# taz.de -- Medien und der Kampf um Kobani: Spindoctors aus Militär und Melodram
       
       > Die Milizen des „Islamischen Staats“ haben sich aus Kobani zurückgezogen.
       > Doch wo bleibt der Jubel über die Niederlage der Dschihadisten?
       
 (IMG) Bild: Vorerst gewonnen, doch die Rückeroberung ist ein Punktsieg: kurdischer YPG-Kämpfer in Kobani
       
       Kobani ist befreit. Die Milizen des IS wurden aus der syrisch-kurdischen
       Stadt vertrieben, der Siegeszug des IS abgebremst. Egal. Die Symbolstadt
       für die demokratische Allianz gegen den islamistischen Terror ist den
       Medien fast nur noch eine Meldung wert. Größere politische Bilanzen und die
       Diskussion über Zukunftsszenarien finden sich kaum.
       
       Wie kann das sein? Immerhin kennt jede/r ZeitungsleserIn inzwischen den
       Namen Kobani, und der IS ist dank seines hohen Gruselfaktors ohnehin in
       aller Munde. Und was wurde nicht alles geschrieben, als Kobani drohte zu
       fallen?
       
       Die Wahrnehmungskurven in Bezug auf Irak, Syrien (wie auch Afghanistan)
       sind bizarr. Als die westliche Öffentlichkeit von dem selbst ernannten
       „Islamischen Staat“ erfuhr, brandete großes Interesse an den
       köpfeabschlagenden Kämpfern auf, die gemeine Nahost-Fatigue war
       weggeblasen. Zurecht.
       
       Immerhin revidierte Obama nach der Einnahme der irakischen Großstadt Mossul
       durch den IS seine Doktrin des militärischen Rückzugs und näherte sich im
       Kampf gegen den IS wieder dem Assad-Regime an. Mittlerweile teilt man sich
       den Luftraum über Syrien.
       
       Dieser Kurswechsel war und ist genauso entscheidend für das aktuelle Leben
       der Menschen „on the ground“ in Irak und Syrien wie der Vormarsch des IS.
       Leider verschlimmern alle Kriegsparteien die Situation für die
       Normalbevölkerung. Die wird nun vom Assad-Regime, der USA-geführten Allianz
       und dem IS beschossen. Helfen würden nur lokal ausgehandelte und
       international überwachte Waffenpausen. Doch darum scheren sich die
       internationalen Vermittler wenig oder zu wenig. Für sie zählt das Primat
       des Militärischen, Terror sei nur mit Waffen zu bekämpfen.
       
       Irak, Pakistan und Afghanistan zeigen, dass diese Strategie nicht
       funktioniert. Umso erstaunlicher ist es, dass ein militärischer Sieg, wenn
       es ihn denn mal gibt, nicht hochgejubelt wird. Wie sonst will man die
       Kampfstrategie gegen den IS überhaupt noch verteidigen?
       
       ## Ein Vampirschauspiel
       
       Sicher, das Umland von Kobani steht weiterhin unter der Kontrolle des IS,
       die Milizen können Nachschub aus den Hochburgen Mossul und Raqqa
       organisieren und Kobani erneut angreifen. Der IS ist von einer Kapitulation
       weit entfernt, Kobani ist nur ein Punktsieg gegen ihn – aber im Westen
       liebt man doch die Symbolpolitik, warum interessiert sie jetzt nicht mehr?
       
       Der Grund für die aufmerksamkeitstechnische Flatterhaftigkeit scheint in
       der standhaften Verweigerung der politischen Analyse zu liegen. Viele
       Redaktionen ziehen ein am Melodram geschultes Reizerregungsschema vor. Der
       Kampf gegen den IS ist nur so lange interessant, solange er als eine Art
       Vampirschauspiel konsumiert werden kann: Die Unterwelt entsteigt den
       Katakomben und will Blut. Dann sind „wir“ alle Kobani! Wenn der Kampf
       länger dauert und wie jeder Krieg furchtbar ist, zerstreut sich die
       volatile Anhängerschaft und nimmt sich des nächsten Themas an, das wohliges
       Grauen verspricht.
       
       Belastbares politische Interesse aber speist sich vor allem aus der
       Sensibilität für Grauzonen, für Kompromisse, Aushandlungsprozesse,
       Übergangslösungen, gepaart mit langfristigen Visionen. Kernige
       Maximalforderungen illustrieren das Gegenteil.
       
       Mit Kobani ist der IS nicht besiegt. Gerade deshalb muss das Ereignis
       Anlass sein, um die Strategie der US-geführten Allianz zu diskutieren. Was
       lässt sich mit ihr gewinnen, was nicht? Immerhin sollen in Kobani Kämpfer
       in vierstelliger Zahl gestorben sein, die Stadt mit ehemals 200.000
       EinwohnerInnen ist so gut wie leer. Jetzt werden Angriffe der IS-Milizen
       auf Kirkuk im Norden Iraks gemeldet. Wie reagieren die USA?
       
       Wenn die Öffentlichkeit das Schlachtfeld Syrien-Irak allein den Spindoctors
       aus Militär und Melodram überlässt, wird sich der Terror weiter ausbreiten.
       Denn beide Perspektiven haben – siehe Afghanistan – noch nie zu einer
       Befriedigung beigetragen.
       
       30 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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