# taz.de -- Proteste im Kongo: Revolte zum Schutz der Wahlen
       
       > Proteste gegen eine Wahlverschiebung arten in Kinshasa und Goma in Gewalt
       > aus. Die Opposition wünscht sich einen Volksaufstand wie in Burkina Faso.
       
 (IMG) Bild: Versuch eines Volksaufstands: Straße in Kinshasa am 19. Januar 2015.
       
       BERLIN taz | Am Anfang stand ein Aufruf der größten Oppositionsparteien,
       das Parlament zu besetzen. So wie in Burkina Faso, wo die Erstürmung des
       Sitzes der Legislative durch aufgebrachte Jugendliche am 30. Oktober schon
       einen Tag später zum Sturz des Präsidenten führte, sollte auch in der
       Demokratischen Republik Kongo durch eine solche Aktion ein Fanal zum
       Volksaufstand gesetzt werden. Am Ende standen Straßenschlachten in Kongos
       Hauptstadt Kinshasa sowie in der ostkongolesischen Metropole Goma.
       
       Proteste gab es auch in Bukavu und Lubumbashi. Die von der Opposition
       genannte Zahl von 13 Toten in Kinshasa ließ sich zunächst nicht
       verifizieren, ebenso wenig Meldungen über getötete Polizisten.
       
       Auslöser der Proteste am Montag war die Vermutung der Opposition, Präsident
       Joseph Kabila wolle über das Ende seiner gewählten Amtszeit im Dezember
       2016 hinaus an der Macht bleiben.
       
       Zwar sind Überlegungen, die Begrenzung der gewählten Amtszeiten des
       Staatschefs auf zwei aus der Verfassung zu streichen, offenbar vorerst vom
       Tisch. Stattdessen aber hat das Parlament Veränderungen des Wahlgesetzes
       verabschiedet, die eine Wahlverschiebung nahezu zwingend erscheinen lassen.
       
       ## Völkszählung vor den Wahlen
       
       So ist jetzt festgelegt, dass es vor den nächsten Wahlen eine Volkszählung
       geben muss. In einem riesigen, von Staatszerfall und Krieg verwüsteten Land
       wie dem Kongo ist das eine schier unmögliche Herausforderung. Die letzte
       Volkszählung gab es 1984. Eine neue Zählung beschloss die Regierung bereits
       2009.
       
       Eine neue Volkszählungsbehörde (BCR) sollte das in drei Jahren erledigen.
       Bis heute hat sie damit nicht einmal begonnen, und im Oktober 2014 schuf
       Präsident Kabila ein konkurrierendes Nationales Amt zur Identifizierung der
       Bevölkerung (ONIP), was die Sache verkompliziert.
       
       Die Opposition rechnet nun mit einer Dauer von vier Jahren und einer
       entsprechenden Wahlverschiebung auf mindestens 2019. Die Regierung hat
       bereits eine Verschiebung auf 2017 ins Spiel gebracht. Um das Wahlgesetz zu
       ändern, wurden die Parlamentarier eigens am 17. Januar, eigentlich als
       Jahrestag der Ermordung des Nationalhelden Patrice Lumumba ein Feiertag, in
       den „Volkspalast“ im Zentrum von Kinshasa geholt. Diese Woche soll noch das
       Oberhaus die Änderung absegnen.
       
       ## Oppositionsführer und TV-Sender geknebelt
       
       Die Regierung tat ihr Möglichstes, um Proteste im Keim zu ersticken. Am
       Montagfrüh war der Volkspalast weiträumig abgeriegelt, Oppositionspolitiker
       waren in ihren Parteizentralen eingekesselt. Drei oppositionelle
       Fernsehsender, die den Demonstrationsaufruf verbreitet hatten, wurden
       abgeschaltet.
       
       Dennoch versammelten sich an zahlreichen Orten in Kinshasa gewaltbereite
       Jugendliche und Studenten. In Goma wurden zwei Polizisten verletzt. In
       Kinshasa wurde das Büro von Vizepremierminister Evariste Boshab geplündert,
       ebenso Geschäfte im Besitz von Chinesen.
       
