# taz.de -- Kommentar Präsidentschaftswahlen Chile: Das Schwerste kommt noch
       
       > Die Sozialistin Michelle Bachelet hat die Wahlen klar gewonnen. Doch im
       > realen Leben sind die Anhänger der Diktatur so mächtig wie zäh.
       
 (IMG) Bild: Ein Sieger- und ein Verliererlächeln: Michelle Bachelet (rechts) und ihre unterlegene Konkurrentin Evelyn Matthei.
       
       So klar wie Michelle Bachelet hat noch nie jemand die Präsidentschaft in
       Chile gewonnen, seit das Land nach 17 Jahren Diktatur 1990 zur Demokratie
       zurückgekehrt ist. So gering wie diesmal war die Wahlbeteiligung allerdings
       auch noch nie. Das sind auf den ersten Blick widersprüchliche Signale für
       die Sozialistin, die im März erneut in den Präsidentenpalast einziehen
       wird.
       
       Beides beschreibt die gleiche Notwendigkeit: Reformen, und zwar
       grundlegende. Schon in ihrem ersten erfolgreichen Wahlkampf war Michelle
       Bachelet mit dem Versprechen angetreten, das Bildungssystem zu reformieren
       und gegen die Ungleichheit im Land anzutreten. Passiert war nichts. Genau
       das spiegelt das Wahlergebnis: Niemand anders steht für Reformwillen - aber
       viele WählerInnen, eine Mehrheit von erschreckenden 58 Prozent, glauben
       nicht mehr daran und gingen gar nicht erst wählen.
       
       Bildungsreform, Verfassungsreform, Steuerreform – Michelle Bachelet hat
       recht, wenn sie bei ihrer Siegesrede andeutet, dass das große Aufgaben für
       eine einzige Legislaturperiode sind. Umso mehr aber muss sie, ausgestattet
       mit einer komfortablen Mehrheit in beiden Parlamentskammern, mit Volldampf
       an die Arbeit gehen. Weitere verlorene vier Jahre kann sich nicht nur ihre
       Koalition nicht leisten. Sie wären auch für die Reste sozialer Kohäsion in
       Chile katastrophal.
       
       Allerdings: so klar die Aufgabe, so schwer ist sie zu bewerkstelligen. Denn
       die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte passierten ja nicht zufällig,
       sie waren gewollt. Sie sind das schwere Erbe einer Diktatur, die wie keine
       andere in Lateinamerika den Sozialstaat zerschlug, eine neue
       Wirtschaftselite aus dem Kreis der Militärs schuf und deren Privilegien so
       absicherte, dass sie die Abgabe der Macht nahezu unbeschadet überstehen
       konnte.
       
       An den Wahlurnen hat Bachelet die Verfechter des alten Systems besiegt. Im
       wirklichen Leben steht dieser Sieg noch aus. Der Gegner ist zäh. Bachelet
       wird dafür Unterstützung brauchen – auf den Straßen Chiles genauso wie von
       der internationalen Gemeinschaft, die sich in der Vergangenheit allzu
       bequem von den überzeugenden chilenischen Wachstumsdaten hat beeindrucken
       lassen.
       
       16 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Chile
 (DIR) Präsidentschaftswahl Chile
 (DIR) Evelyn Matthei
 (DIR) Michelle Bachelet
 (DIR) Michelle Bachelet
 (DIR) Michelle Bachelet
 (DIR) Chile
 (DIR) Michelle Bachelet
 (DIR) Michelle Bachelet
 (DIR) Chile
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wahlrechtsreform in Chile: Etwas mehr Demokratie
       
       Chile hat das Wahlgesetz aus der Zeit der Pinochet-Diktatur abgeschafft.
       Jetzt können auch kleine Parteien oder Unabhängige einen Sitz erringen.
       
 (DIR) Demo gegen Bildungsreform in Chile: Zehntausende fordern Mitsprache
       
       In Chile demonstrieren Tausende gegen den Einfluss rechter Kreise auf die
       versprochene Bildungsreform. Sie befürchten intransparente Verhandlungen.
       
 (DIR) Grenzstreit zwischen Chile und Peru: Salomonisches aus Den Haag
       
       Der Internationale Gerichtshof hat nach langem Streit die Seegrenzen
       zwischen Peru und Chile neu gezogen. Es geht vor allem um Fischereirechte.
       
 (DIR) Präsidentschaftwahl in Chile: Bachelet schafft das Double
       
       Die Sozialistin Michelle Bachelet wird wieder Präsidentin. Ihren Erfolg
       verdankt sie der Schwäche der Rechten. Nicht-WählerInnen sind die neue
       Mehrheit.
       
 (DIR) Kommentar Wahl in Chile: Die Diktatur wirkt nach
       
       Vor der Stichwahl wird sich Chile polarisieren. Zur Disposition steht das
       eigentliche Erbe der Pinochet-Jahre: die neoliberale Ökonomie des Landes.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Chile: Zwei Frauen
       
       Die Sozialistin Bachelet hat die absolute Mehrheit verfehlt. Nun
       entscheidet eine Stichwahl mit der rechten Kandidatin Matthei, wer Chile
       künftig regiert.