# taz.de -- Sozialprojekt in Berlin: Kinderschutz beginnt mit der Geburt
       
       > In Neukölln sollen Babylotsen schon im Klinikum Kontakt zu Eltern
       > aufnehmen. An der Charité passiert das bereits. Dort zeigt sich: Es
       > besteht Bedarf.
       
 (IMG) Bild: Ein großer Schritt für die Kleinsten
       
       Eine Kindheit in Neukölln ist rein statistisch gesehen eher unschön. Jedes
       sechste Kind ist Zahlen des Bezirks zufolge übergewichtig, jedes fünfte hat
       Karies. Zwei Drittel der Mädchen und Jungen sind in der Entwicklung
       auffällig. Sie können beispielsweise das, was sie sehen, nicht gut auf ihre
       Bewegungen abstimmen. Die bedenklichste Zahl: Pro Tag werden in Neukölln im
       Schnitt ein bis zwei Kinderschutzfälle gemeldet, sagte am Freitag Falko
       Liecke (CDU), Stadtrat für Jugend und Gesundheit.
       
       Da will der Bezirk gegensteuern: Seit Januar gibt es am Vivantes-Klinikum
       Neukölln sogenannte Babylotsen. Das sind SozialpädagogInnen, die direkt vor
       oder nach der Geburt mit Eltern Kontakt aufnehmen. Über einen Fragebogen
       sollen Probleme erkannt und in einem Gespräch passende Hilfen vermittelt
       werden. 53.000 Euro kostet das Projekt, es wird aus Bundesmitteln
       finanziert. Träger ist der Verein Kindergesundheitshaus.
       
       An den Charité-Standorten in Mitte und Wedding arbeiten Babylotsen bereits
       seit knapp drei Jahren. Eine Auswertung zeigt, dass bei 2.850 Geburten von
       Januar bis August 2013 insgesamt 1.050 Eltern einen Beratungsbedarf hatten.
       365 von ihnen vermittelten die Babylotsen weitere Hilfen, das sind immerhin
       13 Prozent aller Geburten. Eltern seien in dieser Phase besonders offen für
       Unterstützung, berichtete Oberärztin Christine Klapp. Ein Jahr später könne
       das schon wieder ganz anders aussehen.
       
       Es gibt in Berlin bereits verschiedene Instrumente des präventiven
       Kinderschutzes. Sogenannte Familienhebammen begleiten besonders belastete
       Mütter und Väter. Wer die Vorsorgeuntersuchungen versäumt, bekommt eine
       Mahnung. Die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste der Bezirke statten zudem
       allen frisch gebackenen Eltern einen Hausbesuch ab.
       
       Liecke sagt, in Neukölln finde dieser Hausbesuch sechs bis acht Wochen nach
       der Geburt statt. „Das ist mir ein Stück weit zu spät“, so der Stadrat.
       Niemand sei zudem gezwungen, die Bezirksvertreter einzulassen. Acht Prozent
       der Eltern erreichten sie damit gar nicht. Von den Babylotsen erhoffe man
       sich, auch mit diesen Müttern und Vätern in Kontakt zu kommen.
       
       Der Stadtrat ist pragmatisch: Letztlich sollen die Babylotsen auch
       Einsparungen bewirken. 50 Millionen Euro gibt Neukölln pro Jahr für
       Familienhilfen aus, etwa für Sozialarbeiter, die in die Familien gehen,
       oder für die Unterbringung von Kindern in Heimen. Tendenz steigend. „Da
       müssen wir uns schon fragen, ob unsere bisherigen Instrumente die richtigen
       sind“, so Liecke. Der Stadtrat ist überzeugt: Je früher man belasteten
       Familien hilft, desto eher kann man später auf teure Maßnahmen verzichten.
       
       Neukölln will auch die neuen Medien nutzen, um mehr Eltern zu erreichen.
       Über eine Familien-App sowie die Seite [1][www.gesundes-neukoelln.de] kann
       sich jeder über die Angebote des Bezirks informieren. „Ich sag es mal
       platt: Viele Familien haben nichts zu fressen, aber ein Smartphone“, so
       Liecke. Bislang gibt es die App nur auf Deutsch. Eine türkische Version
       soll folgen.
       
       6 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.gesundes-neukoelln.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
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