# taz.de -- Ausstellung mit Mord und Totschlag: Der Tatort hinter der Fassade
       
       > Geheimnisvolle Tode, auf verrätselten Fotos in Szene gesetzt und
       > tatsächlich mit Fäden dargestellte Verstrickungen: Der Kunstverein
       > Wolfsburg widmet sich dem Krimi.
       
 (IMG) Bild: Tote Frau in Haute Couture, romantisiert in Szene gesetzt: Ausschnitt aus "Hashimoto Reiko wears Milk #443" (2007).
       
       WOLFSBURG taz | Ein Markenzeichen des Wolfsburger Kunstvereins ist es, sich
       auch mit populärkulturellen Themen und ihrem Niederschlag in der Kunst zu
       befassen. So hatte sich Kunstvereins-Leiter Justin Hoffmann – selbst
       langjähriges Mitglied der im weitesten Sinne Pop-Band Freiwillige
       Selbstkontrolle – schon an früheren Wirkungsstätten mit der Popmusik oder
       dem Comic beschäftigt.
       
       ## Ausflug in den Expressionismus
       
       Die aktuelle Gruppenausstellung in Wolfsburg nun, „Crime Art“, thematisiert
       mittels vierer zeitgenössischer Positionen – den Krimi. Aus dem
       (vor-)abendlichen Fernsehprogramm ist dieses Genre ja nicht wegzudenken,
       allerdings hat die fiktional-lustvolle Befassung mit dem Verbrecherischen
       bereits eine längere Erfolgsgeschichte hinter sich, auch in der
       anspruchsvolleren Literatur und eben der Kunst.
       
       Ein Kabinett expressionistischer Druckgrafik aus den Sammlungen Bönsch
       sowie der Städtischen Galerie Wolfsburg belegt im kunsthistorischen Exkurs
       den Inspirationsquell früherer Kriminalromane, etwa von Arthur Conan Doyle
       oder auch Agatha Christie: Die unheilschwangere Nacht, der lüsterne Mord,
       der in flagranti ertappte Missetäter – sie beflügelten schon Oskar
       Kokoschka, Max Klinger oder Max Beckmann zu Radierungen und lithografischem
       Mappenwerk. Der dadaistische Schriftsteller Walter Serner wiederum griff
       1923 für den Einband seines 25 Kriminalgeschichten versammelnden Buches
       „Der elfte Finger“ auf eine erotische Todesszene von Henri de
       Toulouse-Lautrec zurück.
       
       Die Inszenierung des geheimnisvollen Todes einer schönen Frau als
       romantischer Topos: So könnte man die Fotos des 1954 in Kyoto geborenen
       Japaners Izima Kaoru beschreiben. Er lässt seine Modelle Ideen zur eigenen
       Vergänglichkeit und zum Sterben entwickeln, übersetzt diese dann in
       großformatige Bilder. Exquisite, per Nennung im Bildtitel nachgewiesene
       Designergarderobe, klassische Landschaftsaufnahmen und die in perfekter
       Schönheit Dahingeschiedene geben unter den ästhetischen Konventionen der
       Modefotografie dem Betrachter da quasi-kriminalistische Rätsel auf – nach
       der Todesursache etwa oder dem Tatmotiv.
       
       In einer fiktiven, vielleicht aber auch seiner eigenen Biografie erzählt E.
       S. Mayorga, 1975 in Mexico City geboren, per Video von einer kriminellen
       Karriere: vom Zigarettenschmuggel mit Hilfe von doppelwandigen Lastautos
       und jeder Menge Kartons. Eine Pappzelle bildet dann auch die
       Rauminstallation des ehemaligen Meisterschülers der Kunsthochschule
       Braunschweig. Zwei Leuchtkästen hat er zudem seiner Schwester gewidmet, die
       wie zahllose Menschen in Mexiko ein ganz reales Opfer der Drogenkriege
       wurde.
       
       Der in Berlin und Singapur lebende Ming Wong, Jahrgang 1971, liebt das
       Re-Enactment, also das vorbildgetreue Nachspielen von internationaler
       Filmkunst. Nach verschiedenen Fassbinder-Adaptionen hat er sich 2012
       Polanskis Roman „Chinatown“ vorgenommen. Einmal mehr schlüpft Ming Wong in
       alle Rollen, die symbolische Chiffre des schicksalhaften Ortes erfährt eine
       karikierte Brechung, indem Wong den ermittelnden Detektiv nun mit
       Schlitzaugenbrille überdeutlich als Asiaten stilisiert.
       
       ## Politik, Wirtschaft und Waffentechnik
       
       Die Niedersächsin Fehmi Baumbach schließlich, ebenfalls 1971 geboren,
       stellt noch ihr Fadengespinst zu kriminellen Verstrickungen in Wirtschaft,
       Politik und Waffentechnik hinzu. Ein aufgeschlagenes Journal beschäftigt
       sich mit Lee Harvey Oswald, der als mutmaßlicher Mörder John F. Kennedys
       1962 selbst erschossen wurde.
       
       Eine Parallele zwischen „Crime Story“ und der Kunst an sich erkennt
       Hausherr Justin Hoffmann in der Deutungsarbeit, die beide vom Rezipienten
       verlangen: Der Protagonist im Krimi – und sei es in der behäbigen
       TV-Variante – wie auch der Künstler schauen demnach im besten Falle hinter
       die Oberfläche gesellschaftlicher Lebenswirklichkeit.
       
       ## bis 3. Mai, Kunstverein Wolfsburg
       
       15 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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