# taz.de -- Die Wahrheit: Herr Alles und die Kunst
       
       > Mischt man sich im Museum unter das Publikum, kann man was erleben.
       > Besonders wenn man in einem Kunsttempel an einen Türteufel gerät.
       
 (IMG) Bild: Wasserbetten gehen immer erst so ab Nachmittag.
       
       In Museen schließe ich mich oft einer Führung an, stelle mich einfach dazu,
       lausche und studiere dabei die Gruppe, in die ich geraten bin. Neulich war
       ich im Folkwang Museum in Essen. Zuerst sah ich mir die Plakatausstellung
       von Martin Kippenberger an: „Du kommst auch noch in Mode!“ Großartiger
       Satz.
       
       Dann mischte ich mich unter die Wartenden. Eine „Frau S.“ mit roten Haaren
       und Sommersprossen kam und führte gut gelaunt ihre Gruppe herum. Ich linste
       zu den Namensschildern. Allesamt Mitglieder einer Stiftung, die Stipendien
       vergibt. Dem Alter nach zu urteilen, musste bei einigen das Stipendium
       schon vor Jahrzehnten ausgelaufen sein.
       
       Frau S. erzählte vom Neubau des Folkwang-Museums, der pünktlich und
       etatgerecht fertig gestellt worden sei. Ich würde ihr nichts mehr glauben.
       Pünktlich und im Etat! Sowas gibt es doch gar nicht! Um es mit Kippenberger
       zu sagen: „Einfach geht der Applaus zugrunde.“
       
       Frau S. berichtete, die Fenster seien aus recyceltem Glas gefertigt,
       gepresste „Pallets“, und wir hätten so das unsere zu den Fenstern
       beigetragen. Die Stipendiaten lachten, und ich selber fühlte mich sofort
       für mindestens sechs Scheiben verantwortlich.
       
       Dann betraten wir den „alten“ Flügel des Museums, um zum ersten Gemälde zu
       kommen: Édouard Manet, „Der Sänger Jean Baptiste Faure als Hamlet“. Jeder
       musste dem Aufsichtsherrn dort die Eintrittskarte zeigen. Nur der älteste
       Stipendiat, ein freundlicher Herr von fast achtzig Jahren, fand keinen
       Einlass. Er hatte sich versehentlich keine Eintrittskarte geben lassen.
       „Aber er gehört zu uns“, sagte eine Dame, „wir haben für alle bezahlt.“
       
       „Ohne Karte kein Einlass!“, erklärte süffisant der Türvorsteher. Besagte
       Dame eilte friedvoll Richtung Kasse, um eine Karte nachzuholen. Freundlich
       wollte ein anderer Herr dem abschlägig Beschiedenen nun hinein helfen. Der
       Kunstwärter verwehrte es erneut. „Aber die Karte für ihn ist doch
       unterwegs!“, sagte ein weiterer Herr. „Ja, und wenn er sie hat, kann er den
       Raum gern betreten“, griente der Türhüter.
       
       „Aber es sind doch nur drei Meter bis zum Bild!“, beteuerte jemand. „Nicht
       ohne gültige Karte“, versteifte sich der Kunstwart. „Das ist doch in
       höchstem Maße kleinlich und unhöflich!“, rutschte es mir ungewohnt höflich
       heraus, dabei hatte ich gar kein Stipendium gehabt und den Eintritt selber
       bezahlt. Sogar Frau S. versuchte zu vermitteln, aber der
       Kunstlageraufseher, der Herr über alles, Herr Alles wankte nicht!
       
       Die Gruppe stellte sich solidarisch zum Herrn ohne Karte. Frau S. begann
       ihren Vortrag zu Manet also mit der nötigen Distanz. Atemlos kam die Dame
       zurück, händigte die Karte aus und der Kunstsoldat ließ alle ein.
       
       Ich dachte an Kippenberger und sein Bonmot: „Jeder Künstler ist ein
       Mensch.“ Kunstwächter sind oft keine Künstler. Als alle Richtung Renoir
       verschwanden, flüsterte ich dem zufrieden grinsenden Türteufel ins Ohr:
       „Ansprache an einen Hirnlosen!“ Und: „Gute Rückentwicklung!“ Er fuhr herum.
       Ich zuckte mit den Achseln und sagte: „Kippenberger Zitate!“
       
       19 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
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