# taz.de -- Exklusion bei der SPD: Alle raus!
       
       > Die SPD trennt sich schnell von Mitgliedern, die negative Schlagzeilen
       > machen. Die taz hat Empfehlungen für weitere Rausschmisse.
       
 (IMG) Bild: Nicht immer, wenn in der SPD jemand abtritt, geschieht das einvernehmlich.
       
       Sie werden ihn nicht los: Sebastian Edathy will nicht freiwillig austreten.
       „Wenn der abstruse Antrag des SPD-Bundesvorstandes auf meinen
       Parteiausschluss erfolgreich sein sollte, wird der Willkür Tür und Tor
       geöffnet“, verkündete der ehemalige Bundestagsabgeordnete vergangene Woche
       via Facebook. „Ich wollte ohnehin nicht austreten. Jetzt erst recht nicht!“
       
       In dem „abstrusen“ Antrag an die zuständige Schiedskommission der SPD in
       Hannover verlangte die Berliner Parteispitze den Ausschluss Edathys: Dieser
       habe durch den Erwerb von Nacktbildern von Kindern gegen das
       Selbstverständnis der Partei verstoßen. Unerheblich sei, dass ein
       Strafprozess am Landgericht Verden gegen die Zahlung von 5.000 Euro ohne
       Urteil eingestellt wurde und Edathy damit als nicht vorbestraft gilt.
       
       Edathy könnte durchkommen mit seiner Weigerung: Laut Parteiengesetz darf
       ein Ausschluss nur bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Satzung oder
       andere Grundsätze der Partei erfolgen; zudem muss dieser Verstoß der Partei
       auch noch schweren Schaden zugefügt haben. Willkürliches Handeln der
       Oberen, Rausschmisse oder Ausschlüsse einzig aufgrund von
       Meinungsverschiedenheiten oder persönlichen Antipathien sollen damit
       verhindert werden. Am politischen Willensbildungsprozess in einer Partei
       der eigenen Wahl teilnehmen zu dürfen, das ist hierzulande ein streng
       geschütztes Rechtsgut.
       
       ## Lange Rauswurf-Reihe
       
       Die Praxis sieht anders aus: Immer öfter versuchen Parteien, unliebsame
       Mitstreiter loszuwerden, sei es wegen deren abweichender politischer
       Positionen, falschen Abstimmungsverhaltens oder auch bloß, weil private
       Verfehlungen negative Schlagzeilen bescheren. Deutscher Ausschluss-Meister
       sind seit jeher die Sozialdemokraten. Seit die SPD vor genau 100 Jahren den
       Spartakisten Heinrich Brandler ausschloss, hat sie immer wieder zu diesem
       Instrument gegriffen. Der Kabarettist Wolfgang Neuss findet sich genauso in
       der langen Rauswurf-Reihe wieder wie der Liedermacher Franz-Joseph
       Degenhardt – aber auch der Bremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Martin
       Korol: Der pensionierte Lehrer war wegen frauen, vor allem aber
       romafeindlicher Homepage-Texte in die Kritik geraten. Zunächst entschied
       die Landesschiedskommission, dass Korol nicht auszuschließen sei, seine
       Mitgliedsrechte aber für zwei Jahre ruhen sollten. Im September beschloss
       die SPD-Bundesschiedskommission dann den Ausschluss.
       
       Länger ist aber die Liste derjenigen, deren bereits beschlossener
       Rausschmiss entweder von der Bundesschiedskommission oder von ordentlichen
       Gerichten wieder kassiert wurde: Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang
       Clement etwa, Berlins ehemaliger Finanzsenator Thilo Sarrazin oder der
       frühere Hamburger Parteisprecher Bülent Çiftlik sind da nur die jüngsten
       prominenten Fälle. Dabei reicht es offenkundig nicht, die Verfehmten
       innerparteilich kaltzustellen und zu passiven Parteimitgliedern zu
       degradieren. Die Symbolik ist wichtig: „So einer ist keiner von uns“,
       lautet die Botschaft – als sei ein untadeliger Lebenswandel samt dem Teilen
       der sozialdemokratischen Mehrheitsmeinung die Voraussetzung für das Führen
       eines Parteibuchs. Dass dieser Maßstab vorrangig an Prominente angelegt
       wird, deren Reden und Tun Medieninteresse wecken, versteht sich.
       