       Die Polizei, nach Angaben von Demonstranten auch die Präsidialgarde, schoss
       mit Tränengas und eröffnete vereinzelt das Feuer auf Steine werfende
       Jugendliche. Der zu einem Besuch bei Kabila angereiste Präsident von Angola
       musste per Hubschrauber zum Präsidentenpalast geflogen werden.
       
       Es kursierten Fotos und Filmaufnahmen von Verwundeten sowie brennenden
       Straßensperren. Zahlreiche Geschäfte und Schulen blieben geschlossen. „Die
       Lage ist explosiv“, sagte der eingeschlossene Oppositionsführer Vital
       Kamerhe. „Ich fürchte, dass mit dem heutigen Tag die Lunte angezündet
       worden ist.“
       
       19 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Joseph Kabila
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Goma
 (DIR) Kinshasa
 (DIR) Protest
 (DIR) Joseph Kabila
 (DIR) Goma
 (DIR) Kinshasa
 (DIR) Katholische Kirche
 (DIR) Kongo
 (DIR) Kongo
 (DIR) Kongo
 (DIR) Kinshasa
 (DIR) Kongo
 (DIR) Kongo
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mysteriöses Massengrab im Kongo: Faule Ausrede für „faulende Leichen“
       
       Ein Massengrab mit 425 Toten in Kinshasa erregt die Öffentlichkeit. Handelt
       es sich um Opfer der Proteste vom Januar?
       
 (DIR) Vereitelte Konferenz im Kongo: Polizei sprengt Demokratie-Treffen
       
       Aktivisten aus verschiedenen Ländern trafen sich in Kinshasa zum Austausch.
       Kongos Regierung sah darin staatsfeindliche Umtriebe.
       
 (DIR) Wahlrechtsreform im Kongo: Erfolg für die Protestbewegung
       
       Nach vier Tagen Unruhen schreibt das Parlament fest, dass die nächsten
       Wahlen nicht verschoben werden dürfen. Ein Sieg für die Protestierenden.
       
 (DIR) Proteste im Kongo: Steine, Tränengas, Schüsse
       
       Wegen einer Wahlrechtsreform kommt es zu Unruhen. Kongos Parlament vertagt
       die Entscheidung und verlängert die Krise.
       
 (DIR) Proteste im Kongo: „Hört auf, euer Volk zu töten“
       
       Die mächtige katholische Kirche unterstützt jetzt die Proteste gegen
       Kabilas Wahlrechtsreform. Die Gewalt in Kinshasa dauert an.
       
 (DIR) Protest gegen Wahlrechtsreform: Tag der Gewalt in Kinshasa
       
       Die Unruhen wegen der Wahlrechtsreform weiten sich in der Hauptstadt des
       Kongo aus. Oppositionelle werden verhaftet. Die Opferzahlen sind
       umstritten.
       
 (DIR) Panzi-Krankenhaus im Kongo schikaniert: Finanzamt gegen Frauenretter
       
       Das Krankenhaus des Sacharow-Preisträgers Denis Mukwege in Bukavu, das
       Opfer sexueller Kriegsverbrechen behandelt, wird vom Staat lahmgelegt.
       
 (DIR) Polizeigewalt in Kinshasa: Kongo macht Front gegen UNO
       
       Nach einem Bericht über extralegale Hinrichtungen durch die Polizei in
       Kinshasa soll der oberste Menschenrechtswächter der UN-Mission gehen.
       
 (DIR) Streit um Kongos Verfassung: Oppositionsproteste in Kinshasa
       
       Präsident Joseph Kabilas Gegner machen gegen seinen eventuellen
       Wiederantritt bei den Wahlen 2016 mobil. Ein Menschenrechtler wurde
       verschleppt.
       
 (DIR) Krise im Kongo: Ein Land voller Brandstifter
       
       Noch mehr mysteriöse Gewalt: Nach dem „Putschversuch“ in Kinshasa und der
       Ermordung eines Obersts erschüttern Kämpfe die wichtigste Bergbauregion.
       
 (DIR) Krise im Kongo: Kabila gerettet. Und der Kongo?
       
       Die M23-Rebellen sind besiegt, UN-Chef Martin Kobler und Armeechef François
       Olenga haben dem Staat Beine gemacht. Die Zukunft des Landes ist unklar.