# taz.de -- Kulturpolitik in China: Xis Kampf gegen sich selbst
       
       > Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping klagt über vulgäre Kunst und
       > hässliche Architektur. Dafür macht er „westliche Werte“ verantwortlich.
       
 (IMG) Bild: Von den Repressionen hart getroffen: der chinesische Künstler Ai Weiwei
       
       PEKING taz | Irgendwie hat Xi Jinping ja recht. Bei einem Kulturkongress im
       Herbst mit Künstlern, Filmemachern, Architekten und anderen
       Kulturschaffenden hatte sich der chinesische Staatspräsident und Chef der
       herrschenden Kommunistischen Partei (KP) über den Zustand der
       zeitgenössischen Kunst beklagt.
       
       Viele Künstler würden mit „vulgären“ Werken nach Popularität streben und zu
       „Sklaven des Marktes“ werden, schimpfte Xi. Kunst, so belehrte er, dürfe
       nicht „den Gestank des Geldes“ tragen. Ihn störe zudem die Nachmacherei und
       das Fließbandhafte an Chinas Unterhaltungsindustrie. Auch auf die
       derzeitige Architektur im Land war er nicht gut zu sprechen. Er bezeichnete
       sie als „überdreht“, sie gehe ihm „auf die Nerven“.
       
       Und er hat ja recht. Wer etwa vom östlichen Dritten Ring auf das Pekinger
       Finanz- und Geschäftszentrum CBD zufährt, der mag auf den ersten Blick
       vielleicht beeindruckt sein von der schieren Größe der Wolkenkratzer. Aber
       wer genau hinschaut, wird feststellen, wie protzig die gläsernen Klötze
       sind, von Form, Eleganz oder gar einer Seele hingegen kann nicht wirklich
       die Rede sein.
       
       Was er in seiner Rede aber nicht erwähnte: dass Parteisekretäre und
       Spitzenbeamte seiner eigenen Partei die Bauwerke bein Auftrag gegeben
       haben. Und auch die meisten zeitgenössischen Künstler sind bereits seit
       einiger Zeit so strikten Kontrollen, staatlicher Zensur und ideologischen
       Beschränkungen unterworfen, dass sie nur das erschaffen können, was ihnen
       der Apparat vorgegeben hat. Bei all der, ästhetisch gesehen, berechtigten
       Kritik, die der chinesische Staatspräsident übt: Xi kritisiert im Grunde
       das derzeitige System und damit sich selbst.
       
       ## Korrekte Ansichten
       
       Nur leider hält das ihn und seine Genossen nicht davon ab, einer
       „Verwestlichung“ die Schuld an Chinas derzeitiger kultureller Misere zu
       geben und die ideologischen Vorgaben noch weiter auszudehnen. Die Kunst
       solle dem „Volk“ dienen, forderte er – was in der Volksrepublik
       gleichbedeutend ist mit der Partei. Chinas Kulturschaffende sollten den
       Patriotismus als ihr Hauptthema betrachten und „korrekte Ansichten“ zur
       Geschichte, Nation und Kultur hervorbringen.
       
       Seitdem werden staatstreue Akademiker und Spitzenfunktionäre nicht müde,
       diese im Herbst von Xi vorgegebene Linie eifrig nachzubeten.
       
       Nur wenige Tage nach Xis Rede im Herbst brachte die Staatsverwaltung für
       Presse, Publikationen, Radio, Film und Fernsehen (SAPPRFT) den Vorschlag
       auf, Filmemacher, Fernsehschaffende und andere Künstler könnten doch wieder
       in abgelegene Gegenden aufs Land geschickt werden, „um mit der
       Landbevölkerung zu leben und so ihr Weltbild zu überdenken“, heißt es.
       
       Das erinnert unzweideutig sehr arg an ähnliche Praktiken während der
       Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976, als der grausame Despot Mao Zedong
       Intellektuelle und so ziemlich jeden Andersdenkenden aufs Land
       strafversetzte – und das Land für ein ganzes Jahrzehnt ins Chaos stürzte.
       Xi Jinping und sein Vater waren einst selbst Opfer dieser Politik.
       
