# taz.de -- Pressefreiheit in Südkorea: Leg dich nicht mit der Präsidentin an
       
       > Mit Verleumdungsklagen versucht die politische Elite immer wieder
       > Journalisten loszuwerden. Dabei gilt Südkorea als Vorzeigedemokratie.
       
 (IMG) Bild: Hat Park Geun-hyes jüngerer Brüder einen Auftragskiller engagiert? Der Reporter Choo Chin-woo hat recherchiert. Und das blieb nicht folgenlos
       
       SOEUL taz | Ein Mörder in der Präsidentenfamilie? Das kann nicht sein. Darf
       nicht sein. In Windeseile hatte die Staatsanwaltschaft den brisanten Fall
       ad acta gelegt. Der Investigativjournalist Choo Chin-woo griff ihn wieder
       auf – und landete dafür vor dem Obersten Gerichtshof in Seoul.
       
       Der Tathergang liest sich wahrlich wie der Plot eines Politthrillers: Zwei
       Jahre bevor die jetzige Präsidentin Park Geun-hye im Februar 2013 an die
       Macht kam, wurden zwei ihrer Neffen nur drei Kilometer voneinander entfernt
       am nördlichen Stadtrand von Seoul tot aufgefunden. Der eine habe den
       anderen nach Streitereien über Geld ermordet und wenig später sich selbst
       das Leben genommen, kombinierte die Staatsanwaltschaft damals.
       
       Der überaus populäre Reporter Choo Chin-woo ging jedoch einer andere Fährte
       nach. Jahrelang hatte er bereits über die internen Familienfehden der Parks
       recherchiert – einer Familie, aus der bereits der Autokrat Pak Chung-hee
       stammte, der das Land bis zu seiner Ermordung 1979 mit eiserner Hand zu
       einem einmaligen Wirtschaftsaufschwung verhalf.
       
       In einem Artikel von 2012 legte Choo die Schlussfolgerung nahe, dass es
       sich bei dem zweiten Toten keinesfalls um einen Selbstmörder gehandelt
       habe. Vielmehr könnte es Park Geun-hyes jüngerer Brüder gewesen sein, der
       einen Auftragskiller engagiert hat. Die beiden sollen sich darum gestritten
       haben, wer welche Rolle in der Familienstiftung einnimmt.
       
       Die Story dominierte die politische Berichterstattung, zumal sie während
       der entscheidenden Wahlkampfphase um das Präsidentenamt erschien. Wegen
       übler Nachrede drohte die Staatsanwaltschaft dem Journalisten mit bis zu
       drei Jahren Haft.
       
       ## Außerdienstliche Schäferstündchen
       
       Choo ist nicht der einzige Reporter, der unter dem Verleumdungsparagrafen
       derzeit vor Gericht steht. Der prominenteste und gleichsam umstrittenste
       Fall handelt vom ehemaligen Seoul-Korrespondenten der nationalistischen
       japanischen Zeitung Sankei Shimbun, Tatsuya Kato, der bereits seit August
       das Land nicht mehr verlassen darf. In einem Artikel hatte Kato Gerüchte
       aufgegriffen, die das mysteriöse Verschwinden von Präsidentin Park Geun-hye
       am Tag der Sewol-Katastrophe erklären sollten.
       
       Als die südkoreanische Fähre im April 2014 sank (und 300 Menschen starben
       beziehungsweise bis heute vermisst werden), war die Präsidentin sieben
       Stunden lang selbst für ihre engsten Berater nicht auffindbar. In seinem
       Artikel zitierte der Japaner kursierende Gerüchte, dass sich Park Geun-hye
       zum außerdienstlichen Schäferstündchen mit einem ihrer ehemaligen Berater
       getroffen habe.
       
       Nun drohen dem Korrespondenten Kato bei einem Schuldspruch bis zu sieben
       Jahre Haft.
       
       Ist es verantwortungsloser Journalismus, diffamierende Gerüchte ohne
       handfeste Beweise aufzugreifen? Wahrscheinlich. Aber eine Straftat?
       
