# taz.de -- NS-Künstler Erich Klahn: Antijüdische Stereotype
       
       > Das Lübecker Museum Behnhaus zeigt den „Ulenspiegel“ des wegen seiner
       > NS-Nähe umstrittenen Künstlers Erich Klahn fast unkommentiert.
       
 (IMG) Bild: Formbarer Schelm, feixende Juden: der Künstler als Antisemit.
       
       LÜBECK taz | Eigentlich war Eulenspiegel nur ein harmloser Narr. Aber was
       heißt schon harmlos: Ein Narr ist ambivalent, hat die Freiheit eines
       scheinbar Verrückten und kann daher ungestraft die Wahrheit sagen. So war
       es auch mit Till Eulenspiegel, jener mittelalterlichen Legendenfigur, der
       jetzt eine Lübecker Ausstellung gilt.
       
       Dabei weiß man nicht einmal, ob es Eulenspiegel je gab. Aber weil er so
       spöttisch, robin-hood-artig feixend auf die Obrigkeit schaute, ließ er sich
       gut vereinnahmen als Rächer der Unterdrücken. So eine Geschichte konnte
       Charles des Coster im 19. Jahrhundert problemlos zum belgischen
       Nationalepos umdichten. Für seine „Geschichte von Ulenspiegel und Lamme
       Goedzak und ihren heldenmäßigen, fröhlichen und glorreichen Abenteuern im
       Lande Flandern und anderwärts, 1867/1869“ verlegte er die niederdeutsche
       Geschichte in den Achtzigjährigen Krieg des 16. Jahrhunderts, als die
       Flamen gegen die Spanier fochten. Ulenspiegel wurde zum kämpfenden Flamen –
       und zur Parabel für den im 19. Jahrhundert tobenden Sprachenkampf der
       „Vlaamse Bewegung“ gegen die Wallonen.
       
       De Coster setzte sich damit zwischen alle Stühle: Mangels verfügbarer
       flämischer Kultursprache schrieb er sein pro-flämisches Werk auf
       Französisch. Aber die Flamen konnten es nicht lesen, und Franzosen betraf
       es nicht. Heute gilt der Roman als bedeutendste literarische Übertragung
       des Eulenspiegel-Stoffs. Aber der Ruhm kam erst nach de Costers Tod.
       
       Und mit ihm die politische Vereinnahmung. Vom Kampf der Flamen gegen die
       Spanier – nordischer Menschen gegen südliche – war es nicht weit zu den
       Ideen der rechtskonservativen „Niederdeutschen Bewegung“ der 1920er-Jahre,
       die sich zunächst kulturell, später auch politisch verstand und ein
       „Germanentum“ postulierte, das alle Völker von Belgien bis zum Baltikum
       eine. Deren „Befreiungskampf“ ergänzten die Nazis später um den deutschen
       Führungsanspruch – der Link war perfekt. Und so stark, dass sich der
       Rechtsaußen-Flügel der „Niederdeutschen“, die Fehrs-Gilde, 1933 freiwillig
       dem NS-Ideologen Alfred Rosenberg unterstellte.
       
       In der Fehrs-Gilde verkehrte auch der Lübecker Maler Erich Klahn, der
       zwischen 1935 und 1978 de Costers Ulenspiegel illustrierte. 1312 Aquarelle
       hat er geschaffen, von denen das Lübecker Behnhaus Drägerhaus jetzt 300
       zeigt – aber in problematischer Form. Denn über Klahns Nähe zum
       Nationalsozialismus – 1921 war er der NSDAP beigetreten, ohne aber je
       Mitgliedsbeiträge zu zahlen – geht die Schau ebenso hinweg wie darüber,
       dass sich Klahn Hitler-freundlich äußerte und einen Teppich schuf, der 1943
       im „Gästehaus der Reichsführung der NS-Frauenschaft“ hing.
       
       Stattdessen vermerkt der Saaltext lapidar, Klahn sei im Nationalsozialismus
       nicht verfemt gewesen. „Er musste nicht ins Exil, um seine Kunst
       hervorbringen zu können“ steht da. Das Wort „Niederdeutsch“ fehlt. Im
       Katalog, sagt Museumschef Alexander Bastek, sei alles erklärt.
       
       Das stimmt nur zum Teil: Der zentrale Aufsatz von Diana Maria Friz
       behandelt vor allem Klahns Frauengeschichten und erwähnt nur knapp, dass er
       „noch lange glaubte, dass ,Hitler geeignet sei, Deutschland wieder zu alter
       Größe zu führen‘“.
       