       Kurz vor Xis Rede hatten die Behörden bereits ein seit 2006 existierendes
       unabhängiges Filmfest in der Nähe von Peking verbieten lassen. Dieses
       Filmfest hatte sich zwischenzeitlich zum bedeutendsten Forum unabhängiger
       Filme in China entwickelt.
       
       ## Größte Säuberungswelle
       
       Inzwischen hat die Rückbesinnung auf den Maoismus auch die Universitäten,
       Akademien und sogar die Schulen erreicht. Auch das Bildungsministerium
       beklagt, dass in den heutigen Universitäten „falsche westliche Werte,
       Ultra-Individualismus und Materialismus“ existierten. Lehrbücher, die
       solche Werte propagieren, sollten aus Hörsälen, Seminar- und Klassenräumen
       verbannt werden, hieß es kürzlich in einer Erklärung.
       
       Kampagnen dieser Art hat es in Chinas jüngerer Geschichte wiederholt
       gegeben – auch nach dem Ableben von Mao. Schon Xis Vorgänger Hu Jintao,
       Jiang Zemin, aber auch Deng Xiaoping hatten sich ähnlicher Mittel bedient
       und begannen ihre Amtszeit mit Kampagnen. Stets dienten sie dazu, unter
       anderem die innerparteilichen Gegner auszuschalten.
       
       Moralkampagnen sind da besonders dienlich. Denn in einer Partei, die den
       Kommunismus nur noch im Namen vor sich herträgt und ansonsten ein System
       etabliert hat, das Ausbeutung, Gier und Selbstbereicherung befördert, fällt
       es den Machthabern umso leichter, sich mit angeblichen Tugenden ihrer
       Widersacher zu entledigen. Denn Verstöße gegen das kommunistische Ideal
       finden sich zuhauf.
       
       Diese Kampagnen waren aber meist nur von kurzer Dauer. So gab es Mitte der
       achtziger Jahre unter Deng zwischenzeitlich auch Phasen, in der
       Intellektuelle Theorien aus der ganzen Welt und aus der chinesischen
       Tradition hitzig diskutieren konnten. Und auch in den Jahren vor und
       während der Olympischen Spiele 2008 berichten viele Künstler, dass ein
       relativ freies Schaffen möglich war.
       
       ## Vorbild Mao
       
       Was die derzeitige Ideologiekampagne unter Xi von seinen Vorgängern
       unterscheidet, sind die Dauer und das Ausmaß. Xis Antikorruptionskampagne
       dauert bereits seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren an. Seitdem hat die
       Parteispitze mehr als eine Viertelmillion Parteimitglieder ausgeschlossen.
       
       Rund 650 Beamte und Parteisekretäre sind wegen Korruption bereits überführt
       und wurden öffentlich an den Pranger gestellt, darunter auch fast 80
       Personen vom Rang eines Ministers oder Provinzgouverneurs. Zugleich ist
       auch die Zahl der verhafteten Dissidenten, Journalisten und Künstler in die
       Höhe geschnellt. Zahlenmäßig handelt es sich um die größte Säuberungswelle
       seit der Kulturrevolution.
       
       Dieses auch für chinesische Verhältnisse besonders harte Vorgehen lässt
       zwei Interpretationen zu: dass Xi parteiintern besonders viele Feinde hat
       oder aber, dass er nach so viel Macht strebt, wie sie seit Mao keiner mehr
       in der Volksrepublik hatte. Auf der Strecke bleiben die liberalen Kräfte,
       die Künstler und die anderen Freigeister. Solange Xi an dieser Praxis
       festhält, wird Chinas Kunst daher auch weiter von Chauvinismus und die
       Architektur von monströsen Glas- und Betonbauten dominiert bleiben.
       
       16 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
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