# taz.de -- Kleider leihen statt kaufen: Besitzen ist nicht nötig
       
       > Zwei Frauen wollten nicht ständig Klamotten kaufen und trotzdem
       > Abwechslung. In der bundesweit ersten Leih-Boutique setzen sie voll aufs
       > Prinzip Teilen.
       
 (IMG) Bild: Pola Fendel: Alles Verliehene ist zurückgekommen.
       
       HAMBURG taz | "Mein neuer Lieblingsort in Deutschland heißt Fischingen. Das
       liegt nahe Lörrach in Baden-Württemberg und dahin habe ich diese Woche ein
       Paket mit vier Kleidungsstücken aus unserer Kleiderei geschickt“, sagt Pola
       Fendel. Fendel, Kunststudentin im Endstadium, blonde Kurzhaarfrisur,
       schwarze Skihose und himmelblaues Longsleeve, auf dem sich unzählige bunte
       Tyrannosaurus Rex’ tummeln, mag es gern individuell.
       
       Das spiegelt sich auch im Angebot der bundesweit ersten Leih-Boutique
       wieder. Die „Kleiderei“ liegt etwas abgewandt von der Straße in einem
       buntbemalten Haus. Fendel und ihre Freundin Thekla Wilkening haben sich
       hier eingemietet, weil sie keinen Bock mehr auf den Shopping-Kreislauf
       hatten.
       
       „Wir hatten das Gefühl, unglaublich viele Klamotten zu brauchen. Das fanden
       wir Schwachsinn und fragten uns, warum sich frau im Jahr 2012 keine Kleider
       leihen kann“, erinnert sich Fendel. Das war der Startschuss für die
       Kleiderei im Oktober 2012. Die ersten Stücke kamen aus ihren eigenen
       Kleiderschränken, vom Flohmarkt, aber auch von Bekannten, die
       Lieblingsstücke spendeten.
       
       Rund zwei Jahre ist das her und vom ersten Domizil in der Hamburger
       Hochstraße ist die Leih-Boutique in die Bartelsstraße gezogen.
       Zwischenzeitlich gab es auch eine Dependance in Berlin-Neukölln. „Da kamen
       die schrilleren Klamotten besser an als in Hamburg. So bewahrheiten sich
       Stereotype“, sagt Fendel.
       
       ## Sie wollen lieber teilen
       
       Fendel nennt sich selbst die Unsortierte. Wilkening kommt hingegen vom
       Fach, studiert „Bekleidung, Technik, Management“, kennt sich mit
       Umwelteinflüssen und der sozialen Situation in den Nähstuben in aller Welt
       aus. Den Wasser- und Energieverbrauch in der Textilproduktion kann sie
       beziffern und das ist für sie ein triftiger Grund, weniger zu kaufen und
       mehr zu teilen. „Sharing ist Caring“ ist daher ein Motto der Kleiderei.
       
       Die Idee kommt an, wie die Resonanz zeigt. Vorwiegend kommen Frauen
       zwischen Anfang 20 und Ende 30 in den kleinen Laden im Schanzenviertel.
       Drei Tage in der Woche ist die Kleiderei geöffnet und oft beraten sich die
       Kundinnen gegenseitig, kommen ins Gespräch und tauschen sich aus. Genau das
       schätzten beide Inhaberinnen und wollten mit ihrem Angebot deswegen
       eigentlich nicht online gehen.
       
       ## Mit Spenden ins Netz
       
       „Doch das Problem war, dass uns immer mehr Leute gefragt haben, wann wir
       bei ihnen eine Kleiderei eröffnen, statt es selbst zu machen“, sagt Fendel.
       Also entschieden sich Fendel und Wilkening für eine Crowdfunding-Kampagne,
       bekamen 15.000 Euro Spenden zusammen und erarbeiten damit ihr
       Online-Konzept. 26 Euro zahlt jede Kleiderei-Kundin für ein Paket mit vier
       Kleidungsstücken inklusive Versandkosten pro Monat. Im Laden kostet dieses
       Angebot 14 Euro.
       
       Seit das Kleiderei-Online-Portal am 10. Dezember startete, gehen die
       Bestellungen durch die Decke, so Fendel. Binnen sechs Wochen habe sich die
       Zahl der Kundinnen verdoppelt. Schon jetzt reichen die bisher rund 800
       online angebotenen Kleidungsstücke nicht mehr aus. 300 weitere Klamotten
       haben sie schon erfasst.
       
       „Wir brauchen aber mindestens 500 weitere Kleidungsstücke, um die Nachfrage
       zu decken“, schätzt Fendel. Sie wollen auf Flohmärkten nach Nachschub
       fahnden, bei den rund 30 Designern, mit denen sie zusammenarbeiten, im
       Freundeskreis und bei den kommerziellen Altkleidersammlungen nach weiteren
       Stücken fragen.
       
       Jeden Tag werden in Deutschland mehr als 400 Tonnen Kleidung weggegeben,
       sagt Fendel, die selbst viele Vintage-Sachen trägt. Ausgefallen darf es
       gerne sein und auch in der Kleiderei komme es auf die richtige Mischung aus
       Klassikern, Designstücken und der Bluse oder dem Rock von Tante oder Oma
       an.
       
       Gisela Burckhardt von der Kampagne für saubere Kleidung bezeichnet das
       Konzept der Kleiderei als fortschrittlich. Es biete Alternativen zum
       Konsumwahn, zur „Fast Fashion“, wie sie es nennt. In ihrem im November
       erschienen Buch „Todschick Edle Labels, billige Mode – unmenschlich
       produziert“ schreibt die Aktivistin Burckhardt über Klamotten, die gekauft,
       aber längst nicht immer getragen werden, über Kleidungsstücke, die nur noch
       selten repariert werden, wenn sie beschädigt sind und die oft aus
       Langeweile gekauft werden, einfach weil sie so billig sind.
       
       Über diese Realitäten in der Textilwelt ärgern sich auch Fendel und
       Wilkening. Die beiden Frauen haben ganz antizyklisch bisher alles
       Verliehene zurückbekommen – heil, gewaschen und gebügelt. Ein Indiz dafür,
       dass es auch anders geht.
       
       28 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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