# taz.de -- Behauptung versus Erkenntnis: Der gefühlte Anstieg der Gewalt
       
       > Die vermehrten Übergriffe auf Polizisten, von denen die CDU immer wieder
       > gern spricht, lassen sich in Bremen statistisch nicht belegen.
       
 (IMG) Bild: Immer mehr Steinewerfer? Die Gewalt gegen Polizisten in Bremen nimmt in den letzten Jahren eher ab, sagt die Statistik.
       
       BREMEN taz | Es ist eine Art Mantra der CDU, seit Langem schon: Die Gewalt
       gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte „nimmt unweigerlich zu“. Seit Jahren
       schon, sagt sie, und zwar: „drastisch“. Aber stimmt das auch? Das wollte
       die CDU jetzt vom Bremer Senat wissen. Die Antwort: Nein. Ganz im
       Gegenteil.
       
       Die Zahl der Körperverletzungsdelikte gegen Bremer PolizistInnen ist seit
       2012 gesunken, von 84 auf 62 im vergangenen Jahr. Das ergibt eine
       [1][Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)]. Auch beim
       „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ sind die Zahlen in den letzten
       sechs Jahren tendenziell rückläufig. Die Bremer CDU redet dagegen von einem
       kontinuierlichen Anstieg, doch den gibt es nur zwischen 2011 und 2013.
       Insgesamt, das bestätigt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bremen,
       ist der Trend ein anderer: 2009 wurden in Bremen 397 Fälle von „Widerstand
       gegen Vollstreckungsbeamte“ erfasst, im vergangenen Jahr waren es nurmehr
       272.
       
       Und weil davon auszugehen ist, dass PolizistInnen derlei Straftaten auch
       anzeigen, „kann davon ausgegangen werden, dass das Dunkelfeld bei
       Widerstandshandlungen geringer ausfällt als bei anderen Delikten“, schreibt
       die Landesregierung. Mit anderen Worten: Die Statistik bildet die
       Wirklichkeit in diesem Falle wohl ganz gut ab. Die Bremer CDU geht jedoch
       davon aus, dass die Dunkelziffer „um ein Vielfaches“ höher liegt.
       
       Für den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Parlament, Wilhelm
       Hinners, selbst ein ehemaliger Polizeibeamter, gibt es auch „keinen
       Widerspruch“ zwischen seiner Behauptung und dem empirischen Befund. Denn im
       „bundesweiten Trend“ nehme die Gewalt gegen Polizisten ja zu. Die letzte
       Ausgabe der PKS lässt diesen Schluss allerdings nicht zu: 2013 wurden 8,2
       Prozent oder 1.834 weniger Fälle von „Widerstand gegen
       Vollstreckungsbeamte“ gezählt als im Jahr zuvor.
       
       Jochen Kopelke, Landesvorsitzender der GdP, spricht denn auch von „ersten
       Erfolgen“ im Kampf gegen Übergriffe auf PolizistInnen. Er beklagt das „hohe
       Niveau“ – bei zuletzt 367 einschlägigen Straftaten gebe es „fast täglich“
       eine neue zu vermelden, sagt Kopelke. Er setzt sich weiterhin dafür ein,
       dass ein neuer Straftatbestand geschaffen wird: Er soll unvermittelte
       „Angriffe aus dem Nichts“ bestrafen, wenn ein Polizist nicht verletzt wird.
       Und – anders als jetzt – auch dann, wenn der sich nicht gerade in einer
       „Vollstreckungssituation“ befindet, wie Juristen sagen, also auch jenseits
       einer Festnahme oder einer Räumung. Die GdP fordert dafür eine
       Freiheitsstrafe von bis zu fünf, in schweren Fällen von bis zu zehn Jahren.
       
       ## Debatte um "Body-Cams"
       
       Auch mit sogenannten „Body-Cams“, also tragbaren Videokameras, möchte
       Gewerkschafter Kopelke die Bremer PolizistInnen ausgerüstet sehen. SPD und
       Grüne diskutieren das derzeit auch in Bremen, denn: „Die Gewaltbereitschaft
       gegenüber PolizistInnen nimmt immer mehr zu.“ Das zumindest behauptete der
       innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Björn Fecker, noch im letzten
       Herbst. In Hessen hat man bereits erste Erfahrungen mit den Body-Cams
       gemacht, und zwar durchaus positive – findet Fecker. In Bremen müsse man
       aber „erst mal ein vernünftiges Konzept“ dafür aufstellen und eine
       gesetzliche Grundlage schaffen, sagt er. Kristina Vogt von der Linkspartei
       sieht die Body-Cams eher skeptisch. In den USA allerdings würden sich
       gerade die Opfer von Polizeigewalt und Bürgerrechtsorganisationen für
       Body-Cams aussprechen, sagt Vogt.
       
       ## Deeskalation wirkt
       
       Und was die Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte angeht, so setzt die
       Fraktionschefin der Linken eher auf weiteres Deeskalationstraining. Die
       statistische Auswertung belege, dass die entsprechenden Maßnahmen der
       letzten Jahre „offensichtlich erfolgreich“ seien. Fecker dagegen will ernst
       nehmen, was die CDU wahrnimmt, aber das Problem „nicht skandalisieren“. Und
       der rot-grüne Senat sagt, dass er zwar eine Initiative zur Verbesserung des
       strafrechtlichen Schutzes von Polizei- und Rettungskräften angeregt –
       darüber aber noch nicht abschließend befunden habe.
       
       Derweil macht sich der statistische Rückgang bei den Straftaten gegen
       PolizistInnen auch bei der Staatsanwaltschaft Bremen bemerkbar: Die Zahl
       der Anklagen wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ ist seit 2009
       kontinuierlich gesunken, die Zahl der Beschuldigten auch. Dazu passt, dass
       auch die Zahl der Verurteilten schrittweise zurückgegangen ist. In aller
       Regel gab es dann eine Geldstrafe, nur in ganz wenigen Einzelfällen wurde
       auch mal eine Freiheitsstrafe verhängt. Zugleich wurden im vergangenen Jahr
       100 Strafbefehle wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“
       ausgestellt, aber auch 90 Verfahren wegen dieses Delikts eingestellt – in
       39 Fällen, weil „kein öffentliches Interesse“ an weiterer Verfolgung
       bestand.
       
       6 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2015-02-04_Drs-18-1728_7153f.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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