# taz.de -- Wahlrechtsreform in Chile: Etwas mehr Demokratie
       
       > Chile hat das Wahlgesetz aus der Zeit der Pinochet-Diktatur abgeschafft.
       > Jetzt können auch kleine Parteien oder Unabhängige einen Sitz erringen.
       
 (IMG) Bild: Hatte diese Reform schon im Wahlkampf versprochen: Präsidentin Michelle Bachelet
       
       BUENOS AIRES taz | Was noch vor einem Jahr als unumstößlich galt, wurde am
       Mittwoch endgültig beiseitegeräumt. Nach einer 21-stündigen Marathonsitzung
       stimmte der Senat für die Abschaffung des binominalen Wahlgesetzes. 23
       SenatorInnen votierten dafür und gaben dem Vorhaben die notwendige
       Dreifünftelmehrheit. Lediglich 9 stimmten dagegen.
       
       Damit ist eines der wichtigsten Reformversprechen von Präsidentin Michelle
       Bachelet umgesetzt. Entsprechend zufrieden zeigte sich die Sozialistin.
       „Die Repräsentanz im Kongress wird zunehmen“, so Bachelet.
       
       Hatten bisher lediglich Kandidaten von zwei großen Parteienkoalitionen
       Chancen auf einen Sitz im Kongress, so können zukünftig auch unabhängige
       Kandidaten und Vertreter kleinerer Parteien den Sprung ins Parlament
       schaffen. Das Abgeordnetenhaus hatte der Neuregelung bereits im vergangenen
       August zugestimmt.
       
       Künftig sollen dem Abgeordnetenhaus 155 Delegierte angehören, 35 mehr als
       bisher. Dagegen wird die Zahl der Wahlkreise auf 28 verringert, um die
       Chancen von dritt- und viertplatzierten Kandidaten auf den Einzug ins
       Parlament zu gewährleisten.
       
       ## Geschlechterquote für die Listen
       
       Auch die Anzahl der Senatorenmandate wird erhöht, von 38 auf 50. Zudem wird
       eine Geschlechterquote eingeführt: Höchstens 60 Prozent der Kandidaten
       einer Liste dürfen dem gleichen Geschlecht angehören.
       
       Das binominale Wahlsystem war von Diktator Augusto Pinochet in den letzten
       Monaten seiner Amtszeit eingeführt worden, um eine befürchtete Macht der
       linken Parteien einzuschränken. Seitdem erhielt in jedem Wahlkreis nur der
       Kandidat mit den meisten Stimmen ein Mandat, das zweite ging an den
       bestplatzierten Kandidaten des zweitstärksten Bündnisses.
       
       Als Konsequenz bestimmten die zwei großen Koalitionen aus Christdemokraten,
       Sozialdemokraten und Sozialisten auf der einen Seite sowie zwei rechte
       nationalistische und pinochettreue Parteien auf der anderen die Wahlen.
       
       Pinochets Kalkül sollte 25 Jahre lang aufgehen. Zwar stellte das
       Mitte-links-Bündnis Concertación bis auf die Ausnahme von Sebastián Piñera
       2010 seit dem Ende der Diktatur den Präsidenten, im Kongress führte das
       binominale Wahlsystem aber stets zu einer Pattsituation. Denn immer
       stellten Parteien, die an den Urnen weniger Stimmen bekamen, im Parlament
       die Hälfte der Delegierten und blockierten als Minderheit jede Änderung.
       
       ## Noch immer gilt die Verfassung der Diktatur
       
       Auch deshalb gilt noch immer die unter der Diktatur verabschiedete
       Verfassung von 1980, in der das neoliberale Modell der Privatwirtschaft
       festgeschrieben und die uneingeschränkte Rechtssicherheit für privates
       Kapital garantiert wurde. Und noch immer ist das Bildungsmodell der
       Diktatur in Kraft, gegen das Lernende und Lehrende bereits seit Jahren
       protestieren.
       
       Das Patt setzte sich auch nach den letzten Kongresswahlen vom November 2013
       fort. Die zeitgleich gewählte Präsidentin Michelle Bachelet verfügte nicht
       über die notwendigen Mehrheiten in den beiden Kongresskammern, um die
       großen Reformen tatsächlich umsetzen zu können, für die sie im Wahlkampf
       geworben hatte.
       
       Im Gebälk der rechten Allianz für Chile knirschte es jedoch schon lange.
       Das Bündnis aus der eher modernen rechten Renovación Nacional und den
       strammen Pinochetanhängern der Unión Demócrata Independiente zerbröselt.
       Delegierte der Renovación Nacional sorgten jetzt in beiden Kammern für die
       nötige Stimmenmehrheit, um das Wahlgesetz zu ändern.
       
       15 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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