner Erde gemacht.
       
       Es geht in Ihrem Buch aber nicht nur lustig zu. Sie empfehlen „Die grünen
       Teufel“, einen Propagandafilm aus der Zeit des Vietnamkriegs mit John
       Wayne. 
       
       Ich hab schon des Öfteren mit Leuten darüber diskutiert, wie ich Filme
       goutieren kann, die ich politisch rundum ablehne. „Die grünen Teufel“ ist
       in seiner Eindimensionalität im Grunde nicht zu fassen, eine Gulaschkanone
       von ganz eigenen Gnaden und der wahrscheinlich einzige Film, der eindeutig
       für den Vietnamkrieg votiert. Da kommt man aus dem Staunen nicht mehr
       heraus, das ist wie eine Abenteuerreise in ein ultrakonservatives
       Märchenland.
       
       Dem Film fehlt ein Filter? 
       
       Ja, und das ist doch interessant. Diese Direktheit findet man im Trashfilm
       häufig. In „Welcome Home, Brother Charles“ erwürgt der schwarze Held aus
       Rache Polizisten und korrupte Staatsanwälte – mit seinem Pimmel. Man traut
       seinen Augen nicht. Das ist als knallige Metapher für den
       afroamerikanischen Befreiungskampf sehr ungewöhnlich, um es vorsichtig zu
       formulieren. Bei heutigen Vorführungen gibt es in solchen Fällen schon mal
       Tumulte, aber fröhlicher Art.
       
       „Absonderlich“ schließt für Sie auch Pornografisches ein. Worin bestehen
       die ästhetischen Qualitäten eines Films wie „Django Nudo und die lüsternen
       Mädchen von Porno Hill“? 
       
       Das ist der einzige mir bekannte Fall, in dem das Synchronstudio einen Film
       absichtsvoll sabotiert hat. Da wurde aus einem sehr, sehr schlechten Film
       ein Happening gemacht. Langweilige Dialogszenen werden abgewürgt, die
       Sexszenen, die ursprünglich mal zur Animation einsamer Männer gedacht
       waren, werden mit Quietschgeräuschen und albernem Gekicher unterlegt,
       irgendwann fangen die Synchronsprecher an, das Treiben zu kommentieren –
       Film, Zuschauer und Kritik in einem einzigen Gesamtkunstwerk vereint.
       
       Bis Mitte der 80er-Jahre liefen solche Produktionen im Kino. Gibt es heute
       noch Orte, an denen seltsame Filme gezeigt werden? 
       
       Einige gibt es noch, ja. Das Werkstattkino in München beispielsweise oder
       die Reihe „Weird Experience“ im Bremer City 46. Auch bei meinen Vorträgen
       kann ich den Samen des Bösen unter die unschuldige Menschheit streuen. Da
       habe ich ein durchaus missionarisches Interesse. Es gibt einfach zu viele
       Leute, die diese Filme nur ironisch sehen. Aber es gibt auch Zuschauer, die
       da eine ganz seltene Form von Schönheit erkennen.
       
       ## Lichtbildgestützter Vortrag: Freitag, 28. 11., 21 Uhr, Kulturzentrum
       Lagerhaus, Bremen
       
       26 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benjamin Moldenhauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) John Waters
 (DIR) Film
 (DIR) Märchen
       
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