       ## Autoritäres Erbe
       
       Nach südkoreanischem Gesetz wird eine Verleumdung als bloße Absicht
       definiert, den Ruf einer Person zu schädigen – ganz unabhängig davon, ob
       die Anschuldigungen stimmen oder nicht. Ausgenommen sind explizit Berichte,
       die im öffentlichen Interesse stehen. Diese Regel hat aufmüpfige Reporter
       in der Vergangenheit meist beschützt. Doch seit einigen Jahren tut sie das
       immer weniger.
       
       Südkorea gilt als Vorzeigedemokratie Asiens, und tatsächlich hat sich seit
       den 90er Jahren im Tigerstaat eine lebhafte Protestkultur entwickelt.
       Aggressive Wahlkampfkampagnen sind Alltag und eine politisch breite
       Zeitungslandschaft buhlt um Leser.
       
       Gleichzeitig steht es um die Pressefreiheit des Landes gar nicht gut.
       Reporter ohne Grenzen listet Südkorea in ihrem Index auf dem weltweit 57.
       Rang. Damit ist der Tigerstaat in nur vier Jahren um 15 Plätze gefallen.
       Regierungskritiker machen dafür vor allem Park Geun-hyes Führungsstil
       verantwortlich, der das autoritäre Erbe ihres Vaters fortführe.
       
       Umso wichtiger werden unabhängige Journalisten wie Choo Chin-woo. Bevor der
       41-Jährige am Freitag auf der Anklagebank Platz nahm, hatte er bereits
       verkündet, dass er seine Recherchen an dem Mordfall weiterführen werde –
       ganz gleich, wie sein Fall ausgehen wird. Das kann er nun in Freiheit tun:
       „Der Angeklagte hatte hinreichende Indizien, die seine Behauptungen
       unterstützen“, schlussfolgerte der Richter und sprach Choo schließlich
       frei.
       
       19 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Südkorea
 (DIR) Park Geun-hye
 (DIR) Reporter ohne Grenzen
 (DIR) Fähre
 (DIR) Rentner
 (DIR) Reporter ohne Grenzen
 (DIR) Katar
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Meinungsfreiheit
 (DIR) Nordkorea
 (DIR) Südkorea
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Südkoreas Schiffskatastrophe: Ein Unglück mit System
       
       Ein Jahr nach dem Untergang der Fähre „Sewol“ kämpfen Angehörige der 304
       Toten weiter gegen politische Blockaden der Aufklärung.
       
 (DIR) Senioren in Südkorea: „Die Jugend behandelt uns wie Dreck“
       
       Die Nachkriegsgeneration hat Südkorea wieder aufgebaut. Doch viele Senioren
       müssen bis ins hohe Alter arbeiten. Ein Tag im Rentner-Park von Seoul.
       
 (DIR) ROG-Rangliste zur Pressefreiheit: Eritrea auf dem letzten Platz
       
       „Reporter ohne Grenzen“ hat eine aktuelle Übersicht zur internationalen
       Pressefreiheit veröffentlicht. Auch in Europa haben sich die Bedingungen
       verschlechtert.
       
 (DIR) Kommentar Journalismus und PR: Nö, nicht mit mir
       
       Ist es in Ordnung, wenn sich Journalisten von Katarern und dem
       Internationalen Handball-Verband bezahlen lassen? Nein. Ganz und gar nicht.
       
 (DIR) Nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea: Fremd im eigenen Land
       
       Eine junge Generation nordkoreanischer Flüchtlinge sucht ihren Platz in
       ihrer Wahlheimat Südkorea – und muss gegen Vorurteile kämpfen.
       
 (DIR) Meinungsfreiheit in Südkorea: Paranoide Verhältnisse
       
       Beim Thema Nordkorea hört im südlichen Nachbarland die Meinungsfreiheit
       auf. Da wird man sogar für unliebsame Debatten inhaftiert.
       
 (DIR) Gespräche zwischen Nord- und Südkorea: Im beiderseitigen Interesse
       
       Nordkorea wurde zuletzt wegen Hackervorwürfen international kritisiert. Nun
       schlägt Kim Jong Un Gespräche mit Südkorea vor. Dort hofft man auf einen
       Dialog.
       
 (DIR) Linke Partei in Südkorea verboten: Gericht wittert den Umsturz
       
       Südkorea verbietet eine oppositionelle Partei. Begründung: zuviel Nähe zu
       Nordkorea. Zuvor wurden einige Parteimitglieder wegen Hochverrats
       angeklagt.