       Da hatte der Katalog zur Wolfenbütteler Klahn-Schau von 1986 – von dort
       stammen viele Leihgaben – stärkere Worte gefunden. Sehr klar wird darin
       Klahns völkische Gesinnung benannt. Aber Lübecks Museumschef fand diese
       Texte „zu alt“, um sie in seinen Katalog aufzunehmen.
       
       Und zentral ist die Frage nach Klahns Ideologie in der Tat, begründet sie
       doch einen seit Mai 2014 schwelenden Rechtsstreit zwischen der
       hannoverschen Klosterkammer, die den von der Witwe Barbara Bosse-Klahn
       geschenkten Nachlass nicht mehr mit Staatsgeld pflegen und zeigen will, und
       den Klahn-Erben. Strittig ist, ob es sich um einen kündbaren
       Treuhandvertrag oder eine unkündbare Schenkung unter Auflage handelt.
       
       ## „Karriere hat er nie gemacht“
       
       Das Landgericht Hannover hat die Vertragskündigung durch die Kammer am 27.
       März für ungültig erklärt, aber die will Berufung einlegen.
       Klosterkammer-Direktor Andreas Hesse argumentiert dabei mit einem Gutachten
       des Kunsthistorikers Henning Repetzky, der zu dem Schluss kommt, Klahns
       ideologische Nähe zum NS-Regime sei evident.
       
       Aber auch das lässt der Lübecker Museumschef nicht gelten. Man müsse zwar
       kritisch mit Klahns Frühwerk ins Gericht gehen, könne das aber nicht auf
       das Gesamtwerk übertragen; Näheres werde bald ein zweites Klahn-Gutachten
       zeigen. Das hat die Klosterkammer beim Historiker Thomas Vogtherr in
       Auftrag gegeben, der auch neuere Archivalien sichten soll. In der Tat, sagt
       Vogtherr, sei Klahn nationalkonservativ gesinnt gewesen. Trotzdem sei seine
       Haltung ambivalent. „Er grenzt sich in Briefen einerseits gegen den
       prügelnden, proletarischen NS-Pöbel ab, teilt dessen ideologische
       Positionen aber ausdrücklich.“
       
       Klahn reproduziere auch antisemitische Klischees, hetze aber nicht gegen
       Juden. Und ob Klahn gewusst habe, wie linientreu der Lübecker Geibelpreis
       war, den der 1943 annahm, sei unklar. Zudem habe der Preis Klahns Geldnot
       zwar gemildert, „aber Karriere hat er nie gemacht“.
       
       Das mit der Geldnot spiegelt auch die Lübecker Schau, denn Klahns
       Ulenspiegel-Aquarelle waren letztlich ein Stipendium: Die Celler Ärztin
       Gertrud Lamprecht, eine Geliebte Klahns, zahlte ihm pro Bild einen festen
       Betrag. Und das Thema kam Klahn gelegen: „Das Völkische, das die
       Niederdeutschen und die Nazis in Costers Ulenspiegel hineindeuteten, kam
       ihm sicher entgegen“, sagt Gutachter Vogtherr.
       
       Umgesetzt hat er es handwerklich gekonnt: Wie eine Comic-Serie lesen sich
       die effektvoll arrangierten Blätter, deren Stil zwischen Altmeisterlichem
       des 17. Jahrhunderts und Expressionistischem changiert. Mal sind da
       häusliche Szenen der Ulenspiegel-Geburt zu sehen, mal Soldaten im Krieg,
       mal Ulenspiegel, wie er im Fass sitzend näht. Es gibt Gefolterte und nackte
       Kriegsgefangene im Schnee. Und „Bilder, auf denen er deutsche Soldaten als
       Angsthasen darstellt, waren im Dritten Reich durchaus selbstgefährdend“,
       sagt Museumschef Bastek.
       
       Das waren die Aquarelle der hakennasigen, fratzenhaft feixenden Juden
       sicher nicht. Trotzdem habe man sie nicht herausgelassen, „um uns nicht dem
       Vorwurf des Verschweigens auszusetzen“, sagt Bastek. Doch auch hier fehlt
       jede Beschriftung. Der unbedarfte Betrachter kann also den Eindruck
       gewinnen, dass die Darstellung antisemitischer Stereotype salonfähig sei.
       
       30 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
 (DIR) Kunst
 (DIR) NS-Forschung
 (DIR) Hannover
       
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