       ## Gerichte fordern Verhältnismäßigkeit
       
       Beim Hamburger Çiftlik, der erstinstanzlich und damit noch nicht
       rechtskräftig verurteilt wurde, eine „Scheinehe“ geschmiedet zu haben, um
       einem türkischen Freund einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, befand das
       Berliner Kammergericht den Rausschmiss aus der SPD als „nicht
       verhältnismäßig“. Das gleiche könnte auch bei Edathy passieren. Dessen
       Verfehlungen mögen moralisch erheblich sein, juristisch werden sie aber als
       Bagatelle bewertet. Auch der Bremer Korol hätte – all seinem
       Stammtischgepolter zum Trotz – wohl gute Chancen gehabt, in der Partei
       bleiben zu dürfen, hätte er ein ordentliches Gericht angerufen.
       
       Ob die SPD den Niedersachsen Edathy, der ihr jüngst so zur Last geworden zu
       sein schien, am Ende los ist, ist unklar. Die taz.nord findet, davon ganz
       unabhängig: Wenn schon Säuberung, dann richtig – und hat ein paar heiße
       Tipps für Hinauszukomplimentierende in der Region.
       
       ## Olaf Scholz: Gebrochen Versprechen...
       
       ... seien gesprochene Verbrechen, so hat es mal ein anderer großer Sozi mit
       einsilbigem Nachnamen gesagt. Wegen fortgesetzten Verstoßes gegen seine
       Prinzipien ist daher der Ausschluss von Hamburgs Bürgermeister
       unumgänglich. Denn Olaf Scholz hält nicht, was er versprochen hat:
       "Ankündigungen im Wahlkampf und spätere Regierungsrealität müssen
       deckungsgleich sein", sagte er Ende Dezember. Das Vertrauen der Bürger in
       die Versprechen von Politikern "darf nicht enttäuscht werden".
       
       Eben das aber tut Scholz - indem er Hamburgs Grüne zum SPD-Ortsverein
       macht. Kein einziges Wahlversprechen dürfen die halten, die
       Koalitionsverhandlungen laufen nach dem Motto: "Erst sagen die Grünen, was
       sie wollen, dann lachen alle herzlich, und dann sagt Onkel Olaf, wie es
       gemacht wird." Die massivste Wählervergrämungsstrategie seit der Agenda
       2010, an Scholz auch nicht so ganz schuldlos ist - und Futter für die
       Politikverdrossenheit, die er angeblich bekämpfen will.
       
       ## Yasmin Fahimi: Proletarisches Defizit
       
       Allgemein gilt: Ohne Stallgeruch wirste nix in der SPD. Und da ist schon
       das ganze Problem mit Yasmin Fahimi aus Hannover. Die ist zwar was geworden
       in der SPD, nämlich Generalsekretärin, und wer sich dieses Amt als Person
       vorstellen will, der kommt am Ende wahrscheinlich auf ihren Zwilling. Oder
       eben sie selbst.
       
       Aber - wenn bei ihr Geruch, dann hier jetzt: aseptisch und nix mit Stall.
       Fahimi ist zwar seit 1986 Parteimitglied, aber als Akademikerkind, das noch
       dazu studiert hat - Chemie - ist sie so unproletarisch wie nur möglich.
       Dass sie dann auch noch von hoher strategischer Intelligenz ist, schlägt
       dem Fass den Boden aus: Die SPD ist, war und bleibt die Partei der
       kumpelnden Kumpels und einander duzenden Genossen, die den Gebrauch von Deo
       erst auf dem zweiten Bildungsweg mühsam erlernen mussten.
       
       Fahimi ist ein wandelnder Verstoß gegen diese ewigen Grundwerte der
       Sozialdemokratie. Sie hätte nie ein Parteibuch kriegen dürfen - und gehört
       selbstredend umgehend aus der SPD entfernt.
       
       ## Manuela Schwesig: Schlicht zu schön
       
       Manchmal ist es unnötig, lange um den heißen Brei herumzureden, liegt das
       Offensichtliche doch auf der Hand: Dass Manuela Schwesig in dieser
       zerknirschten (Sigmar Gabriel), schmallippigen (Peer Steinbrück),
       zauseligen (Wolfgang Thierse) und pausbäckigen (Sigmar Gabriel) Partei alle
       Türen offen stehen - geschenkt. Durch eben die konnte die als
       "Küsten-Barbie", "Quoten-Frau" oder "bestes Stück" Verunglimpfte bis zum
       Ministerinnen-Stuhl durchspazieren. Jüngst porträtierte Tagesschau.de die
       Bundesfamilienministerin, die vorher schon das Sozialministerium in
       Mecklenburg-Vorpommern geleitet hatte, unter dem Titel "Jung, ostdeutsch
       und extrem erfolgreich". Das Problem steht hier zwischen den Zeilen:
       Schwesig ist schlichtweg zu schön für die Sozis. Schön sind die nämlich
       höchstens von hinten. Nicht nur, weil ihr das Rot nicht steht, gehört
       Manuela Schwesig raus aus der SPD, sie hätte niemals reingehört. Schon eher
       in die FDP - die inoffizielle Plattform der neuen Weiblichkeits-Offensive.
       
