# taz.de -- Kolumne Vollbart: Der böse Ausländer
       
       > Zu laut. Zu emotional. Zu aggressiv. Die Geschichte eines eigentlich gut
       > integrierten Menschen von anderswo.
       
 (IMG) Bild: Dem kleinen Ausländer platzt am Ende der Kragen
       
       Das ist die Geschichte vom kleinen Ausländer. Der kleine Ausländer lebt in
       Berlin, genauer im Problemkiez Neukölln. Er ist aber trotzdem gut
       integriert. Er spricht gut deutsch (er verwendet aber „wegen dir“ statt
       „deinetwegen“ und hat Probleme mit der Flexion), er ging aber immerhin zur
       Schule, hat sogar schon mal eine Uni von innen gesehen.
       
       Der kleine Ausländer darf aber nicht wirklich reden.
       
       Der nette große Deutsche ermahnt ihn nämlich immer. Wenn der kleine
       Ausländer redet, ist das für den netten großen Deutschen zu aggressiv. Oder
       zu laut. Oder zu emotional. Der kleine Ausländer darf nämlich nur Opfer
       sein, das gefällt dem netten großen Deutschen so. Dann kann er all seine
       Minderwertigkeitskomplexe verarbeiten und den kleinen Ausländer beschützen.
       
       Aber der will gar nicht beschützt werden. Der große nette Deutsche sagt
       dann: „Ich meine das nicht böse! Du musst nicht gleich so ausrasten.“ Der
       kleine Ausländer erwidert: „Ich bin doch gar nicht ausgerastet. Ich habe
       dir nur etwas gesagt.“ Der große nette Deutsche zuckt dann zusammen. Der
       böse Ausländer hat nämlich mit den Händen gefuchtelt, als er das sagte.
       
       Außerdem sieht der kleine Ausländer dabei auch noch bedrohlich aus. Er
       trägt einen langen Bart und einen komischen schwarzen Mantel.
       
       Der kleine Ausländer ist auch schwul, deswegen erzählen ihm auch andere
       schwule, große Deutsche, wie schlimm für ihn sein Coming-out gewesen sein
       muss. Dann schaut der kleine Ausländer verdutzt und sagt: „Ist es nicht
       immer schwierig?“ Aber er sagt diesen Satz zu laut, zu scharf, und er
       gestikuliert dabei schon wieder. Das missfällt dem schwulen, großen
       Deutschen. Er will doch nur helfen und den kleinen schwulen Ausländer vor
       seiner Familie beschützen.
       
       Die vermeintlich linken, großen Deutschen hingen erklären immer gerne dem
       schwulen, kleinen, linken Ausländer, was Rassismus ist und was nicht.
       Rassismus ist nämlich sehr böse – das weiß er sehr gut. Wenn der kleine,
       schwule, linke Ausländer aber sagt, etwas sei rassistisch oder gar „Das ist
       rassistisch von dir!“, dann ist es vorbei. Denn der vermeintlich linke,
       große Deutsche weiß es besser, er ist kein Rasssist, er sagt keine
       rassistischen Sachen und vor allem handelt er nicht rassistisch. Der
       schwule, linke, kleine Ausländer sei einfach nur empfindlich. Dann sagt er
       Dinge wie: „Sollten wir nicht über Intersektionalität reden?“, das findet
       der vermeintlich linke, große Deutsche komisch. Woher kennt er so Worte?
       
       Der schwule, linke, kleine Ausländer spricht dann mit dem queeren, linken,
       großen Deutschen. „Queer“, sagt er zum schwulen, linken, kleinen Ausländer,
       „sind wir alle“. Der schwule, linke, kleine Ausländer ist verwirrt: „Queer
       ist doch keine Identitätskategorie.“ Das hört der queere, linke, große
       Deutsche gar nicht gerne. Was wisse denn der schwule, linke, kleine
       Ausländer schon über „Queerness“, in seinem eigenen Land seien ja
       schließlich die Zustände katastrophal.
       
       Der schwule, linke, kleine Ausländer geht nach Hause. Auf einem
       DIN-A4-Blatt schreibt er 100 mal den gleichen Satz auf: „Fickt euch!“
       
       8 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Enrico Ippolito
       
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