# taz.de -- Gedenken an NS-Verbrechen: Stolpersteine bleiben Zankapfel
       
       > Die Jüdische Kultusgemeinde in Göttingen kritisiert die geplante
       > Einsetzung von Stolpersteinen. Ihr werde „richtig schlecht“, wenn sie
       > daran denke, sagt deren Vorsitzende.
       
 (IMG) Bild: "Mit Füßen getreten und bespuckt": Die jüdische Kultusgemeinde in Göttingen ist gegen Stolpersteine.
       
       GÖTTINGEN taz | Rund 50.000 sogenannte „Stolpersteine“, die an von den
       Nationalsozialisten vertriebene und ermordete Juden erinnern, hat der
       Kölner Bildhauer Gunter Demnig in den vergangenen 15 Jahren vor den Häusern
       der Opfer in ganz Deutschland verlegt. Doch in Göttingen hat der Widerstand
       der konservativen Jüdinnen und Juden dies bislang verhindert. Dennoch
       sollen nun die ersten Steine ins Straßenpflaster eingelassen werden.
       
       Insgesamt zehn Messingquader werden am 17. März vor drei Häusern verlegt,
       kündigte die Göttinger Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
       an. Sieben der früher dort wohnenden Juden wurden 1942 in das Warschauer
       Ghetto deportiert und dort ermordet. Zwei Kinder konnten nach der
       Reichspogromnacht in die USA fliehen. Ein jüdischer Mann war bereits 1934
       gedemütigt und entrechtet in den Tod getrieben worden. Zu der Verlegung der
       Steine wollen auch einige Nachkommen der Opfer nach Göttingen kommen, sagte
       Bettina Kratz-Ritter vom Vorstand der Gesellschaft.
       
       In Göttingen gab es 2002 erste Initiativen für Stolpersteine. Die jüdische
       Gemeinde der Stadt lehnte das Vorhaben zunächst kategorisch ab.
       „Stolpersteine auf dem Fußboden bedeuten, dass sie mit Füßen getreten
       werden, vielleicht bespuckt, mit Kaugummi überklebt, verdreckt“, sagte die
       damalige Gemeinde-Vorsitzende Eva Tichauer Moritz. „Noch einmal werden die
       Namen mit Unrat überzogen.“ Sie selbst habe während der Nazi-Diktatur 19
       Familienmitglieder verloren, niemals könne sie akzeptieren, „dass deren
       Namen auf Straßen liegen“. Erinnerung müsse auf Augenhöhe erfolgen.
       
       Drei Jahre später spaltete sich die jüdische Gemeinschaft in Göttingen.
       Tichauer Moritz gründete mit zunächst etwa 50 weiteren Jüdinnen und Juden
       die konservative Jüdische Kultusgemeinde. Die Jüdische Gemeinde Göttingen
       mit ihren rund 200 Mitgliedern hingegen orientierte sich am liberalen
       Judentum, gehört auch der Union progressiver Juden an – und positionierte
       sich zu den Stolpersteinen neu. Gemeinsam mit dem Stadtrat, der Jüdischen
       Kultusgemeinde und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
       sei man überein gekommen, dass Stolpersteine verlegt werden, wenn die
       Nachfahren der Opfer damit einverstanden sind.
       
       ## Im Einzelfall nicht einverstanden
       
       Tichauer Moritz bestreitet nun, dass die Kultusgemeinde dem Kompromiss so
       zugestimmt hat. Zwar habe eine gemeinsame Runde vereinbart, der Verlegung
       von Stolpersteinen „im Einzelfall nicht zu widersprechen, wenn Nachkommen
       unbedingt auf der Verlegung eines Steins bestehen würden“. Im Mittelpunkt
       der Diskussion, wie an frühere jüdische Einwohner erinnert werden könne,
       hätten aber andere Überlegungen gestanden. Über diese Vorschläge sei in der
       entscheidenden Sitzung des städtischen Kulturausschusses aber nicht weiter
       geredet worden. Sie habe deshalb mit einem weiteren Mitglied diese
       „Show-Veranstaltung“ verlassen, erklärte Tichauer Moritz.
       
       Am Wochenende bekräftigte sie erneut ihre Kritik an den Stolpersteinen. Ihr
       werde „richtig schlecht“, wenn sie daran denke, dass jedes Opfer der Shoa
       einen solchen Stein bekomme. Die Stadt Göttingen solle sich lieber um die
       lebenden Juden in der Stadt kümmern – durch bezahlbare kulturelle
       Veranstaltungen.
       
       2 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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