       ## Bettina Hagedorn:
       
       So geht das wirklich nicht. Dickköpfig hält Bettina Hagedorn daran fest,
       dass der geplante Ostsee-Tunnel zwischen Dänemark und Fehmarn
       milliardenteurer Unsinn sei. Und sagt das auch noch laut. Und fordert, dass
       Deutschland die Ausstiegsklausel im Staatsvertrag mit den Dänen zieht.
       
       Unbegreiflich, warum die Bundestagsabgeordnete aus Kasseedorf in
       Ostholstein noch immer Mitglied der schleswig-holsteinischen SPD sein darf.
       Denn die steht in Treue fest zum Tunnel und der Straßen- und
       Schienenanbindung nach Lübeck. Selbst als stellvertretende
       Landesvorsitzende der Kieler Sozis darf die 59-jährige gelernte
       Goldschmiedin weiter gegen die eigene Partei in Land und Bund Stimmung
       machen.
       
       Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die SPD schmeißt Hagedorn raus - oder
       die Unbeugsame vom Bungsberg tritt ihrerseits die SPD in die Tonne.
       
       ## Verdrängte Vergangenheit: Garrelt Duin
       
       Manche erinnern sich noch ganz genau und sie sagen: Nein, über so etwas
       reden sie nicht. Das ist ihnen zu eklig und zu unanständig. Viele aber
       haben ein gnädigeres Bewusstsein - und die Sache inzwischen vergessen. Aber
       es stimmt eben doch: Garrelt Duin, heute Wirtschaftsminister von
       Nordrhein-Westfalen, war einst Landesvorsitzender der SPD in Niedersachsen.
       
       "Echt jetzt? Garrelt - wie?", fragen die Glücklicheren und blicken
       verständnislos auf das Foto des Mannes mit dem ausdruckslosen Gesicht und
       den Neugeborenen-Augen. Duin heißt der? Nie gehört. Nie gesehen. Aus Leer
       auch noch? Ach, schau mal einer an. Na ja.
       
       Über diesen Garrelt Duin hat laut der dann natürlich folgerichtigen
       Ostfriesen Zeitung Albert Duin - Vorsitzender der bayrischen FDP und mit
       ihm weder verwandt noch verschwägert -, gesagt, der Mann sei ja "so
       schlecht nicht".
       
       Und das, spätestens!, muss für den Ausschluss aus der SPD doch wohl
       reichen!
       
       ## Helmut Schmidt: Kalter Entzug!
       
       Er ist der dringendste Fall - damit er es noch erlebt. Und weil die SPD so
       viele Gelegenheiten hat verstreichen lassen. Schon, dass Helmut Schmidt
       1962 als Innensenator verfassungswidrig und unnötig die Bundeswehr gegen
       Hamburgs Februarhochwasser anforderte, hätte ihn unmöglich machen müssen in
       einer Partei, die später "mehr Demokratie wagen" wollte.
       
       Durch seinen Engagement für die Betonierung der Republik, für die zivile
       und die militärische Nutzung der Atomkraft trieb Schmidt eine ganze
       Generation SPD-Jugend ins Abenteuer der Grünen-Gründung. Seine erst nach
       Schröders Abflug verkündete Agenda-2010-Begeisterung vertiefte den Graben
       zu den Lafontaine-Anhängern. Und die Klimaschutz und Gesundheitspolitik
       seiner Partei raucht er bis heute auf penetrante Weise lächerlich.
       
       Einer, der fürs Wahlalter ab 21 plädiert, muss einsehen, dass auch
       Obergrenzen nottun - und ein Parteibuch nach 70 Jahren abgelaufen ist.
       Daher: Entzug sofort - eiskalt!
       
       7 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
 (DIR) Benno Schirrmeister
 (DIR) Sven-Michael Veit
 (DIR) Lena Kaiser
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) SPD
 (DIR) Bülent Ciftlik
 (DIR) Bülent Ciftlik
       
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