# taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: So schön gemischt germanisch
       
       > Beim Spaziergang durch Nürnberg, die deutscheste aller deutschen Sädte,
       > sticht die Unterwanderung überall ins Auge. Gott sei Dank!
       
 (IMG) Bild: Gruß aus Nürnberg der Stadt der Reichsparteitage, 1935.
       
       Die deutscheste aller deutschen Städte ist am Ende doch nicht geworden, was
       sie einmal werden sollte: ein Hort des Dumm- und Dumpfdeutschen, so
       monumental wie beschränkt, Laufsteg der Schlägerbanden, Auftriebshof zur
       Fleischbeschau menschlichen Schlachtviehs. Im Gegenteil.
       
       Die Unterwanderung sticht ins Auge. Im Bratwursthäusel wenden zwischen
       Butzenscheiben und altem Zinngeschirr Frau Nga, Frau Mai und Frau Tran aus
       Vietnam deutsches Kulturgut auf dem Rost. Kolleginnen und Kollegen aus zehn
       Nationen arbeiten in Service, Küche und Metzgerei. Die elegante, ältere
       Dame am Nebentisch, die „Acht auf Kraut“ bestellt, verrät, dass sie vor
       zwanzig Jahren hierher gezogen, aber in Porto am Douro zur Welt gekommen
       sei.
       
       Draußen, in der Königstraße, lassen sich zwei Inderinnen mit viel Gold um
       den Hals von ihren Begleitern Tüten von Zara und Douglas hinterhertragen.
       Und das, was der Gemüseverkäufer an der Pegnitzbrücke von sich gibt, klingt
       kroatisch – dürfte am Ende aber doch „Frrränggisch“ gewesen sein: eine
       Sprache, wie geschaffen zum Schimpfen auf die Obrigkeit.
       
       Hinaus zum Reichsparteitagsgelände fährt die Straßenbahn Nr. 9. In der
       Wodanstraße, immer noch in altdeutschen Lettern angezeigt, passiert sie
       Lokale, die „Lacostaverde“ heißen, „kalimera“ und „African Queen“. Auf dem
       Zeppelinfeld, einst Leni Riefenstahls Freilichtstudio fürs Obszöne, reihen
       sich Lkws aus Holland, England und der Ukraine. Und wo einst der
       Reichsarbeitsdienst antrat, wächst Unkraut, und Maulwürfe sind zugange.
       
       Abends steht in der Hausbrauerei eine junge Frau aus Tschechien am
       Zapfhahn, zwei Japaner im dunkelblauen Business-Look tragen Bügelflaschen
       mit Rotbier hinaus wie glücklich erkämpfte Trophäen. Und an einem der
       Tische stemmen Männer und Frauen, die nach kasachischer Steppe aussehen,
       selig lachend Steingutmaßkrüge und geben stolze Trinkgelder. International,
       polyglott und zivil ist „des Reiches Schatzkästlein“ geworden – etwas
       Besseres hätte Nürnberg nie passieren können.
       
       17 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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