# taz.de -- Kent Nagano bringt Fukushima-Oper: "Hamburger Tradition exportieren"
       
       > Hamburgs neuer Generalmusikdirektor Kent Nagano will Musik wieder in die
       > Mitte der Gesellschaft bringen und durchaus auch poltiscih sein - etwa
       > mit der Uraufführung einer Oper über Fukushima
       
 (IMG) Bild: Will Musik in Hamburgs Gesellschaft integrieren: Kent Nagano.
       
       Es klang vielleicht etwas pathetisch, aber so sind Anfänge eben: "Wir
       wollen Hamburger Tradition in alle Welt exportieren", sagte Kent Nagano,
       der im September startende neuer Hamburger Generalmusikdirektor (GM) und
       Chef des Philharmonischen Staatsorchester bei der offiziellen
       Spielplan-Präsentation am Donnerstag.
       
       Die kam als adrettes, fast hegelsches Triumvirat daher: Links der Feingeist
       und Ballettintendant John Neumeier, rechts der muntere Macher Georges
       Delnon aus der Schweiz als Opernintentant in spe. In der Mitte, wie um die
       Waage zu halten, der US-amerikanische Dirigent Kent Nagano, der japanische
       Wurzeln hat und auch Music Director des Orchestre symphonique de Montréal
       ist. Die Trennung von GMD und Opernintendanz ist übrigens neu; die im
       Herbst scheidende Australierin Simone Young hatte beides in Personalunion
       zu managen versucht.
       
       Nun also Nagano: Er habe sich tief in die Tradition von Hamburgs Opern- und
       Komponistenleben hineinbegeben und lange über deren Spezifika nachgedacht.
       Sein Fazit: "Wie klingt Hamburg" - das solle die Leitfrage für künftige
       Programme und Tourneen sein.
       
       Was nicht heißt, dass es arg provinziell zugehen wird: Zentrales Werk der
       kommenden Spielzeit wird die Uraufführung des Auftragswerks "Stilles Meer"
       sein, einer Oper von Toshio Hosokawa. Darin gehe es um "die Art, wie die
       Japaner nicht mit Fukushima umgehen", sagte Delnon. Das Werk handelt von
       einer jungen Frau, die wegen der Evakuierung des Gebiets nach dem Tsunami
       nicht nach ihren Verwandten suchen, keinen Abschied nehmen, sie nicht
       begraben durfte.
       
       Scheinbar ein Einzelschicksal, aber die gesellschaftspolitische Folie des
       Stoffs reicht weiter: Warum ist es um Fukushima so still geworden, warum
       wurde noch kein Verantwortlicher belangt - und wieso ignorieren nationale
       wie internationale Medien die regelmäßigen Anti-Atom-Demos in Japan? Und,
       by the way: Warum hat es keine vergleichbar kritische Tschernobyl-Oper
       gegeben im angeblich so mutigen Europa?
       
       Auch die Ballett-Aufführung von Olivier Messiaens "Turangalila"-Sinfonie
       hätte es ohne Naganos Connections nicht gegeben: Zwar wollte der 1992
       verstorbene Messiaen, Naganos Freund und Lehrer, eigentlich keine
       Tanzversion dieses Stücks. Nach eingehenden Gesprächen mit Messiaens Sohn
       hat Nagano es aber erreicht.
       
       Die Welt solle sagen "Something is happening in the world of music, and it
       is happening in Hamburg", sagte Nagano, und alle drei Intendanten meinen
       das ohne Scherz. Denn da werden nicht nur - beim Internationalen Musikfest
       Hamburg 2016 - Altes und Neues, Gabrieli, Brahms und Boulez konfrontiert.
       Da wird auch "Isoldes Abendbrot", eine Oper von Christoph Marthaler nach
       Texten von Marguerite Duras, gespielt, die sich mit bewussten
       Kontaktabbrüchen von Menschen befasst. Und Michael Wertmüllers "Weine
       nicht, singe" mit einem Libretto von Dea Loher spielt im Nahen Osten und
       den dortigen Erosionen bis in die Familien hinein.
       
       Überhaupt, sagt Delnon, gehe es um die "Alchemie des Spielplans", an dem
       die Hamburger breitflächig partizipieren sollten - etwa, indem die
       Eröffnungsoper, Hector Berlioz' "Les Troyens" auch auf Großleinwand am
       Jungfernstieg übertragen wird.
       
       Und damit die Musik, zu guter Letzt, nicht in den Wolken schweben bleibt,
       versucht sich das neue Hamburger Intendanten-Triumvirat auch
       interdisziplinär: "Musik und Wissenschaft" soll eine neue Reihe heißen, die
       als Mix aus Konzerten und Vorträgen gedacht ist. Das könne, sagt Nagano
       interessante kreative Synergien geben
       
       1 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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